Öko-Plastik
Seit zwei Jahrhunderten prägt Industrie unsere Gesellschaft. Jetzt steht sie vor der Herausforderung, sich grundlegend zu wandeln.
Die Gründe für einen veganen Landbau sind vielfältig. Sie reichen von ökologischen Vorteilen durch geringeren Wasser- und Flächenverbrauch über verminderte Emissionen von Treibhausgas bis zu ethischen Aspekten, wie der Minimierung von Tierleid und dem Wegfallen von Schlachtungen.Doch vor allem in Kontexten rund um die ökologische Landwirtschaft schlägt einem bei Erwähnung des bio-veganen Landbaus große Skepsis entgegen: »Die Tiere sind doch wichtig für den Betriebsorganismus, die Kreisläufe, den Humusaufbau!«, heißt es dann. »Und überhaupt: Woher bekommst du dann deinen Dünger?«
Dabei werden meist grundlegende agrar-ökologische Prinzipien übersehen: Pflanzen brauchen zum Wachsen vor allem Kohlenstoff (C) und Stickstoff (N). Diese beiden Stoffe sind auch die Grundlage für den Humusaufbau. Kohlenstoff wird von Pflanzen durch Photosynthese aus dem Kohlendioxid (CO2) der Atmosphäre gewonnen. Stickstoff kommt ebenfalls aus der Luft zur Pflanze. Während im konventionellen Landbau in einem energieaufwendigen Prozess der Stickstoff aus der Luft in eine für Pflanzen verfügbare Form gebracht wird, gibt es im Bio-Landbau vor allem zwei Wege der Stickstoffzufuhr: entweder durch bodenbürtige Mikroorganismen, die Luftstickstoff binden können, oder durch den Anbau von Leguminosen (Pflanzen der Familie der Hülsenfrüchte wie Klee, Wicke, Erbse oder Bohne), die in Kooperation mit sogenannten Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Atmosphäre verfügbar machen. Alle anderen Nährstoffe mobilisiert die Pflanzenwurzel zusammen mit den Mikroorganismen aus dem Boden, der sie umgibt. Wie gut ihr das möglich ist, hängt von den Bodenverhältnissen ab.
Die Rolle der Tierhaltung und ihre Nachteile
Auch sogenannte Nutztiere hängen von diesem System ab; sie tragen nichts dazu bei. Sie fressen Pflanzen, verbrauchen einen Teil der darin enthaltenen Nährstoffe und scheiden den anderen Teil davon wieder aus. Kurt Kretschmann schrieb dazu, dass die Ausscheidungen der Tiere zwar noch Nährstoffe enthalten, diese »aber im Vergleich zum Kraftwert der Ausgangsmasse der Gras- und Kräutermenge einen erheblichen Verlust« darstellten. Die anderen Nährstoffe würden für Muskelkraft, Bewegung und Wärmehaushalt sowie für den Aufbau der Körpersubstanz (inklusive Milch) verbraucht. Ein Teil der von den Tieren aufgenommenen Nährstoffe wird dem Boden in Form gemahlener Schlachtabfälle und über Mist und Gülle wieder zugeführt. Ein anderer Teil wird in Form tierischer Produkte vom Betrieb verkauft und somit dem Stoffkreislauf entzogen.
Weitere Nährstoffverluste entstehen beim Hin- und Herschieben der Mistberge sowie bei der Lagerung und Ausbringung der Gülle. Dabei dünstet ein Teil der klimawirksamen Gase in die Atmosphäre aus, ein anderer Teil der leicht löslichen Nährstoffe kann bei unsachgemäßer Lagerung ins Grund- und Oberflächenwasser ausgewaschen werden.
Humus kommt von Pflanzen
Wenn tierhaltende Gemischtbetriebe höhere Humusgehalte aufzuweisen haben als sogenannte viehlose Ackerbau- und mehr noch als Gemüsebau-Betriebe, dann liegt das nur indirekt an den Tieren. Es hat damit zu tun, dass die Fruchtfolgen der tierhaltenden Betriebe extensiver sind. Das bedeutet, dass die Fläche dieser Betriebe oft zu deutlich größeren Teilen aus sogenannter Grünbrache besteht, auf der zumeist eiweiß- und stickstoffreiches Kleegras für die Tierfütterung angebaut wird. Grünbrachen bilden in kurzer Zeit enorm viel Biomasse, was auch an der intensiven Durchwurzelung des Bodens liegt.
Insgesamt wird somit in tierhaltenden Betrieben über hohe Grünbracheanteile mehr Kohlenstoff und Stickstoff gebunden. Grundlage von alldem sind allerdings die Pflanzen, nicht die Tiere. Neue Nährstoffe bilden können Tiere nämlich nicht.
Auch viehlose Biobetriebe haben Grünbracheanteile in ihrer Fruchtfolge, um Stickstoff im Boden anzureichern. Für den Kleegrasaufwuchs jedoch haben diese Betriebe oft keine Verwendung. Sie benötigen zwar den Stickstoff im Boden, ansonsten aber ist Grünbrache für sie verschenkte Fläche. Der Aufwuchs wird auf der Fläche eingemulcht oder an viehhaltende Betriebe abgegeben. Daher wird der entsprechende Anteil in der Fruchtfolge oft reduziert, um mehr vermarktbare Pflanzen anzubauen. Um diese Pflanzen auch ohne hohe Grünbracheanteile ernähren zu können, wird häufig Stickstoff aus externen Quellen zugekauft, etwa in Form von Haarmehlpellets oder Hornspänen aus konventionellen Schlachtabfällen, Mist von tierhaltenden Betrieben, oder pflanzlichem Handelsdünger, wie Ackerbohnen- oder Rizinusschrot. Mit Ernte und Verkauf der Feldfrüchte werden dem System wieder enorme Mengen an Nährstoffen entnommen.
Vom Ideal der Biolandwirtschaft – den möglichst geschlossenen Betriebs- und Nährstoffkreisläufen – ist die Praxis meist weit entfernt. Den Anbau insgesamt nachhaltiger zu gestalten und die Kreisläufe zu schließen, das ist sowohl im tierhaltenden wie im tierlosen – und auch im bio-veganen – Landbau eine große Herausforderung.
Nachhaltigere Stickstoffquellen sind Körnerleguminosen, wie zum Beispiel Lupinen und Ackerbohnen, die als Schrot zur Düngung verwendet und auf dem eigenen oder in regionalen Partnerbetrieben erzeugt werden. Ebenso wäre es für viehlos wirtschaftende Betriebe auch kein Problem, die Grünbrachenanteile zu erhöhen und den Aufwuchs auf anderen Flächen zur Nährstoffzufuhr und Humusbildung einzusetzen. Der Kleegrasschnitt könnte dort zum Beispiel als Mulch verwendet oder in den Boden eingearbeitet werden. Damit würden die darin angereicherten Nährstoffe dem Boden direkt zugeführt, ohne den verlustreichen Umweg über das Tier zu gehen. Diese Verfahren werden zur Zeit erforscht und sind zum Teil schon praxisreif.
Nährstoffkreisläufe schließen
Nährstoffe, die nicht aus der Luft gebunden werden können, aber lebensnotwendig für jede Pflanze sind, zum Beispiel Phosphor (P) und Kalium (K), kommen zwar zum Teil über kompostierte Ernterückstände oder Schlachtabfälle, Mist und Gülle zurück auf den Boden, werden aber oft zu einem weit größeren Teil mit dem Erntegut oder den Tierprodukten aus dem System entfernt und gehen verloren. Deshalb sind im bio-veganen Landbau zusätzlich auch P- und K-haltige Komposte aus pflanzlichen Materialien von externen Flächen erlaubt, sofern diese kontrolliert biologisch bewirtschaftet wurden. Darüber hinaus können Phosphor und Kalium bei guter Humuswirtschaft, minimaler Bodenbearbeitung und entsprechenden Bodenverhältnissen von Pflanzen mit Hilfe der Bodenorganismen oder Wurzelausscheidungen aus den mineralischen Phasen des Bodens herausgelöst werden. Außerdem dürfen andere organische, aber auch mineralische und daher fossile Dünger angewendet werden, um die Nährstoffreserven wieder aufzufüllen.
Nachhaltig ist all das aber nicht, denn es werden Nährstoffe von außen ins System geholt und endliche fossile Quellen verbraucht. Zudem werden fossile Dünger oftmals nicht unter ökologischen und sozialen Bedingungen hergestellt oder abgebaut: Man denke an den Kaliabbau im Ural, an Versalzung von Werra und Weser durch Bergwerke des Konzerns »K+S Kali« oder an das Abtragen ganzer Inselgruppen zur Phosphatgewinnung.
Deshalb sollten all dies Nährstoffquellen sein, die ausschließlich ergänzend verwendet werden, also nicht die Hauptquelle der Fruchtbarkeit darstellen. Welche Produkte zu diesem Zweck genau genutzt werden dürfen, kann in den bio-veganen Standards nachgelesen werden.
Die nachhaltige Lösung liegt aber auf der Hand: In jeder Form von Biolandbau – nicht nur im bio-veganen – liegt der Schlüssel für geschlossene Nährstoffkreisläufe letztlich in der Rückführung des Ernteguts in Form von Kompost aus Biotonnen-Abfällen und vor allem von hygienisierten menschlichen Exkrementen.
Vorteile der bio-veganen Landwirtschaft
Eine Landwirtschaft ohne Tierhaltung birgt aber auch ganz andere Vorteile. Das kohlenstoffreiche Stroh aus dem Getreideanbau wird nicht als Einstreu benötigt, und Biomasse aus stickstoffreichem Kleegras und Gründüngungen muss nicht verfüttert werden. All dies kann direkt als Mulch und damit dem Bodenleben als Nahrung dienen. Vor allem Verfahren der sogenannten Minimalbodenbearbeitung (Verzicht auf Bodeneingriffe, die das Bodenleben stören, z. B. Pflügen) und der Direktsaat (Saat oder Pflanzung ohne vorherige Bodenbearbeitung) wirken sich oft positiv auf die Bodenbiologie aus und können durch die unkrautunterdrückende Wirkung des Mulchs besser angewendet werden. Zum Beispiel lassen sich Gemüsebeete in den Pflanzenzwischenräumen mit Kleegras-Aufwuchs mulchen, oder man sät direkt in eine Mulchdecke, die eine Gründüngung hinterlassen hat. All diese Möglichkeiten hat der tierhaltende Betrieb oft nicht, da hier der Kleegrasaufwuchs und die Gründüngung zur Fütterung benötigt werden.
Flächen-Umnutzung und mehr Raum für Natur und Wildtiere
Heute beansprucht die Tierhaltung einen Großteil der Ackerfläche. In Deutschland werden zur Zeit rund 61 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Erzeugung von Futtermitteln landwirtschaftlicher Nutztiere verwendet. Das sind rund 10,4 Millionen Hektar, von denen knapp die Hälfte aus Wiesen und Weiden besteht.
Von Kritikerinnen kommt immer wieder das Argument, Landwirtschaft ganz ohne Tierhaltung sei nicht erstrebenswert, weil dadurch alte Kulturlandschaften, wie die Heide oder die Alpenwiesen, verschwänden. Auch sei die Artenvielfalt auf extensiv bewirtschafteten Grünflächen am höchsten und nehme mit fortschreitender Sukzession ab, was für eine extensive Beweidung spreche.
Durch eine Verbreitung der vielseitigen veganen Ernährung und einen entsprechenden Landbau hingegen würde sich die Kulturpflanzenvielfalt auf unseren Äckern jedoch enorm erweitern. Die Landschaft würde – ganz im Gegensatz zu den heutigen Mais- und Getreidewüsten – wieder bunt werden. Unter anderem Sonnenblumen, Lein, Buchweizen, Hanf, Erbsen, Bohnen, Linsen, Mohn und vielfältigstes Gemüse würden die Äcker bewachsen. Auch Grünland hätte seinen Platz. Es könnte Mulch oder Material für Biogasanlagen liefern, mit Nuss- und Obstbäumen bepflanzt oder mit schnell wachsenden Gehölzen besetzt werden, die ökologische Nischen schaffen und ebenfalls Energie liefern.
Auch der Natur und den Wildtieren, die durch Kulturflächen und Weiden weitgehend verdrängt wurden, würde dadurch wieder mehr Raum gegeben werden. Die Förderung der Artenvielfalt auf und zwischen den bewirtschafteten Flächen ist Teil der Grundprinzipien des bio-veganen Landbaus. Sie hilft, biologischen Disbalancen vorzubeugen, und ist somit zugleich eine Maßnahme zur Prophylaxe vor übermäßigem Auftreten bestimmter Kleintiere – etwa Mäusen und Insekten, die gemeinhin als »Schädlinge« bezeichnet werden.
Biologisch-veganen Landbau fördern
Inspiriert vom bereits Mitte der 1990er Jahre in England entstandenen »Vegan Organic Network« hat sich ein deutsches »Bio-Veganes Netzwerk« gegründet. Ziel ist die Verbindung der Ideale des Veganismus mit denen des ökologischen Landbaus zur Förderung und Entwicklung einer Lebensmittelproduktion ohne Tierausbeutung. Zu diesem Zweck wurden bereits Hofbefragungen durchgeführt, eine Liste mit bio-vegan wirtschaftenden Höfen erstellt und bio-vegane Anbaurichtlinien aus England angepasst und übersetzt.•
Jan-Hendrik Cropp (26) hat Ökologische Agrarwissenschaften und Soziologie studiert und ist als Gemüsegärtner, landwirtschaftlicher Berater, Imker und Publizist tätig.
Informieren und Diskutieren im Netz
Auf www.biovegan.org finden sich vielfältige Informationen und Diskussionsmöglichkeiten. Die Szene kommuniziert auch über eine Mailingliste:
www.bit.ly/1c8GCZV
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