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Spriessbürger [Buchbesprechung]

von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #42/2017
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»Allen sonstigen Meinungen zum Trotz entsteht ein Gärtner weder aus Samen noch aus Schösslingen, Zwiebeln, Knollen oder Ablegern, er wächst einzig und allein durch die Erfahrung, durch die Umgebung und durch Naturbedingungen.«
Das ist eines der schönsten Zitate, die hier und da in dieses kluge Buch über den Anbau von Gemüse und Salat eingewoben sind. Glücklicherweise gehört das Gärtnern zu einer unserer ältesten Kulturtechniken. Es gibt Erfahrungen, die über Generationen hinweg gesammelt und weitergegeben werden. Im Fall von »Spriessbürger – Handbuch für den Anbau von Gemüse und Salat in der Schweiz« sind es die studierte Pflanzenbauerin, Gärtnerin, Kompostfachfrau, Agrar- und Gartenjournalistin Eveline Dudda aus der Schweiz sowie der in Irland ansässige Klaus Laitenberger, seines Zeichens biologisch-dynamischer Gärtner, Biokontrolleur, Lehrer für Biogemüsebau und Autor, die diese Erfahrungen zu Papier gebracht haben.
Schon der Einband und die Fotos lassen erahnen, dass ein Praxis-Buch durchaus fröhlich sein kann und die Freude am Gärtnern zu vermitteln versteht. Dabei bezieht sich der Titel auf die Spießbürger des Mittelalters: hochgeschätzte Leute, die sich und ihre Stadt mit Spießen verteidigten. Heute verteidigen Gärtnerinnen ihr Recht auf selbstangebaute Nahrung, die ganz elementar ein Zeichen von Freiheit und Unabhängigkeit ist. »Spieße zu Bohnenstangen« darf als deutliche Aufforderung verstanden werden.
Die Herkunft des Buchs aus der Schweiz mag in Norddeutschland anfangs Fragen hervorrufen – etwa, ob Klima und Anbaubedingungen in der Schweiz nicht ganz anders sind als in Münster oder Magdeburg? Nun, so viel anders sind sie nicht, meinen die Autoren, denn die Klimaunterschiede in der Schweiz sind genauso vielfältig wie in Deutschland. Diese Diversität erfordert einen schlauen Aussaatkalender: Die grundlegende Erfahrung ist die, dass das Pflanzenwachstum insbesondere von Boden- und Lufttemperatur beeinflusst wird und dass sich diese Verhältnisse in der natürlichen Pflanzenwelt durch Blüten, Blattaustrieb oder Blattfall bestimmter Pflanzen widerspiegeln. Die Beobachtung der »Nicht-Gemüse«-Pflanzenwelt sagt uns also, welche Aussaaten und Pflanzungen gerade anstehen: Der Vorfrühling setzt demnach ein, wenn Schneeglöckchen und Haselnuss blühen, gefolgt von Huflattich und Veilchen sowie vom Blattaustrieb der Stachelbeeren. Das ist die richtige Zeit für die Anzucht von Kopfsalat, Kohlrabi und Tomaten. Schnittsalate und Kohlrabi können im Frühbeet angezogen werden, Steckzwiebeln dürfen schon ins Freiland. Ein solcher phänologischer Gartenkalender ist im Buch enthalten.
Ebenso gibt das Buch alle Informationen zu Pflanzenfamilien und Fruchtfolge, die benötigt werden, um die dann einzeln beschriebenen Arten erfolgreich in Mischkultur anbauen zu können. Dabei geben die Autoren auch Tipps, die über das Grundwissen hinausgehen. So kann es etwa durchaus hilfreich sein, sich über die eigene Anbaustrategie Gedanken zu machen: Möchte ich den »Ertragswert« meines Gartens erhöhen und baue ich vor allem Frischgemüse an, da Lagergemüse wie Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren und Kohl sich doch jederzeit günstig einkaufen lassen? Oder gärtnere ich eher extensiv und baue eben dieses Lagergemüse an, das ich jeweils nur einmal aussäe und (fast) gleichzeitig ernten kann?
Vervollständigt wird »Spriessbürger« durch das, was besonders Gartenneulinge interessiert, nämlich allgemeine Informationen, beispielsweise zum Boden, zur Beetanlage, zu Saat, Düngung, Kompost, Gründüngung u.v.a.m.
Zuletzt sei noch bemerkt, dass das Buch neben dem allgemeinen Glossar auch eine kleine Übersetzungshilfe Schweizerdeutsch – Hochdeutsch bereithält, in der Nicht-Eidgenossen Gemüsesorten wie Kabis, Rüebli oder Zucchetti nachschlagen können. ◆ 


Spriessbürger
Handbuch für den Anbau von Gemüse und Salat in der Schweiz.
Eveline Dudda, Klaus Laitenberger
Spriessbürgerverlag, 2015
367 Seiten
38,50 Euro

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