Den »Coin« gibt es seit dem Jahr 2007. Inzwischen konnten sich 120 Gewerbetreibende im rheinländischen Ruhrgebiet dafür begeistern. Aber die Initiatorengruppe will mehr realisieren.
Im Herbst 2010 waren die zehn Gelderfinder, die in Nordrheinwestfalen die Währung »Coin« in die Welt gesetzt haben, an einem Wendepunkt angekommen. Es genügte ihnen nicht mehr, ihre Energie in die Gewinnung neuer Mitglieder zu stecken. Dabei hattten sie durchaus Erfolg. »Manche Unternehmer in unserem Netzwerk generieren bis zu 60 000 Euro Umsatz mit Coin im Jahr, andere ein paar hundert. Einige machen im Business-to-Business-Bereich bereits 100-Prozent-Coin-Geschäfte, z. B. ein Computer-Großhändler und seine Einzelhandelspartner«, berichtet Peter Krause-Keusemann, der den Coin mitkonzipiert hat. Aber er klingt nicht so, als hätte er sein Ziel erreicht. Er will mehr als ein Marketing-Instrument für regionale Fachhändler. Aus diesem Impuls entstand eine Genossenschaft namens »Coinstatt«, ein Kooperationsring für solidarisches Wirtschaften und anderes Geld, der nicht lokal auf das Ruhrgebiet begrenzt ist. »Wir entwickeln zum Beispiel eine von Banken unabhängige Spar- und Leihgemeinschaft, in die viele Menschen einen kleinen Beitrag einlegen, um daraus den Mitgliedern eine zinsfreie Liquiditätshilfe zu geben. Dabei soll sowohl in Euro als auch in Coin oder anderen Regiowährungen gerechnet werden. Wer einen Kredit aufnimmt, kann ihn auch abgelten, indem er eine Leistung innerhalb des Kooperationsrings einbringt, die wiederum in der Coin-Währung vergütet wird.« Dieses Prinzip soll den Komplementärwährungen im Ring einen deutlichen Schub versetzen. Die Zukunft komplementärer Währungen sieht Peter Krause-Keusemann weniger in mit Marken beklebten Gutscheinen, sondern in der elektronischen Abwicklung: »Ich kann mir Modelle vorstellen, bei denen sich die Beteiligten bei Bedarf selbst Gutscheine ausdrucken, und das wird dann mit elektronisch geführten Konten verknüpft.«
Lernprozesse fördern Ein Knackpunkt, mit dem sich Gelderfinder herumschlagen, ist die Regulierung der Geldmenge. Es darf nicht mehr in Umlauf kommen, als zur Suffizienz des Wirtschaftsnetzwerks notwendig ist. »Die erste Lösung ist eine Gebühr, die verlangt wird, wenn der Kontostand eine gewisse Höhe erreicht hat. Sie fließt an die Stelle zurück, die die Währung ausgibt, und der Kontostand schmilzt ab«, erklärt Peter Krause-Keusemann. »Die andere Möglichkeit durchdenken wir gerade mit einer Unternehmensgruppe: Sie wird eine Komplementärwährung an ihre Kundinnen und Kunden herausgeben, die das Geld auch untereinander zirkulieren lassen, und wenn Produkte des Unternehmens damit bezahlt werden, fließt das Geld wieder zum Ausgangspunkt zurück und ›verschwindet‹. Größer gedacht, wäre die Regelung der Geldmenge eine Aufgabe für einen bürgerschaftlichen Rat. So war es auch mit der legendären Regionalwährung von Wörgl.« Aber damit so etwas in der Breite gesellschaftlich diskutiert wird, müssen die Modellprojekte stärker wachsen. Peter Krause-Keusemann sieht einen langen Zeitbogen vor sich, in dem komplementäre Währungen eine »Brückentechnologie« unter vielen auf dem Weg in eine andere Gesellschaft sind. Zusammenschlüsse wie Coinstatt könnten vielleicht als »Sicherheitsnetze« wie für Artisten im Zirkus Menschen in Krisenzeiten auffangen. Ob eine zukünftige Gesellschaft überhaupt noch Verrechnungs-Einheiten braucht, ist für ihn eine offene Frage. Als Grundimpuls des Wirtschaftens sieht er das »Ermöglichen«: »Wenn ich von jemandem einen Bund Möhren bekomme, will ich ihm ermöglichen, wieder Möhren anzubauen. Auf welche Weise das passiert, ist zweitranging.« Um hier neue Ideen zu fördern, haben die Coinstatt-Macherinnen und -Macher ein Mitmachbuch mit Spielen und einfachen Übungsanleitungen entwickelt. Für Interessierte, die tiefer einsteigen wollen, bieten sie einen Fernlehrgang für Komplementärwährungen an. In Zukunft möchte Peter Krause-Keusemann den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Vernetzung von Aktionsfeldern wie Komplentärwährungen, Tauschkreise, Umsonst-Ökonomie, solidarisches Wirtschaften, soziales Bankwesen, Grundeinkommens- und Transition-Town-Bewegung legen. 2012 soll dazu in Leipzig die Konferenz »fairventure« stattfinden. »Die Herausforderung für alle aktiven Menschen in diesen Feldern ist die sinnvolle Orchestrierung all der verschiedenen Aktivitäten.« Die Schwierigkeit: Das Orchester der alternativen Bewegungen kann keinen Dirigenten haben. Es muss die Kunst der gemeinsamen Improvisation, des Aufeinander-Hörens lernen.