Hinweise für eine insektenfreundliche Wiesenmahd.von Volker Croy, erschienen in Ausgabe #51/2018
Das Insektensterben der letzten Jahre und Jahrzehnte hat auch mit der Entwicklung von Rasenflächen in Klein- und Privatgärten sowie mit Silageherstellung in der Landwirtschaft zu tun, nicht nur mit Pestiziden und anderen Giften. Die folgenden Informationen können helfen, insektenfreundlichere Entscheidungen zu treffen.
In den letzten Jahrtausenden erfolgte die erste Wiesenmahd des Jahres in Mitteleuropa jeweils Anfang Juni, wenn das Gras trocknen konnte. Daran haben sich die Wiesenblumen, die Futtergrundlage vieler Insekten sind, angepasst. Sie blühen kurz vorher und bilden dann Samen. Zur Mahd Anfang Juni fallen diese dann aus und bilden die Grundlage für die Blumen im Folgejahr. Der zweite Schnitt des Jahres erfolgte Ende August/Anfang September. Auch hier wurde Heu für die Tierfütterung gewonnen, und auch zu dieser Zeit samten noch einige Pflanzen aus. Ein Problem für die an diesen Rhythmus angepassten Pflanzen ist heute, dass in der Landwirtschaft seit Jahren die Technik des Silierens – der Milchsäurevergärung ähnlich wie beim Sauerkraut – einzieht. Immer öfter sieht man die weißen Silageballen auf den Wiesen liegen. Das Gras muss dabei nicht zu Heu getrocknet werden, weshalb die Wiesen früher im Jahr gemäht werden können. Dadurch kommen die Wiesenblumen aber nicht mehr zur Aussaat, und die Wiesen bestehen nach einiger Zeit nur noch aus Gras, mit dem allerdings nur wenige Schmetterlinge und andere Insekten etwas anfangen können; die meisten sind sehr spezialisiert angepasst und finden nun in den Wiesen weder Futterpflanzen für ihre Raupen und Larven noch Nektarquellen für die eigene Ernährung. Hier helfen vor allem Blühstreifen und überzeugte Landwirte, die nach wie vor auf Heu setzen.
Aber auch auf städtischen Flächen sowie in Privat- und Kleingärten wird kein Heu mehr gemacht. Insekten werden dort sogar aktiv vernichtet – nicht mit Gift, sondern mit Rasenmähern. Die Kleintierhaltung ging in den alten Bundesländern seit 1945 nach und nach zurück. In den neuen Bundesländern vollzog sich der Rückgang hingegen plötzlich nach der Wiedervereinigung, weshalb dort die Auswirkungen deutlicher sichtbar sind. Urbane Wiesen, einst allesamt verpachtet und zum Heumachen für die Kleintierhaltung genutzt, werden jetzt von Großmähern gemulcht. Das geschieht – wie im Westen – möglichst zeitig im Jahr und möglichst oft, damit sich kein Bürger, keine Bürgerin an langen Grashalmen stören kann. Ähnliches gilt für Wiesenflächen in Privatgärten; diese werden so kurz gehalten, dass außer Gänseblümchen fast nichts blüht. Hauptsächlich werden Rotor-Rasenmäher eingesetzt. Deren Geräusch ist in Siedlungen mit Gärten zum alltäglichen Hintergrund-Krach geworden. Doch nicht nur die Lärmbelastung ist ein Problem.Der Rotormäher erzeugt einen Sog, der das Gras in den Auffangkorb werfen soll. Dieser zieht aber auch sämtliche Insekten aus dem Rasen, die gleich darauf von der Mähtechnik verstümmelt oder getötet werden – egal ob mit oder ohne Fangkorb. Schauen Sie sich die Graspampe an, die im Mäher klebt – das überlebt praktisch kein Insekt unbeschadet. Es gibt Städte, aber auch Vereine, die unbeabsichtigt Insektenvernichtungs-streifen anlegen: Man sät Blumenmisch-ungen, die Insekten zur Eiablage anlocken. Im Juni, wenn die Larven und Raupen in der Blumenwiese heranwachsen, wird per Rotormäher der gesamte Insektennachwuchs herausgesaugt. Was können wir tun? Überzeugen Sie doch den Nachbarn, Vereine und Kommunen, bei größeren Wiesenflächen mit Balkenmähern zu mähen. Diese schneiden auch langes Gras einfach ab und lassen es liegen. Es muss dann zwar in einem weiteren Arbeitsgang aufgenommen werden, doch fallen mit Balkenmähern weit weniger Arbeitsgänge an als mit Rotorrasenmähern. Letztere müssen weit öfters über die Wiesen fahren, da sie nicht bei langem Gras funktionieren. Bei kleinen Flächen im Garten hilft eine Sense, denn diese ist nicht nur insektenfreundlich, sondern auch leise und kostengünstig. Sensenkurse gibt es heute in allen größeren Städten, oder Sie fragen ältere Leute aus der Verwandtschaft. Wer geübt ist, kann mit der Sense das gleiche Schnittbild wie mit dem Rasenmäher erzeugen. Wenn Sie faul sind, können Sie auch eine Motorsense nehmen, das ist zwar immer noch laut und tötet Insekten, die Faden bzw. Klinge zu nahe kommen, aber alles ist besser als der Sog der Rotormäher. Das lange Gras können Sie zum Heumachen nutzen. Oder Sie lassen es wenigstens ein paar Tage liegen, damit es trocknet, die Insekten herauskriechen und noch Blumensamen ausfallen können. Wenn Sie die Mahd regelmäßig wenden, schimmelt sie nicht so schnell und kann als Heu verwendet werden. Mit dem (angetrockneten oder getrockneten) Schnittgut können Sie aber auch kompostieren oder mulchen; Mulchen spart Gießwasser und versorgt den Boden mit Humus. Wer die verbleibenden Samen sicher abtöten möchte, vergärt das Gras vor dem Einsatz auf dem Beet. Lassen Sie ein Stück Wiese für Wiesenblumen stehen, und säen Sie Blühmischungen ein. Besser wählen Sie dafür nicht die Angebote aus dem Garten- oder Baumarkt. Wenn die Mischung Zinnien oder Cosmea enthält, sind es keine Wiesenblumen und sie nützt den Insekten wenig. Optimal ist die Nutzung von Saatgut für »gebietseigene Wildblumen«. Es kann passieren, dass die Nachbarn sich beschweren, dass der Garten »verwildert«, nur weil Sie nicht alle zwei Wochen ihren Rasen mähen. Bei diesem Problem hat sich die Streifenmahd bewährt: Mähen Sie am Rand der Wiese zum Nachbarn einen Streifen ab, oder umrunden Sie die Wiese mit einem gemähten Streifen. Dadurch ist erkennbar, dass Sie mähen und dass es Absicht ist, das übrige Gras stehenzulassen. Das wirkt sich weit beschwichtigender aus als Erklärungsversuche allein. Bei größeren Flächen ist es auch möglich, dass sich gemähte und ungemähte Streifen abwechseln. Einzelne Gärten mögen für sich genommen eher klein wirken. Zusammen aber summieren sie sich zu riesigen Flächen, die beim Erhalt unserer heimischen Insektenvielfalt einen großen Unterschied ausmachen können.
Volker Croy hat einen Master of Science für Produktionsmanagement in Gartenbau und Agrarwirtschaft und führt seit 2011 ein Gartenbau-Ingenieurbüro für wissenschaftliche Beratung. Er gestaltet das Gartennetzwerk Dresden und mehrere Gemeinschaftsgärten aktiv mit und begleitet Projekte mit gartenbaufachlicher Expertise.