Commonie

500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land

»Der Kapitalismus scheint unausweichlich – so wie einst das Gottgnadentum der Könige.«
– Ursula K. Le Guin
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© Frey und bunt: Die Regenbogenflagge geht auf die Mühlhauser Aufständischen von 1525 zurück. (c) Wikimedia Commons

Die Historikerin und Ökonomin Friederike Habermann spannt einen Bogen von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Protesten zu den Bauernkriegen als Reaktion auf die Einhegung der Allmende, deren Beginn sich zum 500. Mal jährt.

Wenn ich mal wieder schlaflos überlege, was notwendig ist, damit es gut werden kann, dann ist alles da: die Jetztzeit, aber auch die seit mehr als einem halben Jahrtausend andauernden Widerstände gegen die Einhegung der Allmende.

Millionen Menschen gehen derzeit gegen rechtsextreme Ideologien und Taten auf die Straße, überall im Land, in großen wie in kleinen Städten – bestimmt auch viele von euch, liebe Lesende! Das ist eine kraftvolle Demonstration, die nicht andauern muss, um bedeutend zu sein – Demonstrieren ist, wie etwas zu sagen: einmal gesagt, gilt das Wort. Doch wenn es gilt, dann müssen Worten auch Taten folgen. Das gilt für Menschen in politischen Ämtern: Wer auf Demos gegen »Remigration« auftritt und im gleichen Atemzug eine menschenverachtende europäische Grenzpolitik beschließt, die das Recht auf Schutz vor Krieg und Vertreibung aushöhlt, handelt zynisch. Das gilt aber auch für uns alle. Um es mit den Worten auf einem der vielen hochgehaltenen Pappschilder zu sagen: »Lebe so, dass es der AfD nicht gefällt!«

Derweil blockieren Menschen aus der Landwirtschaft mit Treckern die Straßen, aufgebracht durch den Wegfall staatlicher Diesel-Subventionen. Viele rufen: »Die Ampel soll weg!« Tja, und dann? Die AfD wird’s nicht richten, ist sie als neoliberale Partei doch grundsätzlich gegen Subventionen. Wir alle leben davon, dass Menschen sich um den Acker kümmern, säen und ernten – wie also lässt sich bäuerliche Landwirtschaft jenseits des Markts neu organisieren, um mehr Ernährungssouveränität für alle zu ermöglichen?

Weit weniger sichtbar ist eine kleine Gruppe, die sich derzeit unter dem Motto »500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land« formiert. 1525 jährt sich zum 500. Mal die Niederschlagung des – auch durch andere Berufsstände getragenen – »Bauernkriegs«. Der Theologe Thomas Müntzer, Anführer des Aufstands im thüringischen Mühlhausen, »gestand« kurz vor seinem Tod unter Folter, es sei darum gegangen, dass »einem jeden nach seiner Notdurft ausgeteilt werde, nach Gelegenheit«. Oder wie wir heute sagen würden: Allen nach ihren Bedürfnissen! Letztlich fand 1525 die für den deutschsprachigen Raum finale Zerstörung der sozialen Bewegungen im Ringen um die Commons statt. 1525 markiert einen Wendepunkt hin zu Privateigentum und gesellschaftlicher Durchdringung mit der kapitalistischen Logik des Tausches und des Immer-Mehr.

500 Jahre. Wie lange sollen wir noch auf bessere Zeiten warten? Nein, wir wollen überhaupt nicht warten, sondern zu direkten Aktionen greifen. Uns von der Logik des Kapitalismus lösen. Uns verbünden. Unsere Beziehungsweisen wachsen lassen, hin zum guten Leben für alle.

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