Buchtipps

Die wahren Visionäre unserer Zeit (Buchbesprechung)

Photo

Während die Probleme unserer Zivilisation immer überwältigender werden, blickt man mehr und mehr auf Pioniere, die schon seit Jahren unterwegs zu neuen Ufern sind. Der Journalist und Soziologe Martin Häusler ist um den ganzen Globus gereist und hat
mit Menschen gesprochen, bei denen er »Rezepte für die Rettung der Erde« vermutete. Allerdings keine Patentrezepte, sonst würde man den gleichen Fehler begehen, »wie die Institutionen, welche die Welt in die Katastrophe geführt haben«, schreibt Häusler in seiner Einleitung. Kluge Menschen wollen niemanden indoktrinieren, vielmehr geht es um Inspiration und positive Handlungsimpulse.
Davon findet man in den Biografien der porträtierten Persönlichkeiten reichlich. Wie nicht anders zu erwarten, beginnt Martin Häusler mit Jakob von Uexküll, der vom Briefmarkenhändler zum Gründer des Alternativen Nobelpreises und des Weltzukunftsrats wurde. Seine Geschichte ist weithin bekannt, aber sie ist immer wieder faszinierend zu lesen, und Martin Häusler kann gut erzählen. Vor allem sind es aber die weniger weltbekannten Gesichter in Häuslers Visio- närs-Sammlung, die den Reiz des Buchs ausmachen. Viele von ihnen haben erfreulich praktische visionäre Ideen, so wie Dickson D. Despommier, der in Städten große vertikale Farmen bauen möchte, oder der Ar- chitekt Georg Thurn-Valsassina, der seine Vision von einer für Mensch und Erde harmonischen Bauweise schon heute in die Tat umsetzt. Aber ebenso wie
die Praktiker brauchen wir auch die Brückenbauer zwischen konventionellen Ansichten in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft hin zu lebensfördernden Perspektiven. Zwei herausragende solche Beispiele in diesem Buch sind Ervin László, der die Bedeutung der Systemtheorie für eine natur- und menschengemäße Wissenschaft herausgearbeitet hat, und der Volkswirt Joseph E. Stiglitz, der seinen Studenten die richtigen Ideen für eine Wirtschaft, die nicht in die Falle des un- begrenzten Wachstums tappt, mit auf den Weg gibt.
Das Buch verdeutlicht: Wir brauchen die ganze Vielfalt neuer Ideen, nicht »einen« Weltretter, der sagt, wo es langgeht. Damit der Geist einer neuen, lebensfördernden Kultur, dem so viele auf der Spur sind, fassbarer wird, brauchen wir ein lebendiges Biotop unkonventioneller Denk- und Lebensansätze. Besonders für Einsteiger in diese kreativ-brodelnde Vielfalt ist Martin Häuslers Buch hervorragend geeig- net. Und noch ein Tipp für Menschen, die gerade niedergeschlagen sind: Spätestens bei der Geschichte von Ekaterina Moshaewa, die als Clown Antoschka mit berühmten Kollegen das Weltparlament der Clowns gegründet hat, werden sie wieder Mut fassen.

Die wahren Visionäre unserer Zeit
Martin Häusler
Scorpio Verlag, 2010
420 Seiten
ISBN 978-3942166027
21,95 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #2

Lebenswegevon Lara Mallien

Berlin ist mein Sprungbrett

Lara Mallien und Johannes Heimrath sprachen mit Beate Küppers über ihren Ausstieg aus einem Gemeinschaftsprojekt und die Suche nach einem neuen Lebensort.

Gemeinschaftvon Lena Meier

Aufwachsen im Anderssein

Immer wieder wird behauptet, dass Kinder in der Ablösung von ihren Eltern auch deren Werte und Lebensweise ablehnen müssten. Sie würden immer das Gegenteil suchen. Was aber ist das »andere Leben«, wenn ein Kind schon anders aufwächst? Viele junge Menschen gehen heute den Weg ihrer alternativen Eltern weiter und suchen wie Lena darin ihren ganz eigenen Weg zu sich selbst.

Lebenswegevon Tatjana Bach

Freundinnen im Niemandsland

Ihre Welten sind zu verschieden, als dass sie auf normalem Weg eine Chance gehabt hätten, sich kennenzulernen. Tatjana leitet seit vielen Jahren Frauengruppen und sammelte Erfahrungen mit der sogenannten Freien Liebe ebenso wie mit einigen Lebens­abschnittspartnern. Ingrid lebt im stadtnahen Reihenhaus mit ihrem Ehemann, hat einen christlichen Hintergrund und arbeitet als erfolgreiche Designerin. Rücken­schmerzen brachten sie dazu, eine Massagesitzung bei Tatjana zu buchen. Heute sind die zwei Frauen Freundinnen. Hier gewähren sie uns einen Einblick in ihre Gespräche, die sie scherzhaft »Cross Culturing« nennen.

Ausgabe #2
Aussteigen & Einsteigen

Cover OYA-Ausgabe 2Neuigkeiten aus der Redaktion