von Christina Trees, erschienen in Ausgabe #46/2017
»Wir hier draußen« von Andrea Hejlskov ist die wahre Geschichte einer Familie aus Dänemark, die kurzentschlossen alles hinter sich lässt, um in eine winzige Hütte im schwedischen Wald zu ziehen. Zu sechst setzen sie sich dort statt mit Zivilisationsstress und Depressionen mit den ebenfalls oft harten Bedingungen und Abhängigkeiten in der Natur auseinander und erfinden so ihr Leben neu. Vor sich selbst konnten Andrea und Jeppe nicht davonlaufen; das Ehepaar nahm sowohl seine Werte als auch alte Muster und unterdrückte Emotionen mit auf den Weg in seine große Hoffnung – und kam immer wieder an seine Grenzen: die Grenze der Beziehung, der körperlichen Belastbarkeit bis hin zu wiederkehrenden Zweifeln, ob die Entscheidung wirklich richtig gewesen war. Kapituliert hat Familie Hejlskov dennoch nicht, auch wenn sie manches Mal knapp davorstand. Das erste Jahr im Wald hat alle – wie sollte es anders sein? – verändert, und die Familienmitglieder konnten sich in der zuweilen wilden Natur unter anderem an der Kälte, am gemeinsamen (gescheiterten) Blockhausbau sowie an den wenigen (über)lebenswichtigen externen Beziehungen intensiv erfahren und viel über sich lernen. Das Buch bietet einen aufrichtig und lebendig geschilderten Einblick – auch wenn ich bei der Lektüre oftmals Widerstände empfand angesichts all des Schweren und Dunklen, das in der Schilderung spürbar ist. Dann wieder faszinierte mich Andrea Hejlskovs Offenheit und der detailgenaue Blick auf ihre Familiensituation, auf ihre Zweifel und Gefühle. Sie ist zugleich gute Beobachterin und involvierte Protagonistin, sie beschönigt nichts und schont so weder sich selbst noch ihre Vertrauten. Auch ihren Leserinnen und Lesern nimmt Andrea Heilskov jede Gelegenheit, den Bericht als Idealbeispiel und romantisches Vorbild fürs Aussteigen zu vereinnahmen. Vielleicht wirkt ihr Weg ins Waldleben zuweilen etwas unvorbereitet oder holperig – doch nimmt die Familie ihre Unzufriedenheit immerhin nicht tatenlos hin; sie handelt, und unter unzähligen Möglichkeiten beschreitet sie eben diesen ganz persönlichen Pfad. Zahlreiche Oya-relevante Themen werden im poetischen Ausdruck der Erlebnis- und Gedankenwelt der Autorin angerissen – Aspekte wie Freilernen oder Containern, gemeinschaftliches Arbeiten sowie Fragen zu Selbstversorgung oder zum Verzicht auf klassische Geldwirtschaft sind eher Nebenwirkungen des Überlebenskampfes als Hinweise auf eine tiefe Motivation für ihre Entscheidungen. Das mag desillusionierend wirken, ist aber auch äußerst authentisch und lesenswert! Revolutionäre Taten beginnen eben meist nicht mit hehrem Streben nach einer noch besseren Welt, sondern werden ausgelöst durch Unglück und Frust.
Wir hier draußen Eine Familie zieht in den Wald. Andrea Hejlskov mairisch, 2017, 296 Seiten ISBN 978-3938539477 20,00 Euro www.andreahejlskov.com (Blog)