Buchtipps

Schöne alte Welt (Buchbesprechung)

von Manuela Pusker, erschienen in Ausgabe #25/2014
Photo

Selbstverständlich spielt der Titel dieses Buchs auf Huxleys »Schöne neue Welt« an. Und der Untertitel »Ein praktischer Leitfaden für das Leben auf dem Lande« hält, was er verspricht. Entgegen den vielen romantisierenden Raus-aufs-Land-Büchern entspricht »Schöne alte Welt« eher einem ernüchternden Ratgeber als der vielleicht erwarteten nostalgischen Ode an das Vergangene. Tom Hodgkinson beschreibt das Bild eines mühevollen, teils entbehrungsreichen und doch befriedigenden Daseins – jedenfalls verglichen mit der noch viel trostloseren Existenz des sinnentleerten Lohnsklaven in der »schönen neuen Welt« der Technokraten und funktionalisierten Menschen. Hodgkinson hat seine Kapitel nach Monaten und deren Schwerpunkten im Landleben geordnet. Er beschreibt die Vorratshaltung ebenso wie die Haltung von Tieren und deren Tötung. Dem Anbau von Gemüse und den damit verbundenen Schwierigkeiten widmet er in seiner Subsistenzanleitung naturgemäß weite Strecken. Immer wieder unterbrochen von klassischen Zitaten, beschreibt er den eigenen Kampf mit den allgegenwärtigen Herausforderungen jedes Selbstversorgers. Er stellt sich nicht auf das Podest des Menschen, der all diesen Anforderungen spielend gerecht wird, sondern beschreibt anschaulich und unterhaltsam seinen Weg bei der Umstellung, die der Schritt ins echte Landleben erforderlich macht. Hodgkinson spart auch nicht mit den Schilderungen seiner Misserfolge. So beschreibt er etwa seine Mühe, das notwendige Holz für den Winter vorzubereiten – und den demütigenden Gang zum Baumarkt Ende Januar, um das fehlende Heizmaterial in orangefarbenen Säcken nachzukaufen. Auch seine zunächst von köstlicher Erfolglosigkeit geprägten Versuche der Geflügelzucht sind nachvollziehbar und lassen erkennen, dass der Weg zurück zur Natur kein Spaziergang ist. Ebenso beschreibt Tom Hodgkinson den Gemüseanbau – in den meisten Ratgebern lapidar als etwas geschildert, das auf jeden Fall zu schaffen sei, wenn man nur die Ratschläge des Autors befolge – als das, was es wirklich ist: ein von vielen Widrigkeiten geprägtes und im Ergebnis ungewisses Unterfangen.

Hodgkinson – auch Autor einer »Anleitung zum Müßiggang« und eines »Handbuchs für ein schönes Leben« – wird nicht müde, zu betonen, dass er nicht nur die Arbeit und das Selbstversorgertum schätzt, sondern mehr noch das Faulenzen und Feiern. In diesem Spannungsfeld bewegt sich das Buch. Mir hat es sehr gut gefallen, denn gerade das Scheitern und die Erfolglosigkeit machen den Bericht authentisch.

 

Schöne alte Welt
Ein praktischer Leitfaden für das Leben auf dem Lande.
Tom Hodgkinson
Insel Verlag, 2013, 351 Seiten
ISBN 978-3458359289
8,99 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #25

Photo
Die Kraft der Visionvon Astrid Lindgren

Niemals Gewalt!

Über den Frieden zu sprechen, heißt ja, über etwas zu sprechen, das es nicht gibt. Wahren Frieden gibt es nicht auf unserer Erde und hat es auch nie gegeben, es sei denn als Ziel, das wir offenbar nicht zu erreichen vermögen. Solange der Mensch auf dieser Erde lebt, hat er sich

Photo
Gemeinschaftvon Johannes Heimrath

Soziales Kraftwerk

Im Jahr 2010 erhielt das nordsäch­sische Langenreichenbach den ­Europäischen Dorferneuerungspreis für die Wahrung der dörf­lichen ­Traditionen und das außergewöhnliche Gemeinschaftsleben. Was nach Museum und Trachtenverein klingen mag, ist für die Dorfgemeinschaft normaler Alltag.

Photo
Literaturvon Matthias Fersterer

Das Leben Montaignes

Wie soll ich leben? Um den Jahreswechsel 1569/1570 erlitt Michel Eyquem de Montaigne (1533–1592) einen Reitunfall, der ihn an die Schwelle des Todes führte. Glaubt man seiner Beschreibung – ein »hauchzartes Empfinden«, »jedes Unbehagens bar«, »von

Ausgabe #25
Gemeinschaft

Cover OYA-Ausgabe 25
Neuigkeiten aus der Redaktion