Die Initiative »Aufbruch – anders besser leben« hilft Menschen auf der Suche nach dem guten Leben, Gleichgesinnte zu finden.von Bobby Langer, erschienen in Ausgabe #7/2011
Immer mehr Menschen fragen sich, wie sie ihr eigenes Leben freudig und weltverantwortlich zugleich gestalten können. Organisationen allerdings, die diesen Fragen ein Forum geben, sind noch rar. Das Besondere an der Initiative »Aufbruch – anders besser leben« ist, dass sie die kleinen, alltäglichen Veränderungen im Persönlichen mit dem politischen Aufbruch verbindet. Gegründet wurde die Initiative im Jahr 2000 von Menschen aus dem christlichen Netzwerk für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, aus der Gemeinschaftsbewegung und der Tiefenökologie. Alle suchten nach einem Ansatz für ein Lebenskonzept, der folgende Bereiche umfassen sollte: → Vom viel Haben zum gut Leben – für ein nachhaltiges Konsumverhalten. → Von Konkurrenz zu Solidarität – für ein zukunftsfähiges Sozialverhalten. → Von materiellen zu spirituellen Werten – für eine ganzheitliche Geisteshaltung. Nach intensiven Diskussionen zu diesen Punkten wurde ein »Basistext« veröffentlicht. Doch ein Manifest allein kann wenig bewegen, der eigentliche Wandel geschieht durch die Begegnung von Mensch zu Mensch. Zum Beispiel in einer der über 25 Regionalgruppen der Initiative in ganz Deutschland. Mittlerweile ist ein buntes Netzwerk entstanden, das in seiner Vielfalt dem Regenbogensymbol der Initiative entspricht. Ich unternehme den Versuch, ein paar Facetten des Regenbogens einzufangen und befrage aktive Mitglieder der Initiative am Telefon.
Stimmen des Aufbruchs Bernd, den ich als Ersten anrufe, atmet erstmal kräftig durch: »Du schreibst einen Artikel über den ›Aufbruch‹? Das kann ja endlos werden …« Doch dann fasst er die Funktion der Aufbruch-Initiative zusammen: »Mir hilft der Aufbruch, mir der Kraft bewusst zu werden, mit der unsere Lebensweise die Welt verändern könnte.« Einer der Kernsätze im Basistext bringt nach seiner Meinung die Problematik auf den Punkt: »Wer politische Forderungen stellt, ohne sein eigenes Leben zu verändern, wird zum Heuchler; wer nur sein eigenes Leben verändert, ohne sich für politische Veränderungen einzusetzen, bleibt ein Träumer.« Es geht im Aufbruch um eine innere Haltung, die sich unterschiedlich äußern kann: Die einen tanzen und singen, andere organisieren einen Vortrag oder einen Workshop zur Gemeinschaftsbildung, dritte diskutieren philosophische Fragestellungen. Anna hat eine Aufbruchgruppe in einer Großstadt initiiert: »Die Menschen brauchen mich inzwischen nicht mehr. Sie organisieren ihre Treffen wunderbar alleine. Der Austausch in der Gruppe war für mich sehr fruchtbar, inzwischen suche ich konkretere Aktionen. Ich fühle mich momentan sehr zur Transition-Town-Bewegung hingezogen.« Für Alex spielt wie für viele andere Menschen im Aufbruch eine offene Spiritualität die ausschlaggebende Rolle für einen Wertewandel. Aus den Workshops der Tiefenökologin Joanna Macy habe er lernen können, den Schmerz um den Zustand der Welt zuzulassen, auszuhalten und schließlich umzuwandeln in Kraft für den »großen Wandel«. Diesen Prozess könne man aber schlecht nur für sich alleine vollziehen, deshalb seien Foren wie die Aufbruch-Gruppen wichtig. Die Initiative müsste sich deutlicher bemerkbar machen und strukturell wachsen. Den meisten der angerufenen Aufbruch-Mitgliedern geht es um »ihre« Gruppe. »Es bedeutet mir viel, Menschen zu treffen, die sich damit auseinandersetzen, welche Werte im Leben wichtig sind«, erzählt Mia. Sie schätzt die Vertrautheit wie die Unterschiede. »Nur um mit Gleichgesinnten zusammenzusein, bräuchte ich nicht dorthin zu gehen.« In derselben Gruppe treffen christliche Umweltaktivisten auf sozial engagierte Atheisten, anthroposophische Friedensarbeiter auf buddhistische Sozialunternehmer. Viele sprechen von ihrer Aufbruch-Gruppe als einer »Familie«, von einem »gemeinsamen Bewusstseinsfeld«, das die Initiative in die Welt bringt. Selbst durch das Telefon wird dieses Feld für mich spürbar. Der Aufbruch ist ein kleiner Teil eines noch größeren gesellschaftlichen Felds. Wie an vielen Orten gehen hier Menschen mit Haut und Haar, Kopf, Herz und Hand ihren eigenen Weg in die Zukunft. Sie sind wie Hefe im Teig des großen Wandels.