Dreck (Buchbesprechung)

von Beate Küppers, erschienen in Ausgabe #6/2011
Photo

Die »Stoffgeschichten« aus dem oekom Verlag erzäh- len von den weiten Wegen, die viele Materialien, mit denen wir täglich umgehen, hinter sich haben. An ih- rer wechselvollen Vorgeschichte zeigen sich die Kon- flikte unserer globalisierten Welt. Nun ist der sechste Band der Reihe erschienen: »Dreck – Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert«.
Der amerikanische Geowissenschaftler David Montgomery skizziert eine Kulturgeschichte aus der Perspektive der Böden. Fruchtbarer Boden, die dünne Haut der Erde, bildet das Fundament unserer Exis- tenz, aber nur wenigen Kulturen ist es gelungen, ihren Boden dauerhaft fruchtbar zu halten.
Von Mesopotamien über Griechenland und Rom, aber auch in den Hochkulturen der Mayas, auf den Sklavenplantagen der Südstaaten und bis ins Zeit- alter der mechanisierten Landwirtschaft zeigt sich das gleiche Muster: Mit einem wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln und dem Zwang zur kurzfristi- gen Maximierung der Ernten wird die Bodenpflege vernachlässigt. Die Böden verlieren, insbesondere bei der Bewirtschaftung von abschüssigen Flächen, ihre natürliche Stabilität. Regen und Wind tragen den fruchtbaren Oberboden fort, die Ernteerträge gehen zurück. Viele große Kulturen sind unter anderem deshalb untergegangen, weil es ihnen nicht gelang, ausreichend neue Flächen zu erschließen oder fremde Länder zur Sicherung der eigenen Ernährung zu erobern.
Boden wächst durch Gesteinsverwitterung und Regenwurmaktivität nur wenige Zentimeter im Jahr- tausend (!). Heute gehen Jahr für Jahr Milliarden Tonnen fruchtbare Erde durch Erosion verloren. Die weltweit landwirtschaftlich genutzte Fläche lässt sich aber kaum noch erweitern. Dazu wird etwa ein Drittel der Erdölproduktion für die Herstellung von Mineraldünger und für weite Transportwege von Nah- rungsmitteln verbraucht. Anders als der Peak Oil ist der Peak Soil (soil = engl. für Boden) aber noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen.
Montgomery beschreibt auch Konzepte für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Er plädiert für ökolo- gische, arbeitsintensive Anbaumethoden ohne Pflug und für die Förderung urbaner Gärten. Von Subven- tionen sollten Kleinbauern in Entwicklungsländern profitieren, die oft besonders empfindliche Böden erhalten. »Eine Zivilisation überlebt nur dann, wenn wir Boden wie ein wertvolles Erbe behandeln, nicht als Ware – und ganz sicher nicht wie den letzten Dreck.«
Dieses Buch ist für alle empfehlenswert, die sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einsetzen
und sich mit Peak Soil auseinan- dersetzen wollen. 


Dreck
Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert
David Montgomery
oekom Verlag, 2010,
347 Seiten
ISBN 978-3865811974,
24,90 Euro



weitere Artikel aus Ausgabe #6

Gesundheitvon Monika Hoffmann

Gewebe des Lebens

Manche Menschen gehen joggen, um gesund zu bleiben. Monika Hoffmann setzt sich an ihr Spinnrad, das mit dem Fuß angetrieben wird. Sie hat für sich das Spinnen als heilsamen Weg entdeckt. Der Faden, der entsteht, spiegelt die Seele.

Lebenswegevon Matthias Fersterer

Lebensfäden

Afghanistan – kaum ein Land vermag so verheißungsvolle und so schreckliche Assoziatio­nen zu wecken. Verheißungsvoll, weil Generationen von Händlern, Künstlern und Aussteigern exotischen Verlockungen in das Land am Hindukusch folgten. Schrecklich, weil das Land

Gärtnern & Landwirtschaftvon Lara Mallien

Schwarzes Gold

»Schwarzerde«, auf portugiesisch Terra Preta, war noch vor einem Jahr ein Geheimtipp. Wer das Wort in den Mund nahm, wurde meist fassungslos angestarrt und musste immer wieder die Geschichte der phänomenal fruchtbaren »Terra Preta do Indio« aus dem Amazonasgebiet

Ausgabe #6
Selbermachen

Cover OYA-Ausgabe 6Neuigkeiten aus der Redaktion