von Manfred Schnee, erschienen in Ausgabe #37/2016
Oya-Leserinnen und -Lesern sind die Nachrichten vom Klimawandel, vom Artensterben, von Krieg und sozialer Spaltung nicht gleichgültig. Doch warum gibt es keinen Aufschrei von wenigstens 90 Prozent der Bevölkerung? Warum ist ein mutiger Umbau der Gesellschaft hin zur Enkeltauglichkeit – zum Leben als Teil der Natur statt gegen sie – nicht schon weiter? In ihrem Buch »Hoffnung durch Handeln« gehen die amerikanische Tiefenökologin Joanna Macy und der britische Arzt Chris Johnstone auf die Hemmnisse ein, die unser Handeln blockieren. Vielleicht kommen Ihnen einige dieser Gedanken vertraut vor: »Die Nachrichten sind so deprimierend. Ich will gar nicht daran denken.« »Ich fühle mich gelähmt angesichts der Probleme.« »Ich will nicht auffallen, traue mich nicht, über meine Angst, Wut oder Ohnmachtgefühle zu reden.« »Es ist schon so schlimm, wir können gar nichts mehr machen.« Hier setzen die Autoren an. Sie geben Hinweise, wie wir den Bann brechen und nicht mehr wie das Kaninchen auf die Schlange starren müssen. Stattdessen könnten wir uns von unserem Mitgefühl für die Erde tragen lassen und unser Wissen über den Zustand der Erde in Handeln umsetzen. Zunächst gehen sie auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen unserer Zeit ein, die nebeneinander existieren und als kulturelle Mythen unser Denken bestimmen. So erzählt etwa eine Geschichte davon, dass alles so weitergehen könnte wie bisher: »Business as usual«. Ein zweites Narrativ dreht sich um die Folgen unseres Wirtschaftens: Wirtschaftlicher Niedergang, Ressourcenerschöpfung, Klimawandel, soziale Spaltung, Krieg und Massensterben von Arten bilden hier die Schattenseiten. In der Regel pendeln wir gedanklich zwischen »Business as usual« und dem Bewusstsein, wie schlecht es der Erde schon geht. Dabei gibt es einen großen Widerstand in der Gesellschaft, unseren Schmerz um die Welt zuzulassen. Dieser Schmerz ist jedoch gesund! Wenn wir uns einen unterstützenden Rahmen schaffen, können wir unsere Gefühle ausdrücken, loslassen und neue Kraft schöpfen. Blockierte Energie wird frei für die dritte Sichtweise, die des großen Wandels: Überall auf der Welt setzen sich bereits Menschen für eine nachhaltige Lebensweise ein, die zur Heilung unserer Erde beiträgt. Für die Teilnahme am großen Wandel geben die Autoren in der Folge eine Fülle von aufeinander aufbauenden Anregungen, eingeteilt in vier Phasen: Dankbarkeit; Würdigung des Schmerzes um die Welt; Sehen mit neuen Augen; Weitergehen und Handeln. Mich hat das Buch sehr inspiriert. Ich habe in ihm meine eigenen Widerstände beim Engagement zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen wiedergefunden, ohne jedoch dabei das Gefühl zu haben, jetzt erhebe jemand den moralischen Zeigefinger.
Hoffnung durch Handeln Dem Chaos standhalten, ohne verrückt zu werden. Joanna Macy, Chris Johnstone Junfermann, 2014 ISBN 978-3873879492 22,90 Euro