Buchtipps

Otto Moralverbraucher (Buchbesprechung)

von Jörn Wiedemann, erschienen in Ausgabe #28/2014
Photo

Mit einem spannenden Streifzug durch die Geschichte des Boykotts beginnt das Buch »Otto Moralverbraucher«. Die erste dokumentierte Kaufverweigerung ist Ende des 18. Jahrhunderts zu finden, als sich immer mehr Menschen im Kampf gegen die Sklaverei engagierten. Damals kam es zum Boykott von Zucker.
Über die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und die Proteste gegen FCKW bis zu den heutigen Aktio­nen gegen ausbeuterische Praktiken in der Textil­industrie reichen die Beispiele, in denen Konsumenten Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen zu teilweise erheblichen Veränderungen zwangen. Allerdings sind diese Erfolge nicht immer nachhaltig oder werden in der weiteren Entwicklung von den Unternehmen auch wieder unterwandert. Darauf fußt auch der Untertitel »Vom Sinn und Unsinn engagierten Konsumierens«, der an etlichen Beispielen diskutiert wird – etwa dem von »Dow Chemical«. Das Unternehmen war Ende der 1970er Jahre unter Druck geraten, weil es das Entlaubungsgift »Agent Orange« sowie Napalm herstellte. Proteste von Verbrauchern blieben allerdings weitgehend wirkungslos, da Dow Chemical kaum Produkte für normale Haushalte herstellt und sie somit kaum Einfluss nehmen konnten.
Auch sind manche Zusammenhänge im weltweiten Handel so schwer nachzuvollziehen, dass es oft erst einer längeren Aufklärung der Verbraucher ­bedarf, um gezielt kaufen bzw. boykottieren zu können. Am Beispiel des Fair-Trade-Kaffees wird hier gezeigt, wie eine neue Kampagne erfolgreich etabliert werden kann, aber auch, welche Probleme auftreten können.
Gut gefallen hat mir, dass das Thema in einen größeren Zusammenhang eingebettet wird. Deshalb fand ich auch die Schlusskapitel besonders lesenswert. Dass kein Konsum immer noch besser ist, als »engagierter Konsum« kommt ebenso zur Sprache wie Aspekte nachhaltiger Geldgeschäfte, das Konzept des Grundeinkommens oder unser achtloser Umgang mit Lebensmitteln.
Manchmal hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht, und auch ein Quellen- und Literaturverzeichnis wäre nützlich gewesen. Abgesehen davon ist »Otto Moralverbraucher« ein sehr unterhaltsam geschriebenes Buch. Der Autor plädiert klar für den engagierten Konsum – allerdings mit der ­Einschränkung, dass dieser gut organisiert und ­vernetzt werden sollte. Ein klare Empfehlung für alle, die sich dem Thema erstmalig nähern!


Otto Moralverbraucher
Vom Sinn und Unsinn engagierten Konsumierens.
Caspar Dohmen
Orell Füssli Verlag, 224 Seiten
ISBN: 978-3280055212
18,95 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #28

(Basis-)Demokratievon Johannes Heimrath

Degrowth – eine konkrete Utopie

Barbara, wir sind uns im Februar 2011 bei einer Schrumpfungstagung begegnet. Meine Lippe war blutiggeschlagen, weil mich in der Nacht zuvor ein Bundespolizist bei einer Mahnwache gegen einen Castor-Transport vor Lubmin niedergeknüppelt hatte. Du sprachst zu meiner Freude über den

(Postwachstums-)Ökonomievon Andrea Vetter

Entwachstum

Fast ein Jahr lang saßen sie im Wald am Rhein – Frauen, Männer und Kinder. »Nai hämmer gsait!« - »Wir haben Nein gesagt!«, das war ihre Losung gegen das geplante Atomkraftwerk bei Wyhl, einem Dorf in Südbaden. Sie haben gewonnen: 1975 rückten

Photo
von Christina Stange

fair-handeln! (Buchbesprechung)

»fair-handeln!« ist weder Utopie noch bloße Theorie. Dieses Buch ist eine praktisch anwendbare Rezeptsammlung für Menschen, die Glück nicht mit Konsum und Wohlstand nicht mit Überfluss im Sinn der Wegwerfgesellschaft gleichsetzen.Ein Sammelsurium aus

Ausgabe #28
Entwachsen!

Cover OYA-Ausgabe 28
Neuigkeiten aus der Redaktion