Die wiederentdeckte Methode, fruchtbare Schwarzerde von Menschenhand herzustellen.von Lara Mallien, erschienen in Ausgabe #6/2011
»Schwarzerde«, auf portugiesisch Terra Preta, war noch vor einem Jahr ein Geheimtipp. Wer das Wort in den Mund nahm, wurde meist fassungslos angestarrt und musste immer wieder die Geschichte der phänomenal fruchtbaren »Terra Preta do Indio« aus dem Amazonasgebiet erzählen. Dank Zeitungsartikeln, vor allem in der »taz«, und vielen Vorträgen engagierter Terra-Preta-Forscher und -Praktiker wird das Thema langsam bekannter. Einer dieser engagierten Pioniere ist Ralf Otterpohl, Professor an der Technischen Universität Hamburg und dort Leiter des »Instituts für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz«. Er forscht seit Jahren über Möglichkeiten, Fäkalien und Urin getrennt zu sammeln und zu nutzen, denn durch die üblichen Spültoiletten entsteht ein wasservergiftender Cocktail, der vor allem in den ärmeren Ländern selten ausreichend geklärt wird. Als Ralf Otterpohl erfuhr, dass im Amazonasgebiet die Kompostierung von Fäkalien eine zentrale Kulturtechnik gewesen sein muss, hatte er sein Forschungsfeld der Zukunft gefunden. »Auf an sich sehr unfruchtbarer Erde haben Indios schon vor weit über 1000 Jahren beste Humusböden hergestellt, die teils mehr als zwei Meter mächtig sind. Sie sind auch 500 Jahre nach dem Verschwinden dieser Hochkulturen noch sehr fruchtbar und bescheren den Bewohnern ein sorgenfreies Leben«, berichtet Ralf. Archäologen ermittelten den Zutaten-Mix des schwarzen Goldes: »Offenbar entstand diese Erde durch eine geschickte Behandlung von Bioabfällen, Fäkalien, Knochen, Gräten, Kadavern und anderem organischen Material unter Zugabe von etwa 10 Prozent Holzkohle. Bemerkenswert ist, dass in der Erde teilweise sorgsam angeordnete Tonscherben gefunden wurden. Vielleicht haben die Menschen sie als Opfer in die Erde gegeben, um ihrem Dank und ihrer Hingabe an die Erde Ausdruck zu verleihen«. Mit mehreren Mitarbeitern ist Ralf dabei, die Herstellung von Terra Preta für den Bereich Sanitärsysteme nachzuvollziehen.
Fruchtbaren Humus selbermachen Wie steht es heute mit der Terra-Preta-Herstellung? »Während zum einen die großtechnische Produktion und der Versuch der Monopolisierung bereits von der Firma Palaterra gestartet wurde, entdecken zunehmend Landwirte, Gärtnereien und Hobbygärtner, dass es gar nicht so schwer ist, Schwarzerde selber zu machen«, erzählt Ralf Otterpohl. »Durch geeignete Bakterienmischungen kann eine Sammlung von Bioabfällen in Laktofermentation gebracht werden, damit alles geruchsfrei konserviert. Genauso lassen sich getrennt gesammelte Fäkalien behandeln. Anschließend kommt das Ganze in eine Wurmkompostierung, wobei man noch Holzkohle hinzugibt. Soll auch der Urin auf den Kompost, müssen größere Mengen feiner Holzspäne eingearbeitet werden, und man muss eine mehrfache Zugabe ohne Übernässung erreichen.« Und was ist Laktofermentation? »Das ist eine milchsaure Vergärung wie beim Sauerkraut oder Joghurt. Laktofermentation hat den Vorteil einer sehr starken Hygienisierung, der pH-Wert kann auf unter 4 sinken. Die Behälter müssen mit einem Deckel luftdicht verschlossen werden, da kein Gas entsteht und Sauerstoff den Prozess stört«. Inzwischen gibt es Trockentoiletten nach dem Terra-Preta-System, die auch zum Selbstbau geeignet sind. Die Indios hatten so etwas freilich nicht. Oder doch? Der Agraringenieur Haiko Pieplow vermutet, dass die Indios ihre Abfälle in großen, in die Erde eingegrabenen, unten mit einer Öffnung versehenen Tonbehältern gesammelt haben. Derzeit wird die Entwicklung von Terra-Preta-Toiletten von der TU Hamburg zusammen mit der World Toilet Organisation und der Technischen Uni Dänemark vorangetrieben. »Zwei Milliarden Menschen fehlt eine angemessene Toilette, und fast die gesamte Menschheit entlässt ihren wertvollen Dünger in Gewässer, die dabei massiv geschädigt werden«, verdeutlicht Ralf die Bedeutung dieses Projekts. »Ein einfaches, hygienisches, geruchfreies und komfortables Toilettensystem, das zur Humusbildung dient, könnte zum Überleben der Menschheit wesentlich beitragen.«