Verpuppung, die, Zoologie: Kerbtiere, die einen vierstufigen Gestaltwandlungszyklus vom Ei über Larve und Puppe zum eierlegenden Flügeltier durchlaufen, nennt man holometabole [von griech. Ólos, ›gesamt‹, ›ganz‹, und metabolismÒs, ›Umwurf‹] Insekten. Sie vollführen eine vollständige Metamorphose [von griech. met£, ›inmitten‹, ›zwischen‹, und morf», ›Gestalt‹, ›Form‹]. Das genetische Programm des Insekts ist chronologisch [von griech. crÒnos, ›Zeit‹, und lÒgos, ›Lehre‹] so getaktet, dass sich die Erbinformation in vier Lebensabschnitten entfaltet, die je nach Art des Insekts wenige Tage oder viele Jahre andauern können. Aus dem Ei schlüpft der larvale Phänotyp – als Larve wird bei zweiflügeligen Insekten (z. B. Fliegen, Bienen) die Made bezeichnet, die keine sogenannte Kopfkapsel besitzt, bei vierflügeligen Insekten (Schmetterlinge, Blattwespen) heißt sie Raupe; Phänotyp [von griech. fa…no, ›ich erscheine‹, und tÚpos, ›Gestalt‹] wird die körperliche Erscheinungsform des Tiers genannt. Das Leben vieler Insekten vollzieht sich zur Hauptsache im Larvenstadium. So verbringen z. B. die Larven mancher Eintagsfliegen mehrere Jahre im Wasser, während das fortpflanzungsfähige Insekt nur wenige Stunden in der Luft die Flügel schwingt und sofort nach Begattung und Eiablage stirbt. Das Larvenstadium ist die Fressphase des Insekts, in der es sich für die anschließende Puppenphase mit Energie versorgt. Beispielsweise verzehrt die Raupe des Pfauenauges in ihrer rund fünfwöchigen Lebensphase bis zu 100 Gramm Weidenblätter. Das fliegende Tier benötigt hingegen nur wenig bis gar keine Nahrung. So sind bei Eintagsfliegen die Mundwerkzeuge verkümmert, und ihr Darm enthält als Auftriebshilfe Luft. Mücken leben bis zu sechs Wochen und saugen in diesem Abschnitt winzige Mengen zuckerhaltigen Safts aus Gräsern. Schmetterlinge, die bis zu einem Jahr alt werden können, bevorzugen Nektar und stellen während Kältephasen die Ernährung ganz ein. Die Insektenlarve schlüpft als vollständiger Organismus aus dem Ei. Seine larvalen Zellen teilen sich nicht mehr, sondern werden durch die Nahrungsaufnahme immer größer. Da die Deckschicht der Hautzellen, die der Larve wie ein außenliegendes Skelett die Form gibt, nur begrenzt dehnfähig ist, häutet sich die wachsende Larve mehrmals, indem sie unter der bisherigen Kutikula [von lat. cutis, ›Haut‹] eine neue Deckschicht aus Sekreten [von lat. secretio, ›Absonderung‹] der Epidermis [von griech. ™pi, ›außen‹, ›über‹, und derma, ›Haut‹] aufbaut und sich aus der aufplatzenden alten Hülle herauswindet. Schmetterlingsraupen verwandeln sich bei der letzten Häutung in die sogenannte Puppe. Dabei erstarrt die zuletzt gebildete Kutikula in kurzer Zeit zu einem harten, unbeweglichen Panzer. Dem genetischen Programm folgend, verfügt die Larve neben den larvalen Zellen über einen zweiten Satz von Zellen, die ebenfalls schon im Ei herangebildet werden: die sogenannten Imaginalzellen. Sie schlummern als Zellklümpchen (»Imaginalscheiben«) im Leib der Larve und werden erst aktiv, wenn die Larve nach ihrer letzten Häutung zur Puppe wird. Diese Zellformationen sind die Ausgangsbasis für bestimmte Organe (z. B. Beine, Flügel, Augen) der sogenannten Imago [von lat. imago, ›Bild‹] oder Adultform [von lat. adultus, ›erwachsen‹] des Insekts, das uns z. B. als Schmetterling erfreut. Andere Imaginalzellen organisieren sich zu Muskeln, die die Flügel betätigen, oder Atmungsorganen. Die Prozesse, die im Inneren der Puppe ablaufen, sind zu großen Teilen noch unerforscht. Soviel aber ist bekannt, dass der Umbau des Körpergewebes der Larve ein äußerst komplexer Vorgang ist. Einige Zellstrukturen, wie der Darm, bestimmte Ganglien (Nervenknoten, die das Gehirn der Insekten bilden; in ihnen sind z. B. Erfahrungen der Raupe gespeichert, an die sich das fliegende Tier wieder erinnert) und gewisse Nervenbahnen, bleiben weitgehend erhalten und werden lediglich in ihren Funktionen verändert. Andere Zellen lösen sich vollständig auf, und aus ihrer Substanz bilden sich neue Zellen mit neuen Aufgaben. Ein Teil der für die Imago nicht benötigten Körperflüssigkeit der ehemaligen Larve dient nach dem Schlüpfen der Adultform dazu, die Flügel zu entfalten, indem sie in die Adern der Flügel gepresst wird. Nach dem Trocknen der Flügel wird die Flüssigkeit wieder in den Körper zurückgesaugt und vor dem ersten Start in einem Schwall aus dem Hinterleib ausgeschieden. Aus der Puppe schlüpft schließlich die Imago, das fliegende Insekt [von lat. insecare, ›einschneiden‹] (allerdings weisen nicht alle Insekten die namengebende Kerbe zwischen Brust und Hinterleib auf, z. B. Blattwespen), die fortpflanzungsfähige Lebensform. In unserer von Ekel und Lust voreingenommenen Weltsicht ist die Biene oder der Schmetterling das Ziel der Metamorphose, keinesfalls die gefräßige Made oder Raupe. In Wahrheit hat ein Zyklus [von griech. kÚklos, ›Kreis‹] kein Ziel, denn jeder Lebensabschnitt führt ohne Hierarchie in den nächsten. So hat der Flugkörper nach der Eiablage ausgedient und stirbt ab. Das Wesen des Tiers ist erneut im Ei verdichtet, in dem sich auf nicht weniger komplexe Weise wie in allen übrigen Lebensphasen aus wenigen Keimanlagen der Larvenembryo heranbildet. »Ein Insekt ist in den letzten Tagen seiner Verpuppung so vollkommen entwickelt, wie es das Kügelchen gegen das Ende seiner Brützeit ist, so daß man ein Ey als eine Art von Puppe, und eine Puppe als eine Art von Ey ansehen kann.« (aus: ›Geheimnisse der Natur oder Zeugung und Fortpflanzung aller organischen Wesen auf Erden. Nichts für den neugierigen Wollüstling! aber Mancherley für den Reinen, den Ernsthaften, den Lernbegierigen.‹ Herausgegeben von Gottlieb Müller und Ernst Schulz. Berlin, 1804)