Es begann als Aufgabe in einem Studiengang für Kommunikationsdesign und entwickelte Eigendynamik: die Gründung eines Ministeriums für Glück.von Anja Humburg, erschienen in Ausgabe #21/2013
Unbedingt steigerbar, sagen die Mannheimer Studenten Gina Schöler und Daniel Clarens. Sie wollen »die Autopiloten in uns abschalten« und den »inneren Einzelkämpfer überwältigen«. Nach dem Vorbild des kleinen Lands Bhutan haben sie das Ministerium für Glück und Wohlbefinden ins Leben gerufen. Es steht für Bewusstsein, Reduktion und Zufriedenheit. Die erste Amtshandlung des Ministeriums war die Einführung des Glückstags: 50 Menschen picknickten Mitte Mai auf dem Berliner Alexanderplatz, bliesen Seifenblasen in den blauen Himmel, tanzten Kontaktimprovisationen und verteilten Glückskekse an die Beamten vom Ordnungsamt, die diese experimentelle Straßenaktion schließlich doch wohlwollend begutachteten. »Wir mussten auf den Rollrasen verzichten, weil man uns keine Sondernutzungserlaubnis dafür erteilte«, wundert sich Gina Schöler über die Behörden. Ein Flashmob wie dieser passt auf kein Formular. Öffentlichen Raum zurückzuerobern, hatte sie sich leichter vorgestellt. Die 26-Jährige studiert Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim. Bei einem Kampagnen-Seminar erhielten sie und ihre Kommilitonen den Auftrag, mit ihren visuellen Fähigkeiten einen Wertewandel gegen die allgemeine Unzufriedenheit in der Gesellschaft anzustoßen. So entstand die Idee, eine Glücksinstitution zu schaffen. »Ob das Ministerium eine provozierende, aufweckende Metapher bleibt oder sogar real wird, wird sich zeigen«, erklärt die Grafikdesignerin. Manege frei für das Spiel mit den bürokratischen Tugenden dieses Lands! »Glück kann man nicht von oben verordnen. Das Ministerium kann aber Impulse liefern«, ist sich Gina Schöler gewiss: »Ein Glücksminister sollte sein Amt leben und lieben, bürgernah und auf den Straßen unterwegs sein.« Mit Blick nach Bhutan, das zwischen Nepal, Bangladesch und China liegt, hält Gina Schöler das Projekt für »gar nicht so utopisch«, seit sie mit Staatssekretär Karma Tshiteem gesprochen hat. Er ist Mitglied der nationalen Glückskommission, die Bhutans König 2008 einführte. Seither wird dort jede politische Entscheidung einem Glücks-Check unterzogen. Die Kommission fragt die Bevölkerung nach ihrem Glücksbefinden und misst den Wohlstand des Landes nicht mittels Wirtschaftswachstum, sondern per Bruttonationalglück. »Herr Tshiteem sagte mir: ›Lass die Leute ruhig lächeln. In 50 oder 100 Jahren werden sie es ernstnehmen‹.« Er muss es wissen, reist er doch um die Welt, um mit den Menschen aller Länder über Glück zu sprechen. Trotz der frohen Botschaften aus Asien darf nicht vergessen werden, dass viele Beobachter das Königreich Bhutan für seine essenziellen Demokratiedefizite kritisieren.
Glückskekse und Wachstumskritik Bevor in Deutschland die erste Glücksministerin ernannt wird, verschicken Gina Schöler und Daniel Clarens Glückspakete. »Wir bekommen auch Bestellungen aus dem Bundestag«, sagt sie freudig. Tagelang hat sie Glückskekse gebacken und Girlanden mit Glücksbotschaften gebastelt. Neuerdings erfrischt sie die Diskussion mit einem Glücksspiel. Es enthält 50 Aktionskarten zur Glückssteigerung. Darauf steht: »Spendiere beim Bäcker einer beliebigen Person einen Kaffee.« Oder »Lasse eine dir fremde Person im Supermarkt einfach so vor dich.« Nach dem Schneeballprinzip sollen die Karten weiterverschenkt werden, 3000 Stück sind in Umlauf. Das Glücksministerium setzt im Hier und Jetzt an, will aber auch zeigen, dass mit ein bisschen mehr Freude im Alltag längst nicht alles getan ist. Schließlich gehört auch das Prinzip »Reduktion« zu seinem Programm, und die Frage, ob weniger auch mehr sein kann, hat es in sich. Mit Filmvorführungen, Glücksworkshops an Oberstufen und einer wissenschaftlichen Evaluation steigen die Initiatoren tiefer in die Auseinandersetzung mit dem guten Leben ein. Sie befragen Bundestagsabgeordnete wie Daniela Kolbe oder Gerhard Schick, Kinder in einem Märchenpark und Passanten auf der Straße. Unterstützt werden sie von Glücksexpertinnen, Kabarettisten und Wachstumskritikern. Was als völlig unpolitische Studienleistung begann, surft nun oben auf der Glückswelle zusammen mit Transition-Town-Gruppen, der Urban-Gardening-Bewegung und vielen anderen Projekten des Wandels.