Das Bedingungslose Grundeinkommen [Buchbesprechung]
Das Buch »Das Bedingungslose Grundeinkommen – Feministische und postpatriarchale Perspektiven« diskutiert ein Thema, zu dem schon vieles geschrieben wurde. »Bedingungslos« bedeutet, dass jede und jeder ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) bekommt, unabhängig davon, ob sie oder er eine Gegenleistung erbringt. Erwerbsarbeit wäre dann nicht mehr nötig. Die Freiheit von der Notwendigkeit, arbeiten zu gehen, und sich stattdessen kreativ und lustvoll beschäftigen zu können, gilt vielen als ein Hauptargument für ein BGE.
Dieses Buch nähert sich dem Thema aus einer anderen Perspektive. Die Autorinnen und Autoren bringen jahrzehntelange Forschungs- und Lebenserfahrungen ein und belassen es bei ihrer positiven Bezugnahme auf das BGE nicht bei der Forderung nach einem Geldbetrag für alle. Sie stellen die geschlechterhierarchische Arbeitsteilung in Frage, die Entfremdung in der Produktion und auch die entfremdenden Bedingungen bezahlter Sorgearbeit. Die Suche nach Bedingungen für ein gutes Leben für alle zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dieses gute Leben sei nicht in erster Linie abhängig vom Geld, sondern von sozialen Beziehungen und von der Sicherheit, versorgt zu werden. Dafür wären nicht zuletzt öffentliche Infrastrukturen notwendig, die Bildung, Gesundheitsversorgung, Mobilität etc. für alle bedingungslos bereitstellen. Ein BGE wäre ein notwendiger Baustein für eine Gesellschaft, in der für alle gesorgt ist, reiche alleine aber keineswegs aus. Die feministische und postpatriarchale Perspektive nimmt die gesamten Lebensgrundlagen in den Blick und fragt, wie alle daran teilhaben können. Nicht Freiheit von der Arbeit, sondern Freiheit, das Notwendige zu tun, ist einer der leitenden Gedanken.
Im Buch werden auch kritische Aspekte und Risiken reflektiert, zum Beispiel die berechtigte Befürchtung, ein BGE könne Frauen noch stärker als bisher auf die klassische sorgende Rolle reduzieren (Herdprämie), oder die Illusion nähren, Geld sei das Entscheidende. Und wäre es nicht ein Widerspruch, wenn eine Gesellschaft, die versucht, mit einem BGE für alle zu sorgen, gleichzeitig duldet, dass eine zerstörerische Produktion alles wieder zunichte macht: die Natur, die Arbeitenden und die Beziehungen zwischen den Menschen?
Die Autorinnen und Autoren argumentieren aus verschiedenen Blickwinkeln: aus Sicht marxistischer und feministischer Theorien, mittels alltagspraktischer Abwägungen, mit der Schilderung sehr privater Erfahrungen etc. Damit alle Menschen bedingungslos versorgt werden und bedingungslos leben können, müsste ein BGE in eine Care-zentrierte Wirtschaft eingebunden sein. Dies wird kaum konfliktfrei zu haben sein. ◆
Das Bedingungslose Grundeinkommen
Feministische und postpatriarchale Perspektiven.
Blaschke, Praetorius, Schrupp (Hg.)
Ulrike Helmer Verlag, 2016, 180 S.
14,95 Euro
weitere Artikel aus Ausgabe #42
Das Recht als Hort der Anarchie [Buchbesprechung]
Anarchie hat Recht. Der deutsche Ethnologe Hermann Amborn nimmt uns mit auf seine Reise zu den polykephalen Gesellschaften am Horn von Afrika. Polykephal? So bezeichnet man nicht-hierarchische Gesellschaften, bei denen sich Macht und Rechtsprechung auf viele Köpfe verteilen. Dort sind es die
Wurzeln und Flügel
Wenn jemand fast sechs Jahrzehnte gelebt hat und sich fragt, welche Menschen aus welchem Jahrzehnt ihm geblieben sind, geht das nah. Und so manches dabei geht einem nach. Werden die gemeinsam geplanten Tage des Abschiednehmens von den 50ern ausreichen, das alles zu (er-)klären?Gern