Titelthema

Sicherer Hafen, offene See

Solveig Feldmeier sprach mit der Designerin Diana ­Neumerkel über ihre Gemeinschaftssuche
im ­Rahmen der Gruppe »Wohnvision« in Halle.
von Solveig Feldmeier, erschienen in Ausgabe #25/2014
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© privat

»jung.weiblich.engagiert in Sachsen-Anhalt« – so heißt die Image-Kampagne, die Diana Neumerkel kürzlich für den Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt konzipiert und gestaltet hat. Die postulierten Eigenschaften treffen auch auf die Absolventin des Studiengangs »Multimedia Design« der Kunsthochschule Burg Giebichenstein selbst zu.

Diana arbeitet als Selbständige, teilt sich ein Büro mit einer Kollegin und lebt mit vier weiteren in einer Wohngemeinschaft, weil sie sozialen Kontakt und Austausch genießt. Wenn man einen kreativen Beruf hat und viel am Computer werkelt, zeigt sich schnell eine Tendenz zu Vereinsamung und Überarbeitung. Die Dreißigjährige freut sich über anregende Gespräche, gemeinsames Kochen und Freizeitaktivitäten, die zusammen unternommen werden. Aber sie will mehr: »wirklich gemeinschaftlich leben und arbeiten«.

Während ihres Studiums fand sie Kontakt zu ökologisch und politisch interessierten Menschen. Gemeinsam setzten sie sich mit Themen wie Grenzen des Wachstums, Nachhaltigkeit und »gutes Leben« auseinander und beteiligten sich an Veranstaltungen wie den »Heldentagen«. Im Gefolge dieser Aktionswoche formierte sich im Sommer 2012 die Transition-Town-Gruppe Halle, aus deren Umfeld das Projekt »Wohnvision« entstand.
Etwa 20 Menschen zwischen Anfang 20 und Mitte 50 – eine von ihnen ist Diana – treffen sich seit einem halben Jahr regelmäßig, um Möglichkeiten für gemeinsames Wohnen und Leben in Halle auszuloten. Sie tragen ihr Wissen über Gemeinschaften zusammen und finden es wichtig, zunächst am »sozialen Gebäude« zu bauen, bevor es an eine konkrete Immobilie oder ein Grundstück geht. Das gegenseitige Kennenlernen, der Austausch über die persönlichen Vorstellungen von Gemeinschaft, und die Gruppenbildung stehen im Vordergrund. Diana mag als Einzelne nicht über die Gruppe sprechen, da sie sich »nur als kleinen Teil von ihr« begreift. Deshalb bringt sie Bernd Müller zum Gespräch mit.
Der langjährige Berufsschullehrer und seine Partnerin sehen sich als klassische Kleinfamilie und möchten in absehbarer Zeit als Paar zusammen mit anderen in eigener Wohnung unter gemeinsamem Dach leben. Sie meinen, dies sei für die Beziehung förderlich. Diana trägt sich nicht mit Gedanken an eine Familiengründung, wünscht sich aber, zusammen mit einem künftigen Partner in einer größeren Gemeinschaft zu leben.
Während für Bernd berufsbedingt feststeht, dass er in Halle »­einen sicheren Hafen« finden will, ist Dianas Zukunft offen. Sie befindet sich »auf offener See«. Der Kurs ist klar, aber wann und wo sie auf gemeinschaftlichem Territorium landet, ist noch ungewiss.

Leben und Arbeit nicht mehr trennen
Der kleinste gemeinsame Nenner der Wohnvision ist der Wunsch nach einem entschleunigten, gesunden und solidarischen Zusammenleben mit weitgehender Selbstversorgung. Jede und jeder sollte für den persönlichen Lebensunterhalt selbst aufkommen, aber viele Gebrauchsgegenstände und die Räumlichkeiten könnten gemeinsam genutzt und gepflegt werden. Außerdem ist ein verrechnungsfreier Austausch angedacht, der nicht auf die in der Gemeinschaft lebenden Personen beschränkt bleiben muss.
Als Mitorganisatorin der Tauschakademie Halle »TAAK!« erwartet Diana vom gemeinschaftlichen Leben ein solidarisches Teilen von persönlichen Fähigkeiten und Wissen. Der eine kümmert sich um Gartenbau und leitet andere an. Sie selbst kann sich mit Bauen, Basteln und Nähen einbringen, die nächste hat Fähigkeiten als Moderatorin. »Alle geben, was sie können – ohne aufzurechnen!«
Diana möchte durch ihr persönliches Handeln Veränderungen anstoßen. Sie trennt nicht zwischen Arbeit und Leben und wünscht sich, in der Gemeinschaft eine Gruppe zu finden, mit der sie eigenständige und erfüllende Projekte verwirklichen kann. Das könnte ein Repair-Café sein, ein veganes Restaurant oder ein Laden, in dem selbst angebaute oder hergestellte Produkte verkauft werden. Denkbar wäre auch eine zukunftsweisende Design-Werkstatt, in der ressourcenschonende Herstellungsverfahren und energieeffiziente Raumkonzepte erarbeitet werden oder wo Kommunikationsdesigner Ideen vermitteln. Auch Bernd kann sich vorstellen, sein pädagogisches Geschick an seinem künftigen Lebensort einzubringen.
Im Mai fährt Diana nach Paris zum »OuiShare«-Fest 2014, das diesmal unter dem Motto »The Age of Communities« steht. Dort will sie ihre Erfahrungen weiter vertiefen. Eines Tages wird sie sich ihren Platz in einer Gemeinschaft eingerichtet haben – in Halle oder anderswo. •

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