BuchtippsTransformatives Organizing (Buchbesprechung)
von Elisabeth Voß, erschienen in Ausgabe #47/2018Mit »Transformatives Organizing« hat Eric Mann eine Anleitung und ein leidenschaftliches Plädoyer für den sozialen Wandel verfasst. Seine jahrzehntelangen Erfahrungen aus Bürgerrechtsbewegungen in den USA bündelt der 1942 geborene Autor zu einem Grundlagenwerk über den Aufbau politischer Organisationen von unten.
Er stellt das transformative Organizing in die Tradition der Sklavenbefreiung und Antiapartheidbewegungen weltweit, des Aufbegehrens gegen den Vietnamkrieg und zuletzt auch der Kampagne zur Wahlunterstützung für Barack Obama (die anschließende Enttäuschung über dessen Amtszeit verschweigt er nicht). Transformatives Organizing möchte die am meisten gesellschaftlich Ausgegrenzten befähigen, sich selbst gemeinsam für ihre Rechte einzusetzen, statt es andere stellvertretend für sie tun zu lassen. Letztlich geht es um Formen gewerkschaftlicher Organisierung in allen Lebensbereichen – nicht nur am Arbeitsplatz, sondern ebenso zum Beispiel bei Kämpfen für bezahlbare Bustickets und ausreichende Versorgung mit öffentlichem Nahverkehr.
Eric Mann beschreibt zuerst die inhaltlichen Bausteine der Methode, dann die Tätigkeiten in zwölf verschiedenen Rollen eines Organizers und einer Organizerin, und zuletzt sechzehn Fähigkeiten, die Menschen in so verantwortlichen Rollen sich aneignen sollten. Dabei geht es nicht darum, dass einige wenige Führungspersönlichkeiten sich qualifizieren. Die Bewegungen, die der Autor beispielhaft beschreibt, basieren auf Tausenden, die diese Organizing-Verantwortung übernehmen und immer neue Menschen ansprechen und motivieren, mitzumachen. Es geht um die bewusste und verbindliche Entscheidung für die Hingabe an eine gemeinsame Sache. Das wirkt fast ein wenig aus der Zeit gefallen, gleichzeitig angemessen angesichts der vielen Probleme von prekär Beschäftigten, die von gesellchaftlichen Diskriminierungen, zum Beispiel aufgrund von Geschlecht oder Herkunft, betroffen sind.
Die indische Wissenschaftlerin und Globalisierungskritikerin Vandana Shiva bezeichnet diese Fähigkeiten als »Lebensblut für die Demokratie, Menschenrechte, soziale und ökonomische Gerechtigkeit und das Überleben unseres Planeten«.
Manche Oya-Leserinnen und Leser mögen von der militärischen Sprache des Autors abgeschreckt werden. Er ruft jedoch nicht zur Gewalt auf, der körperliche Einsatz beschränkt sich ganz klar auf gewaltfreien Widerstand. Es geht immer darum, alle mitzunehmen, auch kritikfähig zu bleiben und aus eigenen Fehlern zu lernen. Der politische Gegner soll nicht vernichtet, auch nicht persönlich in beleidigender Weise angegriffen werden. Aber die Schwächeren sollen ihre Stimme erheben und ihre Rechte einfordern können.
Die revolutionäre Sprache im Vorwort zur deutschen Ausgabe mit der Zuspitzung auf Kritik am amerikanischen Imperialismus und an Israel hat mich nicht angesprochen. Wer trotzdem weiterliest, wird mit vielen Beispielen und Anregungen belohnt, aus denen soziale Verantwortung und Menschlichkeit sprechen und die in mir größten Respekt hinterlassen haben für diejenigen, deren oft verzweifelte Lebenssituation ich mir nicht annähernd vorstellen kann und die darin solidarisch um ihre Rechte kämpfen. Zum Nachdenken über gesellschaftsverändernde Praktiken finden sich reichlich Anregungen in diesem trotz allem sehr empfehlenswerten Buch.
Transformatives Organizing – Ein Handbuch
7 Bausteine, 12 Rollen, 16 Fähigkeiten.
Eric Mann
Neuer ISP Verlag, 2017
236 Seiten
ISBN 978-3899001518
19,80 Euro
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