Frag doch deine Mutter!
Das gute Leben bei 0,8 Tonnen CO2-Äquivalenten: Mit radikalen Perspektivwechseln raus aus der Ressourcenübernutzung.
Nur, wo neues Leben entsteht, fließt Milch. Als Nahrung für menschliche Säuglinge, Kälber oder Lämmer ist sie Ausdruck von Fruchtbarkeit und dem Fluss des Lebens – und der Frage nach dem Überleben der Schwächsten. Doch diese Zusammenhänge geraten allzu oft in den Hintergrund in einer Zeit, wo Lebensmittel industriell gefertigte Massenware sind und wir nur noch nach dem Tetrapack im Regal greifen müssen. Wie ist Milch zu diesem Stoff geworden?
Andrea Fink-Kessler zeichnet den Werdegang der weißen Flüssigkeit nach. Mit vielen Anekdoten beschreibt sie, wie die Milch von der Opfergabe für Götter langsam ihren Weg auf den täglichen Speiseplan und schließlich in die Supermärkte fand. Nomadenvölkern aus Gegenden, die keinen Getreideanbau zuließen, diente Milch einst als Hauptnahrungsmittel. Über die Jahrtausende fand sie im Mittelalter Einzug in den von Frauen beherrschten häuslichen Bereich. Nach und nach gelangte sie vom bäuerlichen Hof in die Stadt und landete im Zug der Industrialisierung im männlich dominierten Bereich der Milcherzeugung für die internationalen Märkte. Auch den stets in der Geschichte der Milch präsenten Gesundheitsfragen gibt Fink-Kessler Raum. Die Leiterin des Büros für Agrar- und Regionalentwicklung schildert, wie Milch gewonnen, verarbeitet und gehandelt wurde und von welchen gesellschaftlichen, technischen, ökonomischen und politischen Faktoren Erzeugung und Konsum abhingen. Als Agraringenieurin gibt sie besonders produktionstechnischen und ökonomischen Aspekten Raum, wie etwa Verarbeitungstechniken oder den Akteuren einer mittlerweile internationalen Milchwirtschaft. Eher kulturhistorisch interessierten Menschen mag dies etwas einseitig vorkommen, auch wenn die Autorin hier und da auf esskulturelle, mythologische oder religiöse Aspekte eingeht. Deutlich wird zumindest: Im Lauf der geschilderten Entwicklung wird die Beziehung zur Milch immer unpersönlicher. Die Frage nach fairen Milchpreisen sowie ethische, gesundheitliche und ökologische Fragen sind drängender denn je. Ob es nicht längst an der Zeit sei, fragt die Autorin, »mal den Bremshebel« zu drücken? Sie fordert eine Neubewertung der Milch und glaubt, dass eine Entlastung des derzeitigen Systems Menschen, Tieren und Ressourcen nur guttun könnte.
Etwas schade, dass diese Überlegungen nicht mehr Tiefe bekommen. Doch die Autorin legt eher Wert auf eine sachliche Beschreibung von Fakten, die sie kurz und kritisch kommentiert. Insofern wiederum überzeugend, legt sie doch eine gut recherchierte und sehr detailreiche Stoffsammlung vor.
Milch
Vom Mythos zur Massenware.
Andrea Fink-Kessler
oekom Verlag, 2012, 304 Seiten
ISBN 978-3865813114
19,95 Euro
Das gute Leben bei 0,8 Tonnen CO2-Äquivalenten: Mit radikalen Perspektivwechseln raus aus der Ressourcenübernutzung.
Als ich meine erste Tochter zur Welt gebracht hatte, war für mich klar: Ich wickle mit Stoff. Ich war selbst als Baby so gewickelt worden und hatte das Glück, dass eine Freundin mir die Technik zeigen konnte. Außerdem mochte ich den Geruch von Wegwerfwindeln genauso wenig wie die Vorstellung riesiger Müllberge.
»The Limits to Growth«, der erste Bericht an den Club of Rome, an dem Sie 1972 als junger Wissenschaftler zusammen mit Donella und Dennis L. Meadows gearbeitet haben, wurde 30 Millionen mal verkauft und wohl 90 Millionen mal gelesen. Hätte da global nicht ein wenig mehr passieren