Das Sonnenhaus
Aus ökonomischer und ökologischer Sicht wäre es am sinnvollsten, Häuser so zu bauen, dass sie keine Heizung benötigen – ein Gedanke, der Werner Schmidt seit seinem Architekturstudium nicht mehr losließ.
Inga, dieses Jahr haben wir uns beim Bauen gut kennengelernt. Darf ich dir für unsere Leserschaft ein paar Fragen stellen? Etwa wie du zum Lehm gekommen bist?
Während meines Architekturstudiums an der Fachhochschule Aachen hatte ich mich an die Fersen einer begnadeten Denkmalpflege-Professorin geheftet. Wir waren viel in Freilichtmuseen unterwegs. Prägend war auch Professor Manfred Speidel, der in Japan die dortige Lehmbauweise kennengelernt hatte. Einmal war ein japanischer Verputzer eingeladen, der hatte in seinem Koffer 40 verschiedene Spachtel. Damit trug er auf einer kleinen Demonstrationsfläche Schicht für Schicht auf, verdichtete und polierte sie. Drei Tage später sollten wir versuchen, mit dem Fingernagel die Fläche einzuritzen. Das ist uns nicht gelungen. Dieser aufwendige Arbeitsprozess macht Lehmputz in Japan so teuer; anders als bei uns ist das etwas für die reichen Leute und die schönen Tempelbauten. In Deutschland kann niemand so perfekt verputzen.
Als ich dann in Bayern meine erste Arbeitsstelle gefunden hatte, lernte ich das Institut für Lehmbau kennen und mischte dort bald als Co-Leiterin mit. Ab 1984 gaben wir dort Lehmbaukurse. Damals standen für die Leute weniger die ökologischen Aspekte im Vordergrund als vielmehr die Ästhetik und die geringen Kosten dieser Bauweise.
Bei unserem Bau steht die Beachtung der planetaren Grenzen im Vordergrund. Wann wurde dir der verantwortungsvolle Umgang mit unseren Lebensquellen wichtig?
Relativ spät – eigentlich erst, als ich 1995 im Rahmen von Jugendarbeit beim Bund Naturschutz auf einem abgelegenen Gelände ohne Strom ein Häuschen aus Rundhölzern und Lehm gebaut habe. Da wurde mir klar: Wir sollten mit dem bauen, was am Ort aus der Erde kommt.
Du hast die Baustelle des Klein Jasedower Campwiesenhäuschens (siehe nächste Seite) geleitet, und dabei haben wir gemeinsam vieles erdacht und wieder verworfen; die Praxis sah nochmal anders aus. Welche der erfahrenen Grenzen schmerzt dich?
Ich denke an unser Fundament. Mein Traum war, es als Trockenmauer zu bauen, so dass jeder Stein aus seiner Lage heraus hält. Das hätte viel mehr Zeit benötigt, als wir zur Verfügung hatten. Deshalb haben wir Maurer zur Hilfe geholt, und die klatschten Kalkmörtel zwischen die Steine, weil sie gewohnt waren, so zu arbeiten. Das Wissen, ein Fundament als Trockenmauer zu bauen, haben nur noch ganz wenige.
Andere Grenzen waren erstaunlich leicht zu überwinden. Ich erinnere mich daran, wie wir das Fachwerk aufgestellt haben. Wenn die massiven Eichenschwellen bewegt werden sollten, rief unser Zimmermann Steffen: »Eichenschlange!«, und dann trabten acht Helfer zu ihm, griffen sich Tragehölzer und transportieren den fast 200 Kilogramm schweren Balken ohne Schwierigkeiten. Die meisten sagten: »Wir hätten nie gedacht, dass wir das schaffen!«
Manche Helfer hatten aber auch Probleme mit der anstrengenden Handarbeit …
Ja. Um Sand zwischen die Fundamente zu bringen, haben wir uns ja keinen Teleskoplader geleistet, sondern den Füllboden mit unserem kleinen Trecker angefahren und dann mit der Schaufel verteilt. Da haben schon einige gesagt, dass man in der Zeit des Schaufelns doch besser etwas anderes hätte tun können. Aber langwierige Handarbeit hat auch schöne Seiten. Es war wunderbar, zu erleben, wie die Helferinnen und Helfer in der September-Bauwoche stundenlang beim Reiben von Lehm zusammensaßen und sich Geschichten aus ihrem Leben erzählt haben. Auf einer handwerklichen Baustelle kreischen und rumpeln ja keine Maschinen, so dass man sich gut unterhalten kann. Auf der Baustelle die Vögel singen zu hören, empfinde ich als großen Luxus. An einem Tag haben wir unser Lehmstroh in die Schalung gestampft. Dabei entstand ein Rhythmus, und immer wieder fing jemand an zu singen. Mich hat auch fasziniert, dass die Leute ihr eigenes Werkzeug entwickelt haben. Wir hatten den abgebrochenen Griff eines Vorschlaghammers gefunden – daraus ließ sich der perfekte Stampfer schnitzen. Dann fehlte uns noch etwas Spitzes, um besser in die Ecken zu kommen – so entwickelte sich das Werkzeug aus der Logik der Arbeit.
Die Technik war immer wieder ein Thema: Ich habe gebaggert und Erde geschoben. Welche Geräte erscheinen dir nach der Erfahrung dieses Sommers erhaltenswert?
Unseren Pritschenwagen, der die Steine transportiert hat, möchte ich nicht missen. Um die Gräben für die Fundamente zu ziehen, war der Minibagger auch sehr praktisch. Aber wer weiß: Hätten wir mehr Zeit und mehr Mitmacher gehabt, hätte es auch Spaß machen können, Schaufel für Schaufel mit der Hand auszuheben. Ich bin immer wieder baff, was Menschen alles aus eigener Muskelkraft bewegen können!
Vielen Dank, Inga, für das Gespräch! •
Inga Degenhart (59), Bauzeichnerin, Architektin und Montessori-Pädagogin, befasst sich seit vielen Jahren mit traditionellen Bautechniken, insbesondere mit Holz- und Lehmbau.
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