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Postwachstumspolitiken (Buchbesprechung)

von Babette Scurrell, erschienen in Ausgabe #44/2017
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Während viele Menschen abseits ausgetretener Pfade nach Möglichkeiten solidarischen Lebens und Wirtschaftens suchen, engagieren sich andere in politischen Parteien, wissenschaftlichen Einrichtungen oder in mehr oder weniger staatsnahen Organisationen, um zukunftsfähige Wege für unsere Welt zu finden. »[Solche] polaren Positionen des ›Bottom-Up‹ oder ›Top-Down‹« halten die beiden Herausgeber der Beitragssammlung »Postwachstums­politiken« für falsche Alternativen. Sie setzen daher auf »eine wechselseitige Befruchtung von treibender Mikro-Praxis und stützender Bewegungs- und Makropolitik« und legen einen Überblick über politische Inhalte, Formen und Akteure für den Weg in eine Postwachstumsgesellschaft vor.
Das Buch ist für die Fachöffentlichkeit, aber auch für politisch oder theoretisch Interessierte und Engagierte bestimmt. Die Fachsprache der Autorinnen ist meist gut lesbar, weil das Anliegen vordringlich politisch ist und die Leser bei ihren unterschiedlichen lebensweltlichen Erfahrungen mit Politik, Wirtschaft, Geld, Zeit oder Sorgearbeit abgeholt werden. Die große Stärke des Buchs ist die unvoreingenommene Darstellung der vielfältigen Positionen für eine politische Überwindung der Wachstumsabhängigkeit: kleine Schritte, große Würfe, die Befreiung des Markts von Verzerrungen, die erst zu unkontrolliertem Wachstum führen, Finanzmarktreformen, die längst diskutiert werden, das Bezwingen der eigenen Gier – und immer wieder das Hinweisen auf Koalitionen! Besonders wichtig dafür sind zwei Beiträge: zum einen der von Jana Flemming über das Verhältnis von Gewerkschaften und Degrowth-Akteuren mit dem Bemühen, Gemeinsamkeiten für politische Forderungen und Aktionen zu zeigen. Mit Verweis auf den Strukturwandel in Braunkohleregionen setzt sie darauf, dass »Vorstellungen von einem guten Leben unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten in diesen Regionen thematisiert und politische Handlungsstrategien entwickelt werden [können]«. Der andere Text von Corinna Burkhart, Nina Treu und Matthias Schmelzer ist eine informative Darstellung von Ergebnissen des Projekts »Degrowth in Bewegung(en)«, in dem 32 soziale Bewegungen und alternativ-ökonomische Strömungen untersucht wurden. Die Autoren »beschreiben dieses emanzipatorische, bewegungs- und praxisnahe Umfeld der Postwachstumsszene als Mosaik der Alternativen für eine sozial-ökologische Transformation [und stellen so] einen außerordentlich nützlichen Kompass zur Verfügung, an dem sich Postwachstumspolitiken orientieren können.«
Fazit nach 22 Beiträgen: Es gibt politische Alternativen zum »Weiter so« des derzeitigen Wahlkampfs!
 

Postwachstumspolitiken
Wege zur wachstumsunabhängigen Gesellschaft.

Frank Adler,Ulrich Schachtschneider (Hrsg.)
oekom, 2017
324 Seiten
24,95 Euro

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