Eine Erwiderung auf Holger Baumanns Beitrag »Guter Kompost genügt« aus Oya 37.
von Rainer Sagawe, erschienen in Ausgabe #38/2016
Erfolg und Misserfolg im Garten hängen insbesondere von der Qualität des Bodens und der Intensität des Bodenlebens ab. Diese tiefe Überzeugung teile ich mit Holger Baumann. Einige seiner Argumente gegen die Verwendung von Schwarzerde bzw. Biokohle (Holzkohle) verkennen jedoch die Funktion der Terra preta als »Dauerhumus« im Wortsinn. Seine Ausführungen dazu scheinen mir den aktuellen Stand einiger Forschungen zu diesem Bereich außer Acht zu lassen.
Verschwendung? Baumann beschreibt die Gewinnung von Holzkohle mittels Pyrolyse als einen Prozess, der übermäßig viel Energie in Form von Hitze benötige. Da dabei zudem gefährliche Gase wie Kohlenmonoxid, Wasserstoff und Methan entstünden, hält er den Einsatz der Kohle in mitteleuropäischen Gärten nicht nur für unnötig, sondern für verschwenderisch und ökologisch bedenklich. Freilich gibt es Pyrolysemethoden wie die sogenannte Breslauer Tonne (siehe Oya 18), bei der ein erheblicher Teil des eingesetzten Holzes zu Asche verbrennt. TLUD-Öfen (»top-lit updraft gasifier«), wie zum Beispiel der von mir konstruierte Chantico-Terrassenofen, sind hingegen höchst effizient; sie lassen sich mit trockenen Holzstückchen aus Baum- und Strauchschnitt oder mit Pellets betreiben. Wird Holz erhitzt, zersetzen sich die organischen Bestandteile, wobei in erster Linie Gase entstehen. In einem ungeregelten Feuer reagieren die aus den Holzporen ausströmenden Gase unmittelbar mit dem Luftsauerstoff unter Freisetzung von Wärme und Licht – sie »verbrennen« in einer »Flamme«. Bei der TLUD-Pyrolyse hingegen frisst sich ein Glutnest von oben nach unten durch das in den Ofen gefüllte Material, wobei sich das aus dem glühenden Holz ausströmende Gas erst oberhalb des Glutkörpers entzündet. Die Sauerstoffarmut im Glutkörper sorgt dafür, dass das Holz nur verkohlt und nicht zu Asche verbrennt. Ab 450 Grad Celsius zerfallen die berüchtigten Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), die im Pflanzenbeet giftig wirken würden. In Klein-Pyrolyseöfen, wie dem von mir entwickelten, besitzt das Glutnest Temperaturen von 630 bis 650 Grad; in der Kohle aus einem derartigen Pyrolyseofen lassen sich keine PAK nachweisen. Erst oberhalb des Materials mischen sich die Pyrolysegase mit der im Nebenstrom zugeführten Frischluft und verbrennen – vorausgesetzt, das Material ist trocken! – mit rauchloser Flamme. Die rund 800 Grad heiße Flamme kann zum Kochen genutzt werden. Laut Christa Roth, die für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Afrika als Beraterin für Nahrungsmittel und Brennstoffe arbeitet, ist dieses Verfahren zwölfmal effizienter als das Kochen auf einem Drei-Steine-Ofen. Für Bedarfe mittlerer bis größerer Gärten hat der Biologe und Terra-preta-Pionier Hans-Peter Schmidt das Erdmeiler-Prinzip wiederentdeckt: In Erdtrichtern mit einem Durchmesser von drei Metern und anderthalb Metern Tiefe wird hocheffizient trockenes, biogenes Material zu Holzkohle umgewandelt. Die gemessenen Werte der Pflanzenkohle sind auch hier sehr gut. In den Trichtermeiler kann man Baum- und Strauchschnitt in großen Stücken werfen und so in wenigen Stunden ein bis zwei Kubikmeter Holzkohle erzeugen. Bei einem Kohleanteil von zehn Prozent genügt diese Menge für zehn bis zwanzig Kubikmeter Terra preta, womit eine Fläche von 50 bis 100 Quadratmetern bedeckt werden kann. Größere landwirtschaftliche Flächen von mehreren Hektar können mit automatisch arbeitenden Pyrolyseanlagen (z.B. von der Firma Pyreg) nach und nach mit Holzkohle versorgt werden. Hier kann insbesondere der kommunal verwaltete Grünschnitt – vom Weihnachtsbaum bis zum Rasenschnitt – zu mehreren hundert Tonnen Pflanzenkohle pro Jahr umgewandelt werden. Im botanischen Garten in Berlin kommt eine »Biomacon«-Anlage zum Einsatz, die Holzabfälle aus dem Garten in Holzkohle und Wärme umwandelt. Beide Anlagen erzeugen die benötigte Prozesswärme selbst und können noch Heizwärme abgeben.
Dauerhumus Die Frage des Energieeinsatzes relativiert sich auch, wenn man bedenkt, dass Terra preta zu Recht als Dauerhumus bezeichnet wird. Ihre wesentliche Zutat, die Holzkohle, besteht, ebenso wie ein Diamant, aus Kohlenstoff – und so, wie der Diamant unvergänglich ist, bleibt auch die in den Boden eingebrachte Holzkohle stabil und ist damit dem Kohlenstoff-Kreislauf entzogen. Unverkohltes Holz verrottet und entlässt dabei den eingelagerten Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre, weshalb Wälder nur als CO2-Senken mit einem gewissen Maximalpotenzial betrachtet werden können. Holger Baumann schlägt nun vor, einen stabileren Humus statt mit Biokohle mit Zellulose zu schaffen. Zellulose ist durchaus gut für den Boden – aber sie vergeht, während Kohle besteht. Ähnliches gilt für die von Baumann gepriesenen Ton-Humus-Komplexe: Diese sind äußerst wertvoll, denn sie bieten den Mikroorganismen ähnlich gute Lebensräume wie Pflanzenkohle – sie sind aber nicht so stabil wie letztere. Die älteste gefundene Amazonas-Schwarzerde wurde vor 7000 Jahren hergestellt und ist bis heute fruchtbar! Zur andauernden Fruchtbarkeit von Schwarzerde kommt ein weiteres gewichtiges Argument: Man kann mit herkömmlicher Kompostarbeit nicht jene Produktivität erreichen, die Terra preta ermöglicht. Nach dem Einsatz von mit Mikroorganismen aufgeladener Kohle wurden Wachstumssteigerungen zwischen 130 und 300 Prozent (C. Kammann, Universität Geisenheim), bei Kürbis sogar bis zu 360 Prozent (H.-P. Schmidt, Nepal) und bei Mais bis zu 400 Prozent (A. Krause, Tansania) wissenschaftlich dokumentiert. Wenn etwas eine derart lange Lebensdauer aufweist und dabei solch überzeugende Vorteile bietet, erscheint die einmal investierte Energie – wie erläutert, ist das bei Terra preta im wesentlichen die menschliche Arbeit – vertretbar. Die hocheffizienten Formen der Pyrolyse entkräften Holger Baumanns Argument, die Terra-preta-Herstellung verschwende Energie und die fachgerechte Kompostbereitung sei in Mitteleuropa ausreichend.
Verschwendung! Bei vergleichender Betrachtung entpuppt sich allerdings gerade das herkömmliche Kompostieren als eine verschwenderische Methode: Ein Komposthaufen ist nach dem Verrottungsprozess in der Regel nur noch halb so groß wie zu Beginn. Die Hälfte der Masse ist in Form von CO2, Lachgas und Methan entwichen. Das ist nicht besonders klimafreundlich. Anders bei Terra preta: Dort bringen die 10 bis 20 Prozent Pflanzenkohle im Boden das Kunststück fertig, 80 bis 90 Prozent des Humus zu binden und zu erhalten. Für mich ist dies ein noch in weiten Teilen ungeklärtes Wunder! Die Hauptwirkung der Holzkohle besteht offenbar darin, dass sie Millionen feinster Poren hat, die Speicher für Nährstoffe und Wasser sind sowie ein Habitat für Mikroorganismen darstellen. Die in diesen Poren steckenden Nährstoffe werden nicht ausgewaschen, sind jedoch für Pflanzen verfügbar. Der forschende Gärtner Herwig Pommeresche weist darauf hin, dass das Kompostmaterial üblicherweise erst dann ins Beet kommt, wenn der Haufen wieder kalt und der Rotteprozess beendet ist (siehe Oya-Ausgabe 22). Hier wird also die Energie verschwendet, die sich in einem frischen Komposthaufen durch Wärme und das Tummeln von vielerlei Leben bemerkbar macht. Ich selbst gebe nach Pommeresches Vorbild zerkleinerte Küchenabfälle unter den Mulch direkt auf die lebendige Terra preta. Auf diese Weise spielt sich das üppige mikrobakterielle und andere Leben des Verrottungsprozesses direkt in Pflanzennähe ab; diese Lebensenergie kommt nun den Pflanzen direkt zugute. Ein intensives Bodenleben ist also das Entscheidende. Geben wir den Bodenorganismen guten Lebensraum, so organisieren sie sich selbst in ständiger Interaktion und in tausendfachen Symbiosen mit den Pflanzen. Laut dem Neurobiologen Stefano Mancuso (»Die Intelligenz der Pflanzen«) besitzen Pflanzen bis zu 14 Sinne; sie können erspüren, wo es Nährstoffe für sie gibt, und sie stimulieren die Bakterienwelt durch die Ausscheidungen ihrer allerfeinsten Haarwurzeln. Der Förster Peter Wohlleben beschreibt in seinem Bestseller »Das geheime Leben der Bäume«, wie Mykorrhyzapilze ein Geflecht um die Haarwurzeln bilden, teilweise in diese eindringen, um mit den Pflanzen Nährstoffe und Wasser auszutauschen. Wohlleben zufolge bilden die Pilzgeflechte ein Informationssystem, eine Art Internet des Bodenlebens. Dazu passt, was Lynn Margulis und Dorion Sagan in ihrem Buch »Leben – Vom Ursprung zur Vielfalt« sinngemäß so ausführen: Bakterien sind bis heute die Grundlage des Lebens auf diesem Planeten. Sie verfügen über die erstaunliche Eigenschaft, DNA sozusagen im Vorübergehen miteinander auszutauschen. Das ist etwa so, als träfe ich mich mit einem Bekannten, der grüne Haare hat, im Café; danach hätte auch ich grüne Haare und könnte diese Eigenschaft an meine Kinder vererben. Wenn nun die 200 000 Bakterienarten im Boden sich sehr schnell ändern können, um sich rasant an neue Situationen anzupassen, ist das die Grundlage für die »Omnipotenz des Bodens«, ein von den Bodenkundlern Fritz Scheffer und Paul Schachtschabel geprägter Begriff.
Klimachance Schwarzerde Inzwischen konnte der BUND-Bundesvorstand, Arbeitskreis Bodenschutz, von der großen Nützlichkeit des Terra-preta-Prinzips überzeugt werden – und sogar auf internationaler Ebene wurden wichtige Weichen gestellt: Das Arbeitspapier der französischen Initiative »4 pour 1000« wurde von der Pariser Klimakonferenz 2015 verabschiedet. Ziel ist ein weltweiter Humusaufbau um vier Promille pro Jahr, bei dem mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert wird. Das Terra-preta-Prinzip weltweit zu verbreiten, könnte einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Menschen satt zu machen sowie das Sanitär- und das CO2-Problem zu lösen. •
Rainer Sagawe (64) begründete die Transition-Town-Initiative Hameln sowie die Energie-Genossenschaft Weserbergland eG. Er engagiert sich in der Klimaschutzarbeit des BUND, entwickelte den Pyrolyseofen »Chantico« und gibt Terra-preta-Workshops.