Warum die Seiten der Ausgabe 52 voller Gespräche sind.von Oya – Redaktion, erschienen in Ausgabe #52/2019
Diese Oya-Ausgabe ist auf eine ungewöhnliche Weise entstanden: Zusammen mit Mitgliedern aus dem Oya-Hütekreis (siehe Seite 7) haben wir mit Menschen, die Oya nicht kannten, Gespräche geführt – mit Menschen, die sich eher außerhalb der Kreise, in denen die Themen unserer Zeitschrift selbstverständlich sind, bewegen. So haben wir uns auf den Weg gemacht, die eigene »Blase« oder »Szene« zu verlassen. In einer Zeit, in der sich in der öffentlichen Debatte die nur denkbar gegensätzlichsten Meinungen manifestieren und in der mehr und mehr in sich geschlossene Denksysteme zu entstehen scheinen, halten wir das für ein wichtiges Forschungsfeld. Auch Oya hat über die Jahre ein besonderes Vokabular entwickelt, inzwischen wird »oya« sogar als Adjektiv verwendet. Haben wir – Redaktion und Leserschaft – uns also längst in einer eigenen Blase isoliert? Dabei war uns Offenheit in alle Richtungen von Anfang an wichtig! Jahrelang haben wir uns an dem Motto »Besser als ein Haufen Gleichgesinnter ist eine Gemeinschaft von Ungleichgesinnten« orientiert und Interviews oder Gespräche mit Menschen unterschiedlichster Ansichten geführt. Warum soll nun der Ansatz, dem wir in diesem Heft gefolgt sind, etwas Neues oder Ungewöhnliches sein? Diesmal treten wir einen großen Schritt zurück, stellen die eigenen Themen in den Hintergrund und hören vor allem zu. Alles kann gesagt werden. Wir wollen wissen, was Menschen wie dich und mich, Menschen aus unserem direkten Umfeld, umtreibt, wenn sie auf die gesellschaftlichen Herausforderungen und auf diejenigen ihres eigenen Lebens schauen. Können sie das verwirklichen, was ihnen wirklich, wirklich wichtig ist – und was sie glücklich macht? Diese Fragen haben wir in einer Telefonkonferenz von Hütekreis- und Redaktionsmitgliedern entwickelt. Wir sind damit zu Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung gegangen. Niemand hat versucht, eine in irgendeiner Weise außergewöhnliche Kandidatin zu finden. Es konnte der eigene Chef ebenso sein wie die eigene Mutter, der Nachbar, eine entfernte Bekannte oder die ehemalige Klassenkameradin. Als wir die ersten Ergebnisse lasen, waren wir leicht verunsichert. Unsere offene Herangehensweise ließ zunächst keinen roten Faden erkennbar werden. Würde sich unsere Leserschaft überhaupt für diese Gespräche interessieren? Was könnten wir mit ihnen gemeinsam aus diesen lernen? In zwei weiteren Telefonkonferenzen versuchten wir, uns einen Reim auf unser Experiment zu machen, und kamen schließlich zu der Erkenntnis, dass wir lediglich an Sie, liebe Leserinnen und Leser, eine Einladung richten können: Üben Sie mit uns die Kunst des Zuhörens, und lassen Sie die Gespräche auf sich wirken. Was berührt Sie, wo fühlen Sie Gemeinsamkeiten, wie gehen Sie damit um, wenn etwas auf Sie fremd wirkt oder Widerstände hervorruft? Lassen Sie sich vielleicht sogar dazu anregen, ein ähnliches Experiment zu wagen und auf eine Person in ihrem Umfeld zuzugehen, mit der sie sonst über den Zustand der Welt und den eigenen Antrieb zu handeln nicht sprechen. Mögliche Schlussfolgerungen aus dieser Ausgabe möchten wir gerne mit Ihnen gemeinsam ziehen – schreiben Sie uns an mitdenken@oya-online.de! Die Gespräche werden von Foto-Paaren begleitet, die ebenfalls von Mitgliedern des Hütekreises stammen. Sie folgten unserem Aufruf, ein Subjekt (oder Objekt) zunächst aus der einen und dann aus einer um 180 Grad gedrehten Perspektive zu fotografieren. Von der Metapher zweier einander gegenübersitzender Menschen ausgehend, erkunden die so entstandenen Fotos den Umstand, dass wir immer nur einen Ausschnitt der Welt wahrnehmen, der durch die Perspektive des Gegenübers ergänzt wird. Könnten wir einander intensiver zuhören, besser verstehen, wenn wir uns dieses Phänomens stets bewusst wären?