Titelthema

Biomeiler oder Grundofen?

Zwei Methoden, Wärme mit Hilfe lokal wachsender Pflanzen zu erzeugen – so schonend wie möglich.von Andreas Schug, erschienen in Ausgabe #24/2014
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Wer kennt noch die Misthaufen, die im Winter bei Frost und Eis dampften und die kleine Schneekrone darauf schnell wieder haben schmelzen lassen? Der Verrottungsprozess erzeugt Wärme, auch im tiefsten Winter. Inzwischen ist es populär geworden, große, kompakte Kompostmieten als »Biomeiler« zum Heizen zu nutzen. Zugleich entsteht dabei wertvoller Humus. Tolle Idee! Das Versprechen lautet: Mit wenig technischem Aufwand werden wir unabhängig von Öl und Gas. Doch stellt sich die Frage: Gibt es auch Möglichkeiten, die Biomasse effizienter zu nutzen?
»Du siehst jetzt nur noch die Rohre aus dem Biomeiler rausgucken. Alles andere haben wir schon abmontiert«, erklärt mir Ute Langkabel an einem kalten Novembertag. Die Leiterin des Gartenteams im Ökodorf Sieben Linden hat sich eine extra warme Jacke übergezogen. Wir gehen an der Brunnenwiese mit einem halben Dutzend Bauwägen vorbei zu den Gewächshäusern, die am Rand des ökologischen Pionierdorfs stehen. Ute öffnet die Tür zu einem drei Wohnzimmer großen Tunnelhaus mit milchigen Kunststoffplatten als Verkleidung. Von den Streben hängen blaue Schnüre herunter. »Daran hatten wir die Tomaten festgebunden«, sagt die 41-Jährige. »Im Boden liegen Kunststoffrohre als Heizschleifen – 20 Zentimeter tief, damit wir beim Jäten nicht hineinstechen.«

Gebaut wie eine Torte
Als wir draußen um die Ecke biegen, stoßen wir auf den Kompostmeiler. Gehalten von einer Umrandung aus Baustahlmatten mit einem Durchmesser von etwa sechs Metern, liegt da eine Mischung aus Holzhäckseln, Grünschnitt und Pferdemist. Der Hügel überragt uns mit seiner Höhe von mehr als zwei Metern. Die angewärmte Luft darüber flirrt kaum wahrnehmbar.
»Stell dir eine Schichttorte vor«, erklärt Ute den Aufbau. Zwischen vier Lagen organischen Materials – quasi dem Teig – befinden sich drei Lagen aus spiralförmig an Baustahlmatten gewickelten Rohren – die Creme –, durch die im Betriebszustand Wasser fließt. Über den Rohren liegt jeweils eine schützende Lage aus Säcken mit Grünschnitt und Häckseln – damit der Abbau des Meilers nach circa 18 Monaten leichter fällt. Im Inneren erreicht der Kompost nach der Startphase 70 Grad und mehr, so dass sich das Wasser in den Spiralen erwärmt. Unter dem Haufen liegt eine Teichfolie zum Auffangen der schwarzbraunen Gülle. Mit ihren hilfreichen Bakterien kommt sie alle paar Tage zurück auf den Kompostmeiler, bis alles zersetzt ist. In trockenen Zeiten braucht der Kompost zusätzliche Befeuchtung, damit die Mikroben bei Laune gehalten werden.
Entstanden war die Mega-Torte bei einem Workshop im April, geleitet von Heiner Cuhls. Zuvor wurde die »Fußbodenheizung« im Gewächshaus eingegraben. Außerdem musste Grünschnitt aus niedrigen Bäumen und Sträuchern vorbereitet werden. Das Häckseln hatte ein Fremdbetrieb kostenfrei übernommen. Fünf Gartenleute, fünf Workshop-Gäste und ein Traktor konnten die Kompostmiete dann an einem Tag aufbauen. Zwischendrin haben alle immer wieder auf dem Haufen getanzt, um ihn zu verdichten.
Mindestens ein Drittel der Biomasse sollte aus frischem Grünschnitt bestehen. Werden dazu wie in Sieben Linden niedrige Bäume und Sträucher genutzt, entspricht dies dem jährlichen Aufwuchs von gut einem Hektar extensiver Kurzumtriebsfläche mit Weiden oder Pappeln. Sicherlich wäre es nicht im Sinn der Biomeiler-Erfinder, wenn dieser Technik Hecken zum Opfer fielen, denn darin leben viele Singvögel und Insekten. Große Kurzumtriebsplantagen sind Monokulturen. Hier wären Lösungen gefragt, welche die ohnehin anfallenden Stoffströme wie etwa Grasschnitt nutzen.

Mister und Miss Kompost
Mirjam Anschütz, Studentin der ökologischen Agrarwissenschaften aus Witzenhausen, hatte den Meiler mit geplant. Sie kam auf die Idee, zur Feier des Workshops eine echte Torte zu backen – die dann alle Baufrauen und -männer oben auf der Kompostheizung genüsslich verspeisten. Wenn sie in den Wochen darauf im Garten arbeitete, machte sie gerne eine Liegepause auf dem warmen Kompost. Ihr eigentlicher Antrieb sei die Bodenverbesserung, erzählt Mirjam. Ihre Hoffnung ist, Kompost auf dem Umweg der Wärmegewinnung wieder populär zu machen. Ole Wunderlich, der Holzversorger von Sieben Linden, hat wie Mirjam in Witzenhausen studiert und teilt ihre Leidenschaft – so sehr, dass beide die Spitznamen »Mister und Miss Kompost« bekommen haben.
Bis in den Spätherbst hat der Biomeiler konstant Wärme abgegeben, meist zwischen 40 und 50 Grad Celsius. Nur Ende September schwächelte er, und die Temperatur des Warmwassers fiel auf 35 Grad. »Wir haben die Wärmeentnahme gleich gestoppt und den Kompost bewässert, dann erholte er sich wieder«, erzählt Ute.
Ende November zeigt das Thermometer einen halben Meter tief im Kompost nun maximal 30 Grad, weiter innen wird es etwas mehr sein. Das steigert Utes Zufriedenheit nicht gerade. Die Gärtner hätten alle Ratschläge zur Bodenerwärmung befolgt, aber im Sommer hätten sich die Tomatenblätter dennoch sehr früh eingekräuselt, erzählt Mirjam. Sie fragt sich, ob das Bodenleben beim Eingraben der Heizschlei­fen nicht zu sehr auf den Kopf gestellt wurde. Geheizt wurde immer nur nachts. Der Boden war oben dadurch ein oder zwei Grad wärmer als im unbeheizten Gewächshaus. Immerhin ließen sich dank der Heizung die Tomaten zwei Wochen früher einpflanzen, und sie wurden zwei Wochen früher reif. Aber dafür so großen Aufwand treiben?
In der Gemeinschaft und bei den Beteiligten herrschen gemischte Gefühle. Ute meint, es sei kein lohnendes Geschäft. »Jetzt wissen wir alle, wie es funktioniert«, freut sich Mirjam. Dass beim Bau industriell vorgefertigte Armaturen, Stahl und etliche Meter Plastikrohr verbaut wurden, war bisher kein großes Diskussionsthema. Biomeiler-Experte Heiner Cuhls erzählt, dass Kollegen wie der Österreicher Martin Mollay aus Überzeugung keine Baustahlmatten verwenden und stattdessen mehr Handarbeit beim Auf- und Abbau in Kauf nehmen.

Eine Handvoll Holzscheite wärmt ein Haus
Auf dem Rückweg gehen wir wieder an der Brunnenwiese vorbei. Ein paar Meter hinter den Wägen liegt ein Haus mit dem Grundriss einer Spirale. Ute fragt, ob wir eintreten dürfen. Die zentrale Küche ist mollig warm. Abgesehen vom Dachgeschoß gibt es hier nur eine einzige Heizung: einen Grundofen, und zwar ein übergroßes Exemplar seiner Art – einen runden Raum mit circa vier Metern Durchmesser, um die Brennkammer herum gebaut und eine Etage hoch. In der Kammer glimmen drei Scheite Holz vor sich hin. Eine Holztreppe wendelt sich elegant die Rundmauer entlang nach oben. Handwarm ist die Wand – das genügt, um alle Zimmer für bis zu acht Bewohner über den Flur zu beheizen – wenn man die Tür offen lässt. Weil das nicht jede und jeder aushält, zum Beispiel mit lebenslustigen Kindern, die durch das Haus toben, sind seit dem Bau im Jahr 2007 bereits mehrere Bewohner ausgezogen. Heute teilt eine Familie Haus und Ofen mit zwei Singles.
Ist der Grundofen dem Kompostmeiler in seiner Sparsamkeit voraus? Insgesamt kommt Ersterer bei geschätzten 30 Kilogramm Brennholz pro Tag auf einen Verbrauch von mehr als 5 Tonnen Holz im Winterhalbjahr. Ein größerer Biomeiler zur Hausheizung braucht mit 100 Kubikmetern Grünschnitt, Häcksel und Tiermist etwa 15 Tonnen Trockenmasse, also dreimal so viel. Dafür aber schenkt ein guter Biomeiler nach den Erfahrungen von Heiner mindestens ein Jahr lang konstant Wärme. Auf das halbe Jahr wären umgerechnet 7,5 Tonnen Trockenbiomasse nötig – das heißt, nur etwa 50 Prozent mehr. Vor allem zersetzt der Kompostmeiler nur einen Teil der Biomasse, und der Humus kann danach zur Bodenverbesserung beitragen. Für Heiner ist Kompost ein »Marathonläufer«, der Grundwärme liefert, während für die Heizspitzen Öfen als »Sprinter« besser geeignet sind.

Unabhängig sein!
Ob die Gärtner in Sieben Linden das Experiment fortsetzen und womöglich auch ein Haus mit einem Biomeiler beheizen, ist noch nicht entschieden. Für Ute ist klar: »Ich will zuerst sehen, welche Qualität der Kompost hat. Ist er gut, setzen wir wohl eine neue Miete auf. Das Material ist ja da.« Für sie ist entscheidend, mit vor Ort verfügbaren Ressourcen auszukommen. Diese Motivation teilt sie mit vielen. Heiner hat auf seiner Internetseite eine Umfrage gestartet, was den Besuchern beim Heizen am wichtigsten sei. Die häufigste Antwort ist mit 42 Prozent: »Unabhängig sein.«
Klar, Unabhängigkeit hat ihre Grenzen, was die Rohre und Armaturen für den Biomeiler angeht. Allerdings sind das einmalige Anschaffungen, deren Aufwand mit dem Selbstbausatz für einen Grundofen vergleichbar sein dürfte. Ein Biomeiler ist aber nur sinnvoll, wenn vor Ort ohnehin kompostierbares Grüngut anfällt, der Kompost danach der Erde zugute kommt und die erzeugte Wärme im ganzen Jahr – zum Beispiel zur Wassererwärmung – genutzt wird. Andernfalls rennt der »Marathonläufer« aus energetischer Sicht ins Leere. •


Andreas Schug (44) hat in Lüneburg Kulturwissenschaften studiert und schreibt als freier Journalist über erneuerbare Energien.

Wissenquellen zur Kompostwärme
www.native-power.de
www.biomeiler.at

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