Richard Brautigan, lakonische Ikone der Blumenkinder, lebte in den 60er Jahren in Bolinas, Kalifornien. Dieses kleine Dorf an der amerikanischen Westküste wurde nach dem zweiten Weltkrieg von den Beatniks entdeckt und langsam zu einem Ort, an dem Künstler, Hippies und Biobauern ein kommunenhaftes Zusammenleben entwickelten. Hier schrieb Brautigan seinen Roman »In Wassermelonen Zucker«. »In Wassermelonen Zucker« ist der Traum vom Leben neben der Norm, ein fantastischer Kosmos, der sich von der übrigen Welt unterscheidet, und es ist der Name einer Siedlung. Die Sonne hat jeden Tag eine andere Farbe (donnerstags ist sie schwarz und lautlos), Tiger haben die Menschen vor langer Zeit tyrannisiert, jetzt sind sie tot, und überall stehen Gemüsestatuen. Es ist ein rücksichtsvolles und gemeinschaftliches Leben, die Bewohner essen zusammen in der Stadt, Flüsse fließen durch Wohnzimmer, und jeder macht, was er für richtig hält. Der Erzähler arbeitet an einem Buch, weil in der Siedlung schon länger keines mehr geschrieben wurde. Das Wort »Wassermelonen Zucker« ist der Name der Kommune, aber auch der Rohstoff, aus dem die meisten Dinge dort hergestellt werden. Von außen betrachtet, wirkt die Szenerie eskapistisch, zwischen Gut und Böse wird zu einfach unterschieden, aber dieses Buch erzählt nicht nur über das Leben der fiktiven Kommune, es ist auch ein Zeitdokument. Und so sollte man es lesen, denn es ist vermutlich auch eine verschlüsselte Auseinandersetzung mit der Subkultur der 60er Jahre. »In Wassermelonen Zucker« ist eine Liebesgeschichte, die gleichzeitig von der Konfrontation zwischen Frieden und Destruktivität erzählt. In »iDeath« – dem zentralen Versammlungshaus – »herrscht ein empfindliches Gleichgewicht. Das ist genau das Richtige für uns.« Es ist das Gleichgewicht einer Gesellschaft, die sich eine Welt aus Wassermelonen Zucker gebaut hat – sorgfältige Harmonie und Flucht vor der Erinnerung. »Mein Name hängt von Ihnen ab«, sagt der Erzähler, und so ist es auch mit dem Buch »In Wassermelonen Zucker«: Für manche ist es naives Wunschdenken, aber man kann auch eine sanfte Schönheit darin entdecken und sich an dieser wunderbaren Welt freuen. »Plötzlich hörte der Wind auf, und Pauline sagte: ›Was ist denn das?‹ – ›Das ist der Wind.‹«
In Wassermelonen Zucker Richard Brautigan Kartaus Verlag, 2003, 146 Seiten ISBN 978-3936054033 16,00 Euro
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