Wege aus der Wachstumsgesellschaft (Buchbesprechung)
von Peter Krause-Keusemann, erschienen in Ausgabe #24/2014
Zehn Beiträge, die auf ein Kolloquium im Jahr 2011 zurückgehen, finden sich in dem von Harald Welzer und Klaus Wiegandt herausgegebenen Buch »Wege aus der Wachstumsgesellschaft«.
Darin wird zunächst von Bernd Sommer der Weg in die Krise anhand von Fakten aufgezeigt, die er in historische Kontexte stellt. Dadurch ergibt sich manch erhellender Blick. Schade, dass er den Alternativen zum Wachstumsparadigma nur eine kurze Seite gewidmet hat. Spannend und mit eingängigen Formulierungen trägt Harald Welzer danach viele Fakten darüber vor, wie es zur kritischen Gegenwartslage kommen konnte. Dass er sie seiner Deutung folgen lässt, ist verzeihlich, obwohl sich dadurch Schlüsse ergeben, die man auch anders ziehen könnte.
Die Ausführungen von Klaus Wiegandt sind besonders deswegen lesenswert, weil da jemand schreibt, der als Manager selbst erlebt hat, wie es ist, wenn man in verantwortlicher Position wider besseres Gewissen handelt. Von Wolfgang Ullrich wird beispielhaft beschrieben, wie selbst ein ökobewusster Mensch durch Methoden des Neuromarketings und Cue- Managements dazu gebracht werden kann, schlichtes Wasser als Kultgetränk zu konsumieren und zu vergessen, dass es sich um ein Grundnahrungsmittel handelt, auf das ein Menschenrecht besteht.
In den Ausführungen zur »Transformative Literacy « und zum »Beispiel Energiewende« finden sich interessante Gedanken – besonders in Bezug darauf, den Kapitalbegriff zu erweitern und gemeinschaftlich aktiv zu werden. Solchen Gemeinschaften als Beispielen für wirksame Komplemente im Mainstream ist allerdings nur ein kurzer Absatz gewidmet. Das hätte wirklich mehr sein müssen! Gediegen, gut belegt und illustriert ist dagegen der Beitrag von Hans Diefenbacher, in dem unter anderen ein Unterkapitel der »Arbeit in der Postwachstumsgesellschaft« gewidmet ist. Unter fünf Punkten stellt Diefenbacher nachvollziehbar dar, unter welchen Voraussetzungen unser Verständnis von Arbeit neu werden kann und muss. Hervorzuheben ist das von Daniel Baumgärtner et al. verfasste vorletzte Buchkapitel zum »Mut zur Nachhaltigkeit«: Was getan werden kann, wird darin so prägnant und konzentriert aufgezeigt, wie man es sich für das ganze Buch gewünscht hätte! Besonders die Verweise auf die Chancen der Bildung für Nachhaltigkeit sind implizit vom Vertrauen in den Menschen getragen, der zu vernünftigem Handeln finden wird, wenn man ihn lässt und aktiv darin fördert.
Zahlreiche Beispiele und Einblicke des Buchs sind mehr als trefflich ausgewählt. Darum geht die Lektüre ins Mark des Gewissens, denn es wird deutlich, wie weit »wir« es schon gebracht haben. Niko Paech schreibt denn auch im Schlusskapitel: »Jetzt geht es nicht mehr um die Vermeidung des Kollapses, sondern um seine Gestaltung«.
Wege aus der Wachstumsgesellschaft Harald Welzer, Klaus Wiegandt (Hg.) S. Fischer, 2013, 240 Seiten ISBN 978-3596196166 9,99 Euro