Commonie

Guter Humus für den Aktivismus sein

»Das Wichtigste in einer Welt der Trennung ist, uns miteinander verwandt zu machen.«
– Donna Haraway
von Karim Dillhoefer, erschienen in Ausgabe #78/2024
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© oya-online.de / Verwandtschaftsbande: Karim Dillhoefer (3. v. l., hinten) mit einigen seiner »Mit-Fuchsis« an der nordhessischen Fuchsmühle.

Karim Dillhoefer, Mit-Gründer der Waldkappler Fuchmühle und ehemaliger Sprecher der Letzten Generation, beschreibt aus seiner eigenen Biografie heraus, wie Aktivismus und Commoning ineinander greifen können und damit Einbettung an einem konkreten Ort ermöglichen.

Ich lebe in der Fuchsmühle im nordhessischen Waldkappel, wo ich mich tagtäglich im Gemeinschaffen übe. Und ich habe das Presseteam der »Letzten Generation« mitkoordiniert. In beiden Fällen organisier(t)e ich mich mit Anderen dafür, in einer Welt zu leben, die anders ist als jene, die wir derzeit kennen. Zwei Abzweige aus der zivilisatorischen Einbahnstraße des fossilen Kapitalismus. Beide getrieben vom radikalen Gefühl einer Generation von Menschen, dass es so nicht weitergehen kann.

Bei der Letzten Generation haben wir Weihnachtsbaumspitzen abgesägt, Glasscheiben vor Gemälden mit Kartoffelbrei beworfen, Flughäfen blockiert, Ölleitungen abgedreht und uns auf viele, viele Straßen gesetzt und geklebt. Wir haben viel dafür gegeben, unsere Gesellschaft zu verändern. Lange habe ich das nicht durchgehalten.

In der Fuchsmühle renovieren wir Gebäude, legen Gärten an, teilen uns Einkommen und Ausgaben, kümmern uns gemeinsam um die Kinder und pressen Saft aus Streuobstwiesenäpfeln. Auch wenn manche das anders sehen: Aus meiner Perspektive machen wir hier keinen Aktivismus. Wir machen uns miteinander verwandt. Damit bin ich nicht allein. Anfang April nahm ich in Klein Jasedow an einem Treffen einer Handvoll gemeinschaffender Orte teil, für die ich ähnlich verwandtschaftliche Gefühle empfinde.

Commoning, also dieses Sich-miteinander-verwandt-Machen, ist der Humus meines Lebens. Mit meinen »Mit-Fuchsis«, wie wir einander in der Fuchsmühle nennen, fühle ich mich in meinem Leben eingebettet und geschützt. Wir kümmern uns umeinander und schaffen viele Grundlagen unseres gemeinsamen Lebens selbst. Wir sind die Regenwürmer und Einzeller im Humus des Gemeinschaffens – wir leben davon und leben darin. Das ist lebendiges Durch-Einander und ein Prozess langsamer Transformation an einem konkreten Ort auf der Erde.

Beim Aktivismus hingegen hatte ich keine Zeit, Humus aufzubauen. Er war wie der Versuch der Eichen, in schwierigen Jahren besonders viele Eicheln abzuwerfen, so dass weiterhin Hoffnung auf einen Fortbestand der Art besteht. Aktivismus ist meiner Erfahrung nach immer überfordernd, aufzehrend, zermürbend, weil er sich mit dem gesamtgesellschaftlichen Status-Quo anlegt. Aktivismus ist einemZumutung für alle Beteiligten.

Beides möchte ich ehren: Commoning und Aktivismus. Ich habe höchsten Respekt, Dankbarkeit und Wertschätzung für Menschen, die sich bei ihrem Einsatz für das (all-)gemeine Gut Repressionen, Anfeindungen und krassem Stress aussetzen. Für mich ging der Weg von den Commons in den Kampf und zurück. Nach meinem Teil-Burnout bei der Letzten Generation konnte ich sicher sein, in der Fuchsmühle einen Platz zu haben, wo ich zu Hause bin und Regenwurm sein darf.

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