Permakultur

Pflanzt Bäume auf Weiden und Äcker!

Vielerorts werden die ökologischen und ökonomischen Vorteile agroforstwirtschaftlicher Systeme erforscht. Steht der Kulturlandschaft Mitteleuropas eine Revolution bevor?von Jochen Schilk, erschienen in Ausgabe #47/2018
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© Christian Dupraz

Eine intensive globale Aufforstung könnte die gegenwärtigen besorgniserregenden klimatischen Veränderungen auf der Erde deutlich eindämmen. Diese Möglichkeit wird immer mehr diskutiert und auch praktiziert – aber es gibt auch kritische Stimmen. Zum Beispiel werden insbesondere dort, wo Menschen existenziell von einem bestimmten Land abhängen, Bäume meist als Konkurrenten zur Landwirtschaft betrachtet: Sie seien möglicherweise zwar gut für Klima, Boden, Landschaftsbild und Wasserhaushalt, doch leider auch schlecht für Hirse, Hafer und Hülsenfrüchte. Die Realität entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als weniger schwarzweiß. Die Zeit des Entweder-Landwirtschaft-oder-Forstwirtschaft ist vorbei, die Epoche des Sowohl-als-Auch hat bereits vor Jahren begonnen. Selbstversorger-Kleinbauern in Trockengebieten sollten das Folgende ebenso wissen wie global denkende Umwelt- oder Landwirtschafts­politiker.

Versöhnung vermeintlicher Konkurrenten
Es gibt einen äußerst hoffnungsvollen Ansatz zur Aufhebung des scheinbaren Widerspruchs zwischen Land- und Forstwirtschaft, der bereits vielerorts – gerade auch in prekären Weltgegenden – erprobt und im Kommen ist. Tatsächlich ist die Synthese von beiden Landnutzungsformen, von Fachleuten als »Agroforstwirtschaft« bezeichnet, nichts wirklich Neues. Bereits seit der Neolithischen Revolution haben Bäuerinnen und Bauern ihre Tiere in Wäldern und unter Bäumen weiden lassen, sie haben unter Bäumen gegärtnert und Äcker in Wäldern sowie später Hecken rund um Äcker angelegt.
Auch in Deutschland waren »silvopastorale« Systeme – Viehweiden unter Bäumen bzw. die Beweidung von Wäldern – sowie »silvoarable« Systeme – Landbau unter und neben Bäumen, zum Beispiel in der Form von Windschutzhecken oder Streuobstwiesen – Bestandteile der landwirtschaftlichen Tradition und wurden durch die Gesetzgebung gefördert. Schon im Jahr 1819 schrieb der deutsche Forstwissenschaftler Heinrich Cotta eine Abhandlung mit dem Titel »Die Verbindung des Feldbaues mit dem Waldbau oder die Baumfeldwirthschaft«. Im Zug der Modernisierung der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Nutzung traditioneller Agroforstsysteme jedoch uninteressant. Bäume und Sträucher standen der Einführung der landwirtschaftlichen Mechanisierung und der Agrochemie im Weg und wurden rigoros aus den Fluren entfernt.
Das Erfahrungswissen von Bauern und die Forschungen von Wissenschaftlern in verschiedenen Ländern besagen, dass klug gewählte Kombinationen von Land- und Forstwirtschaft erstaunliche Vorteile (Synergien) mit sich bringen können – und zwar sowohl für das Gedeihen von Tieren bzw. Ackerfrüchten als auch für das Wachstum von Gehölzen.
Beispiele für moderne agroforstliche Systeme finden sich unter anderem in Südfrankreich, wo auf den Feldern einiger Landwirte seit Jahren wissenschaftlich begleitete Langzeitversuche laufen. Man stelle sich etwa einen Getreideschlag vor, in dem lange, schnurgerade Reihen gut entwickelter, aufgeasteter Pappeln wachsen; hier sind es 150 Bäume pro Hektar. Die Anlage ist an der Arbeitsbreite der Landwirtschaftsmaschinen ausgerichtet, das heißt: In den »Alleen« zwischen den Baumreihen ist genau so viel Platz, dass der Mähdrescher einmal hin- und einmal herfahren kann. Pappeln wachsen sehr schnell; in diesem Agroforstsystem sind sie schlicht als Biomasselieferanten vorgesehen. Werden sie nach zehn Jahren geerntet, wachsen aus ihren Wurzeln sogar erneut Pappeln.
In anderen Systemen wird mit »Werthölzern« für die Möbelindustrie gearbeitet, die wesentlich länger wachsen müssen, dann aber – nach 45 bis 60 Jahren – auch angemessene finanzielle Gewinne versprechen. Wertholz-Bäume, die im Wortsinn zusätzliche jährliche Frucht-Erträge »abwerfen«, sind die Walnuss oder die Kirsche.
Es ist klar, dass die Gehölze auf dem Acker wertvollen Platz in Anspruch nehmen. In modernen Agroforstsystemen beträgt der Baumabstand etwa 15 Meter, damit können auf einem Hektar 49 Bäume – auf sieben Reihen verteilt – gepflanzt werden. Dennoch lassen sich mit derartigen Mischkultursystemen erhebliche Mehrerträge von bis zu 30 Prozent realisieren, wie ein Forschungsprogramm der EU ergab. Im wissenschaftlichen Versuch entsprach die Produktion einer mit einer Mischung aus Pappeln und Weizen kultivierten Fläche von einem Hektar dem Ertrag, der im getrennten Anbau nur bei einem Flächenverbrauch von 1,3 Hektar möglich würde (0,9 Hektar Weizen und zusätzlich 0,4 Hektar Pappeln). Diese guten Ergebnisse erklären sich durch eine Reihe von positiven Wechselwirkungen, die jedem gut geplanten Agroforstsystem eingepflanzt sind. Im Mischkulturanbau wird generell mit jeder Einzelkultur eine geringere Ernte erzielt (im Vergleich zur Reinkultur); erst mit der Addition der verschiedenen Kulturen ergibt sich ein Mehrertrag.

Zahlreiche Vorteile
Eine zwischen 2005 und 2008 durchgeführte Studie der Universität Freiburg zum Potenzial von Agroforst in Deutschland fasst einen positiven agrarökologischen Aspekt folgendermaßen zusammen:
»Die Konkurrenz der Bäume mit der Feldfrucht zwingt die Bäume dazu, tiefer zu wurzeln, als es ohne eine Feldbearbeitung geschehen würde. Die tiefere Wurzelung der Bäume führt zu einer stärkeren klimatischen Resistenz und dadurch zu einem gleichmäßigeren Wachstum. Dadurch ergibt sich nicht nur quantitativ ein beschleunigter Holzzuwachs, sondern es wird auch eine bessere Holzqualität erzielt. Die Wurzelkonkurrenz und die damit verbundene tiefergeschichtete Bodendurchwurzelung führen zu einer Verbesserung des Wasser- und Nährstoffhaushalts der Böden (Stickstoff-Fixierung, Nährstoffpumpe). Die Wurzeln der Bäume nehmen Wasser auf und stellen ein Gleichgewicht von Feuchtigkeit und Nährstoffen im Boden her. Durch diese Interaktion kann einerseits die Kühlfunktion des Wassers wiederhergestellt werden, andererseits nimmt der Boden eines Agro-forstsystems mehr Wasser auf und wirkt als Wasserspeicher. (Sehr wahrscheinlich führt auch das Auftreten von Symbiosen mit Pilzen zu weiteren positiven Effekten auch für die Getreidewurzeln.) Indem Agroforstsysteme Wasser und Nährstoffe wieder vermehrt in lokale Kreisläufe einbinden, verbessern sie auch den regionalen und überregionalen Landschaftshaushalt.«
Besonders interessant für den Anbau von einjährigen Nutzpflanzen ist die im Zitat erwähnte Fixierung von Stickstoff im Boden durch Baumwurzeln. In unseren Breiten können das die Baumarten Robinie und Erle bewirken. Ebenso wie die Gründüngerpflanzen Bohne, Klee oder Lupine weisen diese Gehölze in ihrem Wurzelsystem knöllchenförmige Auswucherungen auf. Die darin lebenden Bakterien (Rhizobien) sind in der Lage, den in der Atmosphäre befindlichen Stickstoff zu einem für Pflanzen verfügbaren Stickstoffmolekül umzubauen und zu speichern. Normale Pflanzen haben vielerorts Probleme, an ausreichend Stickstoffverbindungen heranzukommen, die sie als Bodennährstoffe brauchen. Stickstoff gehört deswegen üblicherweise zu den Substanzen, die beim Nutzpflanzen-Anbau gedüngt werden müssen.
Robinien und Erlen kennen aufgrund ihrer besonderen Fähigkeit keinen Stickstoffmangel. Anders als gewöhnliche Bäume sind sie deshalb auch nicht darauf angewiesen, vor dem Abwerfen der Blätter Nährstoffe aus denselben zurückzuziehen. Das auf der Erde landende Erlen- und Robinienlaub ist deshalb nährstoffhaltiger als anderes Baumlaub; in einem Agroforstsystem dient es den einjährigen Nutzpflanzen der folgenden Saison als Dünger. Obwohl Robinien ein äußerst witterungsbeständiges Holz ausbilden, gehören sie ebenso wie Erlen nicht zu den offiziellen (Furnier-)Werthölzern; aber es ist ohnehin anzunehmen, dass in zahlreichen subsistenzgeprägten Weltgegenden die agrarökologischen Effekte von kleinbäuerlichen Agroforstsystemen und nicht die finanzielle Verwertbarkeit des Holzes im Vordergrund stehen. So heißt es in der Freiburger Studie, dass die Eigenschaft der Stickstoffbindung aus der Luft bei den in den Tropen und Subtropen verwendeten Agroforstbäumen ein vielgenutzter Effekt sei. Ich habe bei einem Besuch in der Dickenrücker Baumschule (Hessen) eine Fläche mit Reihen von gleich alten Obstbäumchen gesehen. Zwischen zweien dieser Reihen hatte der Betreiber eine Reihe Erlen gepflanzt, und es ist dort wunderbar zu erkennen, dass die jungen Obstgehölze zu beiden Seiten der Erlen-Reihe von der verbesserten Stickstoffversorgung profitieren, denn sie sind deutlich größer als entfernter wachsende Artgenossen.
Untersuchungen mit Pappeln in gemäßigten Klimazonen zeigten nach fünf Jahren bereits eine signifikante Humuserhöhung gegenüber der baumlosen Fläche; bei der Wiederbegrünung von Braunkohle-Tagebaugebieten wurden »merkliche« Humusverbesserungen durch Baumsetzungen sogar »innerhalb von drei, vier Jahren« festgestellt. Mit der Zunahme von Humus steigt natürlich auch die Anzahl der Bodenlebewesen, insbesondere diejenige der Regenwürmer. Würmer sind durch ihre Ausscheidungen ganz wesentlich für die Krümelstruktur und damit für die Wasseraufnahme- und -speicherfähigkeit des Bodens verantwortlich. Weil Niederschläge entlang von Baumwurzeln in eine von Würmern aufgelockerte Erde gut eindringen können, sinkt auf Agroforstflächen die Gefahr von Wassererosion erheblich. Auch die Gehölze selbst bilden Barrieren, die das Wasser daran hindern, schnell abzufließen und den Humus mit sich zu reißen.

Wie Bäume den Boden düngen
Zum Aspekt »Nährstoffpumpe« bzw. »Feinwurzelumsatz« zitiere ich eine interessante Passage aus der 300 Seiten starken Agroforst-Potenzialstudie der Uni Freiburg:
»Bäume können durch Blattfall und die regelmäßige Erneuerung ihrer Feinwurzeln Nährstoffe an den Boden zurückgeben. Außerdem erreichen sie mit ihren Wurzeln tiefere Bodenschichten und können dort Mineralstoffe entziehen. Bei vielen tiefwurzelnden Baumarten geht man davon aus, dass sie Wurzeltiefen zwischen 15 und 35 Metern erreichen können. In Minen und Höhlen wurden Baumwurzeln auch schon in 60 Metern Tiefe gefunden. Die in tieferen Bodenschichten aufgenommenen Nährstoffe werden für die landwirtschaftlichen Nutzpflanzen durch Blattfall und Wurzelumsatz (der Bäume) verfügbar. Feinwurzeln haben eine Lebensdauer von zwei Wochen bis zu einem Jahr. Es wird vermutet, dass die meisten Bäume durch den Feinwurzelumsatz mehr Nährstoffe an den Boden zurückgeben als durch den jährlichen Laubabwurf. Von Wäldern der gemäßigten Zone weiß man, dass zum Beispiel ein Kalkbuchenwald 80 bis 90 Prozent der in einem Jahr aufgenommenen Nährstoffe an den Boden zurückgibt.«
Die Baumwurzeln leisten auf dem Agroforstacker noch einen weiteren Dienst: Sie verhindern, dass Nährstoffe – auch gegebenenfalls aus Düngung – rasch ausgewaschen werden; die Nährstoffe bleiben an den Wurzeln hängen und somit dem Gesamtsystem erhalten. Für den Landwirt bedeutet dies ein weiteres Einsparungspotenzial beim Dünger.
Auf Feldern und Weiden stehende Bäume tragen nicht nur durch ihr Wurzelsystem dazu bei, dass die örtlich verfügbaren Niederschläge auch von anderen Pflanzen optimal genutzt werden können. Zum einen hat sich gezeigt, dass Gehölze Winde deutlich abbremsen, wodurch sich die Verdunstungsrate von Boden und Kulturpflanzen sowie die Gefahr der Winderosion des nach der Ernte offen daliegenden Bodens verringern. Der Effekt ist bei dichten Windschutzhecken natürlich größer als bei aufgeasteten, langstämmigen Werthölzern, die im lichten Abstand von 15 Metern auf dem Kartoffelacker verteilt stehen. Zum anderen führt auch der Schattenwurf der Baumkronen zu niedrigeren Bodentemperaturen und verringerter Verdunstung. Zugleich trägt die zusätzliche Verdunstung über das Blattwerk der Gehölze zu einem insgesamt kühleren Mikroklima bei. Weil wegen des Klimawandels auch gemäßigte Zonen zunehmend unter Hitze und Trockenheit leiden – vor allem im Frühjahr –, kann das ein wichtiger Vorteil sein.
Natürlich stellt die Beschattung auch einen hemmenden Faktor für Dinkel, Kartoffeln und Co. dar: Einjährige Kulturpflanzen reagieren auf eine beeinträchtigte Lichtversorgung in der Regel mit verringertem Wachstum. Die Schattentoleranz variiert von Frucht zu Frucht; lediglich einige Weidegräser werden durch zeitweise Beschattung in ihrem Wuchs stimuliert. Die Erträge werden aber nicht signifikant durch Schattenwurf beeinträchtigt, wenn die Systeme in Größe, Abstand und Sonnen-Ausrichtung angepasst sind.
Schon anhand dieses einen Faktors (unter zahlreichen weiteren denkbaren Faktoren) wird deutlich, dass Agroforstsysteme gut geplant werden müssen, was etwa die Auswahl der Arten, die Anzahl und Anordnung der Gehölze, die Pflegearbeiten an den Bäumen usw. betrifft. Schließlich wird so eine Anlage mehrere Jahrzehnte lang existieren – ja, vielleicht werden die Bäume erst von einer kommenden Bauern-Generation oder zur Aufstockung der Rente des Altbauern geerntet.
In bestimmten Situationen – etwa wenn die Bäume noch jung und ihre Wurzeln noch nicht tief sind – kann es zwischen den Gehölzen und den einjährigen Kulturen auch zur Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser kommen. Sowohl der Effekt der Zusatzdüngung als auch die Nährstoffkonkurrenz nehmen mit zunehmendem räumlichen Abstand von der Baumreihe ab. Das Design eines Agroforstsystems erfordert eine eingehende Beobachtung der örtlichen Gegebenheiten und nicht zuletzt auch viel Wissen: etwa um Schädlinge, die von manchen Bäumen auf Nutzpflanzen überspringen, oder auch darum, dass Bäume wie die Walnuss Stoffe in den Boden unter ihrer Krone einbringen, die bereits in geringer Konzentration die Keimfähigkeit von Konkurrenzpflanzen hemmen können.
Es gibt weitere mögliche Synergieeffekte: Auf Tierweiden können Bäume und Sträucher nachgewiesenermaßen Witterungs­extreme und sozialen Stress in der Herde mindern und damit die Tiergesundheit und die Zuwachsraten verbessern; in Costa Rica fand man heraus, dass Bäume auf Viehweiden die Milchleistung steigern. Die Düngung etwa eines Getreidefelds kann auch angrenzenden bzw. integrierten Gehölzen zugutekommen – und zugleich besteht die Gefahr, dass die Bäume durch den Einsatz landwirtschaftlicher ­Maschinen oder durch weidende Tiere Schäden erleiden. All dies macht erneut klar, dass Aufbau und Betrieb von Agroforstsystemen ein wohlüberlegtes Vorgehen bedingen. Die bereits mehrfach zitierte Studie bringt es auf einen formelhaften Nenner: »Wie die möglichen Interaktionen in einem Agroforstsystem sich auf den Flächenertrag auswirken, hängt von ihrer Summe ab. Überwiegt der Einfluss der positiven (negativen) Interaktionen, ist der Ertrag im Vergleich zu einer Monokultur höher (niedriger).« Die Summe der positiven und der negativen Interaktionen könne unter anderem durch eine gezielte Auswahl der Pflanzen in Mischkulturen beeinflusst werden. Das sei vor allem auf Standorten wichtig, auf denen Wachstumsressourcen wie Wasser und Nährstoffe nicht in unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen.

Hoffnung für Artenvielfalt und Menschenaugen
Der Begriff der Mischkultur bringt uns zu einem weiteren gewichtigen Vorteil der Agroforstwirtschaft, der noch nicht angeklungen ist: Der Bewuchs mit Gehölzstreifen wirkt nämlich nicht nur äußerst positiv auf das Mikroklima etwa eines Weizenfelds, sondern auch auf die Biodiversität des Orts und darüber hinaus. Biologen haben auf Agroforstflächen zahlreiche Insekten und Kleintiere gefunden, die auf gehölzfreien Vergleichsflächen nicht mehr vorhanden waren. Je mehr Habitate und Nischen ein Ökosystem bietet, je vielfältiger und ausgeglichener (d. h. »naturnäher«) es ist, desto größer ist seine Widerstandsfähigkeit gegen allerlei Bedrohungen – und davon profitieren in der Regel auch vom Menschen kultivierte Nutzpflanzen. Können sich beispielsweise insekten­jagende Vögel auf Bäumen im Feld niederlassen, kann die Population eines im Erstarken begriffenen Getreideschädlings rechtzeitig im Zaum gehalten werden.
Von den Bäumen, die zukünftig in den heute noch ausgeräumten Agrarwüsten wachsen, werden voraussichtlich nicht nur Vögel oder Schmetterlinge angezogen. Auch das menschliche Auge darf sich daran erfreuen! Die Aufwertung des Landschaftsbilds gehört zu den von Agroforstfreunden gerne aufgezählten Argumenten. Die Verfasser eines Artikels im Ithaka-Webjournal schreiben angesichts eines solchen Systems begeistert: »Man hat das Gefühl, als könnte man auf diesen Feldern aufatmen, spazieren, leben.«

In den Tropen und Subtropen sind Agroforstsysteme bereits weit verbreitet. Große Bäume liefern dort Holz und spenden Schatten, eine Ebene tiefer gedeihen zum Beispiel Bananen, darunter Kaffeesträucher und am Boden wachsen noch Bohnen. Auch Kombinationen mit Palmen oder Bambus sind möglich. Agroforstwirtschaft wird insbesondere in Gebieten, die natürlicherweise von tropischem Regenwald bewachsen sind, als ökologisch vorteilhaft gegenüber einer kompletten Rodung angesehen. Das ist freilich keine echte Alternative zu einem naturbelassenen Regenwaldsystem mit seinen unzähligen Elementen; aber es ist immer noch weitaus besser als eine Rodungsfläche, die nach einigen Jahren als Rinderweide zur Mondlandschaft erodiert. Ich denke, dass agroforstwirtschaftliche Systeme vor allem in bereits verwüsteten Gegenden ein riesiges Potenzial besitzen; hier sei auf die wunderbare Arbeit von Tony Rinaudo in der Sahelzone hingewiesen.
Doch auch in gemäßigten Breiten, wo die Landwirtschaft gleichfalls vor immensen ökologischen Herausforderungen steht, sind die Anwendungsmöglichkeiten gewaltig. Sollten nicht auch etwa in Mitteleuropa sämtliche Möglichkeiten zur Aufforstung wahrgenommen werden, um der globalen Bedrohung durch die Erdüberhitzung oder durch den allgemein immensen Humusverlust zu begegnen? Ich lebe im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern, einem Gebiet, in dem die Flurbereinigung der DDR-Agrarpolitik stark gewütet hat. Seinerzeit soll sogar die Nationale Volksarmee eingesetzt worden sein, um im Dienste des Betonsozialismus die Baumstümpfe riesiger Eichen aus den Feldern zu sprengen. Bis heute hat sich – zum großen ökologischen sowie sozialen Nachteil – die im Zuge der Kollektivierung geschaffene Agrarstruktur mit ihren oft riesengroßen Monokultur-Ackerschlägen erhalten. Die Vorstellung, dass diese mit Ackergiften und Kunstdünger traktierten Felder in Zukunft wieder von Hecken durchzogen und sogar von Baumreihen bestanden sein könnten, gibt mir auf meinen Spaziergängen Hoffnung.
Innerhalb der gemäßigten Klimazone sind moderne Agroforstsysteme vor allem in den USA und Kanada, in Neuseeland und Australien, in Teilen Chinas und gebietsweise auch in Europa verbreitet. Von diesen Ländern sind die USA und Kanada in der Forschung an modernen Agroforstsystemen am längsten aktiv. Das »World Agroforestry Centre« wurde schon im Jahr 1978 gegründet, um Forschung und Informationsaustausch zum Thema Agroforstwirtschaft zu fördern; es verfolgt das Ziel, zu Armutsreduzierung und Ernährungssicherung durch ökologisch angepasste Produktionsweisen beizutragen. In Europa wurden bislang vor allem in Großbritannien und in Frankreich Versuche zu Agroforstsystemen durchgeführt, in beiden Ländern gibt es entsprechende Forschungsanstalten. Frankreich hat bei der Praxis eine Art Vorreiterrolle für Europa eingenommen. Die Anbaufläche hat sich dort zwischen 2005 und 2015 verzehnfacht und beträgt nun etwa 100 Quadratkilometer, was der Größe von Paris entspricht. Die EU fördert Agroforstwirtschaft, doch Deutschland hat seine Gesetze noch immer nicht angepasst. Dies macht es willigen Landbesitzern in einer von Paragrafen und Subventionsprogrammen geprägten Agrarlandschaft leider sehr schwer. Fördermittel gibt es nur für landwirtschaftliche Flächen, und auf denen haben Bäume nach deutscher Definition nichts zu suchen. So könnte es hierzulande also noch ein Weilchen dauern, bis das gute Neue, das das Schöne mit dem Nützlichen verbindet, sich durchsetzt – schade um die vertane Zeit, bietet Agroforstwirtschaft doch eine vorzügliche Möglichkeit, vermehrt Bäume auch in hiesige Landschaften zu bekommen!
Doch es gibt durchaus auch Anlass zum Optimismus, ein Umdenken deutet sich an. So stellt das Bundesland Sachsen in einer aktuellen Publikation zu den Herausforderungen der Erdüberhitzung fest, dass »mehr Bäume auf den Äckern« vonnöten seien!



Erst lesen, dann pflanzen
Freiburger Studie: kurzlink.de/agroforststudie;

 weiterführende Links: 
www.agroforstkampagne.net,
www.agroforst.de
www.agroforst-info.de.

Download einer gut gemachten Broschüre zu Agroforstsystemen (kostenpflichtig): kurzlink.de/agroforstBroschuere

Lesenswerte Artikel:
www.ithaka-journal.net/agroforestry-–-die-ruckkehr-der-biodiversitat-in-die-traditionelle-landwirtschaft

www.deutschlandfunk.de/manuskript-ackern-unter-baeumen.740.de.html?dram:article_id=215803

»Wie Agroforstwirtschaft die Umwelt schützt« (Video von Arte TV, 16 Min.): www.youtube.com/watch?v=UGx-X-b9c2Y

Ein aktueller Vorschlag zur Verbesserung der rechtlichen Situation der Agroforstwirtschaft in Deutschland: kurzlink.de/agroforst-info

Buchtipp: Smith, J. Russell: Tree Crops – A permanent agriculture, 1929
Download: kurzlink.de/treecrops

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