TitelthemaTechnik für uns
Oya-Herausgeber Johannes Heimrath sprach mit dem Mobilitätsexperten Andreas Manthey und dem Wachstumskritiker Daniel Constein über enkeltaugliche Technik.von Johannes Heimrath, Andreas Manthey, Daniel Constein, erschienen in Ausgabe #24/2014Johannes Heimrath Andreas, Daniel, ich freue mich, dass wir hier in der Bibliothek des Wissenschaftsautors Marco Bischof unser Gespräch über Technik führen dürfen. Oft wird gesagt, dass wir die Technik in Richtung Nachhaltigkeit »umbauen« müssten. Dahinter steht das Bild, dass die Welt so etwas wie eine riesige Maschine sei, aus der wir ein paar schädliche Bauteile herausnehmen, sie neu konstruieren und wieder hineinschieben könnten. – Vielleicht steht etwas ganz anderes an als ein Umbau? Über diese Frage möchte ich heute mit euch sprechen. Womit beschäftigt ihr euch gegenwärtig?
Andreas Manthey Mein Schwerpunkt ist Mobilität. Ich habe Fahrzeugtechnik studiert, und meine erste Stelle hatte ich in einem Studienreform-Projekt »Fachübergreifendes Innovationslernen«. Dort haben wir schon 1998 Lastenfahrräder auf Elektro-Antrieb umgerüstet und eine Unterwasserturbine aus dem Buch »Freie Energie« von Jeane Manning nachgebaut. Die haben wir dann im großen Umlauftank der TU Berlin getestet. Über die Organisation von Ausstellungen für Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien bin ich immer mehr in diese Themen hineingewachsen. Seit ein paar Wochen bin ich wieder an der TU Berlin im Projekt »EUREF-Campus«, das am ehemaligen Gasometer Schöneberg neue Bürogebäude entstehen lassen will, die zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden – und zwar durch eine Kombination von Solar- und Windkraftanlagen, einem Blockheizkraftwerk mit Biokraftstoffen, einer großen Batterie und auch Elektrofahrzeugen. In diesem Rahmen arbeite ich für einen Technologie-Salon an einem Umbau-Szenario für unsere Energieversorgung, um ins 100-Prozent-erneuerbare-Zeitalter zu kommen. Inzwischen habe ich an die 100 wissenschaftliche Studien gelesen, um dieses Szenario entwerfen zu können.
Daniel Constein Ich bin aktuell an der Universität Oldenburg im Fach »Sustainability Economics and Management« eingeschrieben. Wenn ich das Freunden oder auch meiner Oma gegenüber beschreibe, sage ich immer »Volkswirtschaft mit Umweltschwerpunkt«. Mein erstes Bachelorstudium habe ich in Cottbus zu Umwelt- und Ressourcen-Management absolviert. Nach sechs Semestern und einem Auslandsjahr in China hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt zwar viel über Umweltprobleme weiß, aber keine Lösung dafür parat habe. Ein Vortrag des Ökonomen und Wachstumskritikers Niko Paech hat mir dann gezeigt, dass die Nachhaltigkeitsfrage eine tiefere Dimension hat als nur die andere, angeblich umweltfreundliche Technik. Deshalb bin ich ihm nach Oldenburg gefolgt, wo es diesen interdisziplinären, wirtschaftswissenschaftlich orientierten Masterstudiengang zum Thema Nachhaltigkeit gibt. Außerdem bin bei Bündnis 90/Die Grünen aktiv und versuche dort, das Thema Wachstumskritik nach vorne zu bringen. Mein Hauptprojekt ist im Moment die Mitarbeit an der Organisation einer internationalen Konferenz zu Wachstumskritik – der »Degrowth 2014«, die im September in Leipzig stattfinden wird.
JH »Degrowth« bedeutet übersetzt »Schrumpfung« – das ist kein attraktives Wort, deshalb hat sich dieser seltsame Begriff »Postwachstum« eingebürgert. Aber ich möchte mit dem Schrumpfen spielen. Es ist leicht zu sagen: Lasst uns alles auf das Wesentliche schrumpfen. Aber allein welche unendlichen finanziellen Probleme entstehen würden, wenn nur ein Teil der Konsumgüterindustrie wegfiele, ist im jetzigen Wirtschaftssystem gar nicht vorstellbar.
AM Ich versuche, das auf Elektrofahrzeuge zu übertragen. Da werden in der Automobilindustrie Benzinautos mit einem anderen Antrieb versehen. Irgendwie ist allen klar: Hier ein bisschen Wachstum abschneiden, dort ein bisschen Technik anpassen – das kann es nicht sein! Meine Idee ist eher zu fragen: Welche Technik, welche Gegenstände, welche Produkte brauchen wir denn, um ein gutes Leben zu führen? Brauchen wir ein Auto oder ein sinnvolles Mobilitätsinstrument? Bei Licht betrachtet, brauchen wir gar nicht viel: Wir brauchen ein Dach über dem Kopf, wir brauchen Lebensmittel, und ab und zu wollen wir uns auch fortbewegen.
JH Damit hast du implizit nicht nur die Frage gestellt, wie ich Mobilität funktional anders denken kann, sondern auch die Frage, wieviel Mobilität überhaupt erforderlich ist. Das ist auch ein Degrowth-Gedanke.
DC Dieser Gedanke geht ja letztlich davon aus, dass unsere Ökosysteme begrenzt sind. Vor einigen Jahren hat das Stockholm Resilience Center wissenschaftliche Untersuchungen zu diesen »planetaren Grenzen« angestellt. Obwohl manche bereits gefährlich weit überschritten worden sind – etwa im Bereich der Biodiversität oder beim Klima – und der Planet ganz klar kein grenzenloses Wirtschaftswachstum verträgt, sind die Gedanken zur Ausgestaltung einer Postwachstumsökonomie noch sehr vage. Gäbe es da noch Währungen oder Arbeitsmärkte, wie wir sie heute kennen? Wie sähen die sozialen Sicherungssysteme aus und wie würden sie finanziert, wenn wir, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, tatsächlich weniger Finanzkraft in der Gesellschaft hätten?
JH Ist das nicht genau der Haken? Wir gehen von dem System aus, das heute existiert, das zum Beispiel von einer Finanzindustrie abhängig ist. Lässt sich dort überhaupt eine Reform ansetzen?
DC Oft wird gefragt: »Braucht man die Revolution, oder eine Reform des Systems von innen?« Die gesellschaftlichen Systeme und das individuelle Leben hängen zusammen, und zwar durch Praktiken. Ich tue etwas, damit sehen es andere, es reproduziert sich, und gleichzeitig wird es auch durch die Regeln der Gesellschaft beeinflusst. Andreas, weil wir jetzt von der Automobilindustrie gesprochen haben – da interessiert mich deine Perspektive. Du hast gesagt, dass wir nicht unbedingt ein Auto brauchen, sondern eben ein Mobilitätsinstrument. Was wären für dich sinnvolle Fahrzeuge?
AM Das eine ist, Fahrzeuge umweltfreundlicher zu gestalten, auch in der Herstellung. Das andere ist, sie anders zu nutzen. Die jüngere Generation ist gar nicht mehr so scharf darauf, ein Auto zu besitzen – was zum Beispiel dazu geführt hat, dass in Berlin inzwischen 15 Carsharing-Unternehmen ansässig sind. Ich war 1991 Mitglied bei »Stattauto«. Da haben wir noch unsere eigenen Autos mitgebracht! Müssen wir also Transportmittel als Eigentum haben, oder reicht es, wenn sie uns ab und zu zur Verfügung stehen?
DC Andere Nutzungsweisen würden zu anderen Anforderungen an Autos führen. Eine Firma, die in Hinblick auf Carsharing ein Auto produziert, hat auf jeden Fall ein langlebiges, reparierbares Produkt im Auge, vielleicht auch eines, in dem gar nicht mehr selbst gefahren wird, sondern das dich nur noch von A nach B bringt. Sobald du die Nutzungsperspektive hineinbringst, verändert sich alles drumherum, auch die Technik.
JH Die Steuerung solcher automatisierten Fahrzeuge erfordert eine ausgeklügelte Informationstechnik. Das Beispiel bringt den Rebound-Effekt zum Vorschein: Wir entwickeln etwas, das scheinbar weniger Ressourcen verbraucht als das Vorgängermodell, bauen aber drumherum einen neuen Industriezweig auf, der alle Einsparungen wieder auffrisst. So findet noch kein Schrumpfen statt.
AM Ob du ein Carsharing-Fahrzeug mit ein bisschen IT-Infrastruktur von zehn Menschen benutzen lässt oder ob die alle in zehn eigenen Autos umherfahren, ist doch ein großer Unterschied!
DC IT-Infrastruktur ist aber mehr als ein kleiner Chip. Ich habe kürzlich gelesen, dass der weltweite CO2-Ausstoß des Internets einschließlich der Serverparks, die da noch im Hintergrund stehen, ungefähr den Emissionen, die der weltweite Flugverkehr verursacht, entspricht. Und die Tendenz ist steigend.
Ich finde es spannend, dass wir Mobilität heute im allgemeinen als etwas Positives begreifen. Es gab auch mal eine Zeit, in der Mobilität anstrengend war, ein notgedrungenes Übel.
JH Ja! »Muss i denn zum Städtele hinaus« – das Lied besagt, dass Reisen auch mit Leid verbunden ist.
AM »Muss i net« – denn heute kann ich ja skypen.
DC Obwohl wir alle skypen können, wird uns Studenten nahegelegt: Ihr müsst mobil sein, das ist Ziel eines Lebensentwurfs. Mindestens ein Drittel, wenn nicht sogar die Hälfte der Studenten verbringt ein Semester im Ausland. Meistens fliegen sie dorthin.
AM Ich frage mich, ob wir das problematisch fänden, wenn Flugzeuge aus erneuerbaren Materialien bestehen würden, am Ende ihres Lebens zu hundert Prozent recycelt werden könnten, keine Abgase ausstoßen und mit erneuerbaren Energien fliegen würden.
JH Das ist der Punkt, von dem Michael Braungart mit seinem »Cradle-to-cradle«-Konzept ausgeht. Ist das Science-Fiction, oder können wir uns ein Flugzeug aus essbaren Materialien, die am Schluss wieder Dünger für die Erde oder durch Upcycling andere, wertvollere Materialien ergeben, tatsächlich vorstellen?
AM Wenn es einen Grund gäbe, so etwas zu entwickeln, würde die Industrie das tun. Es gibt ein Flugzeug, dessen Tragflächen mit Solarzellen belegt sind, und das kannst du, wenn es nicht in den Schatten gerät, 24 Stunden am Tag um die Welt fliegen lassen.
DC Die Perspektive, die du jetzt einnimmst, ist die Konsistenz-Perspektive. Es gibt die drei großen Nachhaltigkeitsstrategien: »Mach mehr aus weniger!« – die bezieht sich auf Effizienz; »Mach dasselbe, nur grün und umweltverträglich!« – da geht es um Konsistenz; und eben die Suffizienz-Perspektive, die ich gerade angesprochen habe: »Mach insgesamt weniger, und erfülle trotzdem den Bedarf!«
AM Was ist denn das größte Problem beim Fliegen? Die Abgase, die wir schon durch einen Hybrid-Antrieb erheblich reduzieren könnten? Oder die verwendeten Materialien, und dass am Ende der Lebensdauer 100 Tonnen Müll stehen? Es gilt herauszufinden, wo die größten Stellschrauben sind, an denen wir drehen müssten.
DC Aus einer Ingenieursperspektive ergeben diese Überlegungen Sinn, aber mir scheint, sie sind von einer Vision technischer Machbarkeit beseelt, die sich letztlich als Illusion erweisen wird. Wie soll denn die ganze Informationstechnik in einem Flugzeug aus erneuerbaren Ressourcen hergestellt werden? Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber es scheint mir der anstrengendere Weg im Vergleich zur eleganten Lösung, die die Änderung unserer Bedürfnisse implizieren würde. Deswegen: Warum fliegen wir überhaupt?
JH Andreas, vor einigen Jahren haben wir darüber nachgedacht, ob wir mit deiner Hilfe für den Lassaner Winkel eine lokale Elektromobil-Produktion aufbauen sollten. Wir hatten die Idee, das Fahrgestell des Citroën Méhari von unseren Schlossern mit Aufbauten versehen zu lassen, und überlegt, wie sich Kupfer und Stahl recyceln ließen. Inzwischen frage ich mich aber, ob Elektroautos für den Lassaner Winkel wirklich sinnvoll wären.
DC Das heißt, ihr habt, anstatt über Technik zu forschen, zunächst über Bedürfnisse nachgedacht. Welchen Prinzipien müssten Ingenieure folgen, um eine Technik zu entwickeln, die nachhaltigen Lebensstilen dient, anstatt nur Konstruktionen zu verbessern, die in der Automobilindustrie für Weiterentwicklungen sorgen und deren Einsparungspotenziale der Rebound-Effekt wieder auffrisst?
Ich denke gerade an Ivan Illich, der schon in den 1970er Jahren kritisch über Technik, über unsere autobasierte Mobilität, geschrieben hat. Eines seiner Kriterien für Technik war die Frage: Erhöht es die Freiheitsgrade für alle Menschen, wenn sie entwickelt wird? Dies sollte auch eine Leitfrage für Entwicklungen jenseits der Industrie sein. Da gibt es diese cleveren Tüftler von Wikispeed – einem globalen Kollektiv, das mit den hierarchisch diktierten Entwicklungszyklen der Autoindustrie nicht einverstanden war. Entstanden ist durch ihre Kooperation ein Rennauto! Offenbar hatten die Menschen in diesem Team nicht das Bedürfnis, Mobilität selbst neu zu denken. Mit einem Blick auf die Freiheit möglichst vieler Menschen würde man wohl kein Wikispeed-single-seat-car oder -double-seat-car entwickeln, sondern wahrscheinlich einen Wiki-Bus oder noch etwas ganz anderes.
AM In diese Richtung haben wir vor fünf, sechs Jahren zusammen mit Frithjof Bergmann gedacht. Es gab auch schon eine Gruppe von Designern, aber dann fehlte die Finanzierung. Unser Plan war, nicht ausgelastete Kfz-Werkstätten zu befähigen, in Zusammenarbeit mit den zukünftigen Besitzern oder Nutzern solche Fahrzeuge selber zusammenzubauen. Zulieferer sollten sich bewerben können, weitere, bessere Komponenten für diesen Bausatz zu liefern, um noch sparsamer zu sein, noch bessere Transportkapazität zu erreichen.
JH Diese Geschichte ging ja auch von Frithjofs Vision der Werkhalle aus, dass Nachbarschaften oder Gemeinden in Eigenarbeit unter anderem auch Fahrzeuge herstellen. In der Region, in der ich lebe, gäbe es dafür sogar viele Fachkräfte, die früher auf Werften gearbeitet haben. Da stellen sich dann schnell interessante Fragen: Wie entstehen zum Beispiel die Reifen? Dafür sind die Kautschukindustrie bzw. die Elastomerindustrie notwendig.
DC Das ist wieder eine technische Frage. Ich glaube, was bei der Technikdiskussion insgesamt zu kurz kommt, ist Sozialtechnik oder eben der Diskussionsprozess, in dem wir miteinander feststellen, was unsere Bedürfnisse sind.
JH Wenn wir dabei feststellen, dass wir Mobilität vor allem brauchen, um unsere Freunde zu besuchen, die weiter entfernt leben, offenbart sich ein soziales Problem. Das verlangt, wie du sagst, zur Lösung vor allem eine soziale Technik – eigentlich eine Herzensöffnung, um uns denen zuzuwenden, mit denen wir das Leben teilen, die unmittelbar nebenan wohnen. Dies könnte ein Prinzip sein, das sich wiederum skalieren lässt. Das Bedürfnis, Freunde zu treffen, ist in Afrika dasselbe wie in China oder in Klein Jasedow.
DC Aber wie kommen solche Diskussionen in die Breite? Wenn etwas Schule macht, hat es politische Wirkung. Deswegen finde ich das Beispiel der Bürgerbusse so interessant. Aus einer Notlage heraus sagt sich eine kleine Gemeinde: Wir wohnen hier zwar abgeschnitten vom öffentlichen Nahverkehr, aber wir haben doch einen Kleinbusunternehmer, mit dem wir zusammen einen Wochenplan erarbeiten können, so dass zumindest die wichtigsten Ziele angefahren werden. Solche Selbsthilfe ließe sich politisch fördern.
AM Politische Förderung ist ein wichtiges Mittel. Alle diskutieren im Moment, ob Elektrofahrzeuge, wenn sie irgendwann auch aus deutscher Produktion kommen, pro Fahrzeug subventioniert werden sollen. Ich fand es eine gute Idee zu sagen, dass alle Fahrzeuge, die mehr als 200 Gramm CO2 pro 100 Kilometer emittieren, Steuern bezahlen, die dann in einen Topf für leichte, elektrische Fahrzeuge kommen. Dieser Geldfluss ergäbe eine degressive Kurve, weil es dann immer weniger große, schwere Autos geben bzw. sich der Betrag auf immer mehr Fahrzeuge verteilen würde. Solche Instrumente können große Wirkung entfalten. Das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) ist für mich eines der erfolgreichsten Gesetze, die wir überhaupt je hatten. Wir haben in Deutschland vor ein paar Jahren zum Teil 50 Prozent der Weltproduktion an Solarmodulen verbaut und konnten den Weltmarktpreis von Photovoltaikmodulen auf etwa ein Zwanzigstel senken.
DC Hier sehe ich leider wieder einen Rebound-Effekt, denn es stellt sich die Frage: Was machen die Menschen mit dem Strom? Leuchtreklame betreiben – oder einen Zahnarztbohrer? Ich halte es zumindest für verengt, zu sagen, dass das EEG selbst schon so erfolgreich war und wir damit alle Energieprobleme lösen könnten.
JH Wenn die Menschen mit dem, was sie günstiger oder »grün« bekommen, letzten Endes nichts anderes tun, als weiterhin am eigenen Ast zu sägen, ist das eine völlig fehlgeleitete Geschichte. Ich glaube nicht, dass die Menschen derzeit in der Lage sein werden, mit dem, was sie an technischer Vergünstigung bekommen, an einer guten, enkeltauglichen Welt zu arbeiten.
AM Im Moment sind wir noch nicht auf diesem Weg, aber er soll dorthin führen. Es ist ja heute schon so, dass man zu bestimmten – seltenen – Zeiten Geld dafür bekommt, dass man Strom verbraucht. Da existieren negative Strompreise an der Strombörse. Wenn sich das verstärkt, würden die Menschen vielleicht in Zeiten, in der Strom sehr billig ist, weil überall die Sonne scheint, gezielt ihren Wasserspeicher aufheizen, mit dem sie dann ihr Haus wärmen, und in anderen Zeiten weniger verbrauchen.
DC Und wir kommen nicht umhin zu fragen: In welchem Kontext arbeiten Ingenieure, die Technik entwickeln? Wie könnte zum Beispiel schon in der Ausbildung Verständnis dafür entwickelt werden, dass Technik nicht nur für meinen künftigen Arbeitgeber entsteht?
AM Ein wichtiger Aspekt in diesem Projekt für den EUREF-Campus ist die Übertragbarkeit. Wenn wir selber herausgefunden haben, was wir machen müssen, um unsere Büros mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu betreiben, können wir andere Verbraucher entsprechend schulen …
DC Dieser Bildungsaspekt ist wichtig – aber auch, wofür die Büroräume überhaupt eingesetzt werden. Ich finde, an unseren beiden unterschiedlichen Perspektiven wird deutlich, wie produktiv es sein könnte, die technische Lösungssuche mit einer wachstumskritischen Perspektive und dem Blick für soziale Fragen zu verbinden. Wenn wir solche Verbindungen im Studium, in Forschungsprojekten und auch im alltäglichen Handeln suchen, entstehen vielleicht eine Technik und ein Umgang mit ihr, die enkeltauglich sind, weil sie an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an den Bedürfnissen eines globalisierten Markts orientiert sind.
JH Das nehme ich als Schlusswort. Ich danke euch und freue mich, dass wir unser Thema so vielschichtig beleuchtet haben. •
Daniel Constein (26) studiert »Sustainability Economics and Management« an der Universität Oldenburg. Er ist Vorstandsmitglied des Fördervereins Wachstumswende und Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Zur Zeit widmet er sich der Koordination der Degrowth-Konferenz 2014 in Leipzig. Er twittert unter @ent_schleunigt.
www.degrowth.org
Andreas Manthey (49) Vorstand des Bundesverbands Regenerative Mobilität e. V., befasst sich seit 1985 mit solarer Mobilität und ist erster Träger des Europäischen Solarpreises, mehrfacher Deutscher Solarmobilmeister, Hersteller des »Elektrabi«. Er erstellte die Studie zu Ladestationen für das Bundesverkehrsministerium mit über 500 Ladesäulen in Europa und organisierte zahlreiche Konferenzen.
www.brm-ev.de
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