Wissensexkursion Permakultur, Teil 2.
von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #18/2013
»Beobachte und handle/interagiere« ist das erste von zwölf Gestaltungsprinzipien, die Permakultur-Mitbegründer David Holmgren 2002 in seinem Buch »Permaculture Principles & Pathways Beyond Sustainability« zusammenfasste. Das Prinzip erinnert uns daran, sehr genau hinzuschauen, zu hören, zu fühlen, vielleicht auch zu riechen oder zu schmecken, um herauszufinden, womit wir es an diesem Ort oder in jener Situation zu tun haben. Es ließe sich auch so sagen: Die ersten drei Schritte im Gestaltungsprozess sind Beobachten, Beobachten, Beobachten. Natürlich nehmen wir nur einen Bruchteil dessen wahr, was tatsächlich ist, und haben immer die menschliche Perspektive inne. Dennoch sollten wir versuchen, aus möglichst vielen Blickwinkeln und Ebenen heraus wahrzunehmen, um später passende Entscheidungen treffen zu können. Mein liebstes Beispiel ist hier ein Gartenelement, welches oft gebaut, aber selten ganz durchdacht wurde: die Kräuterspirale. Diese Beetform wurde entwickelt, um in einem kleinen Hof (Beobachtung: wenig Platz, überall gleiche Klimabedingungen) nahe der Küche Lebensraum für möglichst vielfältige Küchenkräuter zu schaffen (Beobachtung: Bedarf oder Wunsch, solche Kräuter frisch zu ernten, kurze Wege). Durch die gewundene, aufsteigende Form der Spirale entsteht eine Vielzahl an unterschiedlichen Kleinstklimazonen, so dass die Pflanzen entsprechend ihren Bedürfnissen nach Sonne und Feuchtigkeit gepflanzt werden können (Beobachtung: verschiedene Kräuter, verschiedene Ansprüche). Ganz oben auf der Spitze ist der sonnigste und trockenste Bereich, wo am besten mediterrane Kräuter wie Rosmarin oder Salbei angesiedelt werden. Der feuchteste Bereich liegt am Fuß der Spirale, wo eventuell sogar ein kleiner Teich Wasser sammelt, die Luft befeuchtet und ausgleichend auf das Kleinstklima wirkt. Hier wachsen gerne Brunnenkresse oder Minzearten. Im mittleren Bereich mit abnehmender Besonnung und zunehmender Feuchtigkeit fühlen sich beispielsweise Schnittlauch, Petersilie, Dill, Borretsch und Ringelblume wohl. An jedem Ort und in jeder Situation neu zu beobachten und wahrzunehmen, bewahrt uns davor, blind nachzumachen, was an anderer Stelle funktioniert. Kapieren statt kopieren ist der Grundsatz – was aber nicht ausschließt, zukunftstaugliche Ideen an die eigenen Gegebenheiten anzupassen. Da durch Schauen und Denken am Ende nur recht wenig passiert, erinnert uns das erste Permakulturprinzip auch daran, ins Handeln zu kommen. David Holmgren formuliert es so: »Solange wir nicht hinausgehen, unsere Augen öffnen und unsere Hände und unser Herz benutzen, werden alle Ideen der Welt uns nicht retten.« •