von Erik Meininger, erschienen in Ausgabe #13/2012
Der Mensch als ein vornehmlich soziales, kommunikatives und mitfühlendes Wesen – das ist das Bild, das der Zukunftsforscher, Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Buch »Die empathische Zivilisation« zu zeichnen versucht. Seine zentrale These ist, dass die Menschheit in ihrer Entwicklung über die Jahrtausende immer empathischer geworden sei. Und in diesem wachsenden Einfühlungsvermögen, so Rifkin, liege die Lösung zur Rettung der durch den Klimawandel bedrohten Spezies. Das ist der rote Faden dieses oft erstaunlichen, aber leider auch etwas aufgeblähten und insgesamt bedauerlich wenig überzeugenden Buchs. So gern man seiner Annahme vom wachsenden Einfühlungsvermögen der Menschen auch folgen möchte – viel zu oft wirken Rifkins aus allen Wissenschaftsbereichen herangezogenen Belege, bei aller Faszination im Einzelnen, willkürlich auf seine These hingebogen wie mit dem Pippilotta-Prinzip: Ich mache mir die Welt, widde-widde-wie sie mir gefällt. Zu viele offensichtliche Widersprüche werden schlicht übergangen oder ausgeblendet: Seien es die beispiellosen Massenmorde des 20. Jahrhunderts, die just zu dem Zeitpunkt stattfanden, für den Rifkin einen signifikanten Anstieg des empathischen Bewusstseins in der Menschheitsgeschichte diagnostiziert; oder die industrielle Massentierhaltung unserer Tage, die seiner Darstellung von wachsenden Tierrechten widerspricht; oder die seltsam anmutende Behauptung, dass die Entwicklung des Einfühlungsvermögens an die voranschreitende Zivilisation westlichen Typs gekoppelt sei. Ärgerlich ist auch die vom Autor konstruierte XXL-Drohkulisse einer vollständigen Auslöschung der Menschheit durch den Klimawandel. Damit unterläuft er den sonst so optimistisch-positiven Grundton des Buches, was irritierend effekthascherisch wirkt und ohne Funktion für das Thema bleibt. Das hochambitionierte und dabei meist im unterhaltsamen Plauderton gehaltene Buch, das immer wieder mit großartigen Kapiteln aufwartet, versucht insgesamt zu viel auf einmal – und scheitert daran. Rifkins Vision eines globalen Bewusstseins im letzten Abschnitt bleibt blass. Seine besten Passagen entfaltet das Werk als alternatives Geschichtsbuch. Hier wirkt es, als entwickle Rifkin das »Negativ« unseres Geschichtsbilds, in dem es fast immer nur um die Herrschenden, Macht und Kriege geht, zu einer wesentlich bunteren Aufnahme, die zeigt, dass der Großteil der Menschen die meiste Zeit recht friedlich miteinander lebte. Allein das macht es – mit kritischem Blick – sehr lesenswert.
Die empathische Zivilisation Wege zu einem globalen Bewusstsein. Jeremy Rifkin Campus Verlag, 2010 468 Seiten ISBN 978-3593385129 26,90 Euro