von Benjamin Brockhaus, erschienen in Ausgabe #43/2017
Schon der Titel verrät, dass es ums Ganze geht: »Sozialrevolution!« prangt in großen Lettern auf pinkem Grund, eingewebt die prominentesten Autoren: Yanis Varoufakis, Robert B. Reich, Gerald Hüther, Erik Brynjolfsson und andere. In bunter Perspektivenvielfalt beleuchtet dieses Buch die Notwendigkeit eines grundlegenden Paradigmenwechsels: Angesichts der digitalen Revolution ist eine neue, humanistische Sozialpolitik nötig; wir brauchen ein neues Verständnis von Arbeit sowie neue Gemeinschafts- und Organisationsformen – und zwar solche, die eine selbstbestimmte und freie Entwicklung des Individuums fördern. Das Buch beschreibt den Weg einer friedlichen Aussöhnung mit der digitalen Megamaschine, deren Kontroll- und Steuerungsmechanismen auf Misstrauen basieren und zu einer überbordenden Bürokratie führen: Der Schlüssel liegt in der Bildung von Gemeinschaftsökonomien, die auf Vertrauen gründen. Doch wie kann das Prinzip, das früher Kern der Großfamilie war, heute aus freien Beziehungen entstehen? Das Beispiel von Organisationen, die das Prinzip einer Peer-to-Peer-Ökonomie erfolgreich umsetzen, macht Hoffnung, dass es möglich ist, die ganze Gesellschaft grundlegend zu verwandeln. Der zweite Themenkomplex beschreibt eine neue Art, zu denken, als Voraussetzung für einen gesunden Umgang mit der digitalen Welt. Hier herrschen nach Ansicht der Autoren andere ökonomische Gesetze: Es gibt keine Grenzkosten, Codes sind universell einsetzbar. Um das Internet zu einem gerechten und lebensdienlichen Netzwerk umzubauen, seien neue Verteilungsideen nötig. Ein anderer Umgang mit Google, Facebook und Co. verteile auch Machtstrukturen neu. Die Ressourcenfrage – wie wohl eine mit den planetaren Grenzen vereinbare Produktion dieser Technik möglich wäre – wird leider ausgeklammert. Der dritte Schwerpunkt ist das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE): Dieses löse alle bestehenden Denk- und Handlungspraktiken der hundert Jahre alten Bismarck’schen Sozialpolitik so grundlegend ab, dass es einer Revolution gleichkomme. Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sieht das BGE schon heute als Grundrecht eines jeden Menschen an. Doch wie kann es finanziert werden? Dazu schlägt Robert B. Reich (US-Arbeitsminister unter Bill Clinton) vor, dass eine einfache Änderung der Urheberrechte die gewaltigen Kapitalanhäufungen der digitalen Konzerne bändigen und so genügend Geld für die Umverteilung als Grundeinkommen freistellen würde. Das bildreiche und pragmatisch geschriebene Buch ist stark, reich an Pointen und kontrovers. Was bei der Vielfalt der Positionen fehlt, sind mehr Stimmen von Frauen. Besonders gelungen sind dafür die Schlusskapitel von Gerald Hüther und Philip Kovce. Sie zeigen: Die Sozialrevolution muss einhergehen mit einer Individualrevolution – die auch in spirituelle Tiefen vordringt.