enkeltauglich leben
Buchtipps

Der kleine Prinz (Buchbesprechung)

von Matthias Fersterer, erschienen in Ausgabe #21/2013
Photo

In den letzten Tagen des Jahrs 1935 erleidet der Pilot und Autor Antoine de Saint-Exupéry eine Bruchlandung in der libyschen Wüste. Nach Tagen extremen Dursts, nach Fieberwahn und trügerischen Luftspiegelungen wird er von Beduinen gerettet. Er habe sich in der Sahara, die er fast zärtlich als »blonde Weite« beschreibt, nie allein gefühlt, wird er später schreiben – »sie war belebt von Stimmen, von Erinnerungen und gefl üsterten Mitteilungen«. Eine dieser Stimmen muss dem kleinen Kerlchen mit weizenblondem Haar und glockenhellem Lachen gehört haben.

Sieben Jahre darauf schrieb und zeichnete Saint-Exupéry im New Yorker Exil die Geschichte des Kleinen Prinzen, die 1943 erscheinen sollte. Ihren schwindelerregenden Erfolg – in über zweihundert Sprachen übersetzt, über hundert Millionen Mal verkauft – sollte der Autor, der 1944 bei einem Aufklärungsfl ug verscholl, nicht mehr erleben.

In diesem Jahr wird dieses Wunder von einem Buch siebzig. Was lässt sich heute darüber sagen? So wie die Kinderzeichnung des Erzählers von »den großen Leuten« als Hut verkannt wird, wird auch diese Erzählung gerne als Kindergeschichte für Erwachsene, als Erwachsenengeschichte für Kinder oder als Parabel mit schlüsselfertiger Moral missdeutet. Das ist ein Grund, warum alle audiovisuellen Umsetzungen scheiterten: Sie konkretisieren etwas, das sich der Konkretisierung entzieht, machen etwas handgreifl ich, was sich allenfalls allegorisch, als Mysterium, fassen lässt – etwas, das sich einer ganz eigenen, selbstevidenten Logik bedient: Wie sollte die Schlange nicht die Drogistin, die Seren für interstellare Reisen verabreicht, sein? Wie der Fuchs nicht der weise Freund, der das Geheimnis der Zugehörigkeit kennt? Wie die Rose nicht die Geliebte des kleinen Prinzen? Wie dieser nicht alt und jung zugleich? Indem die Erzählung klassische Motive mit neuem Leben füllt – die stolze Rose, die Epiphanie der Wüste, der Brunnen darin, der Fall von den Sternen etc. – berührt sie uns mit Altbekanntem neu und lässt unseren Blick weicher und schärfer zugleich werden. Meine Empfehlung: Machen Sie einen Bogen um Jubiläumsausgaben, Adaptionen und Merchandisingprodukte. Lesen Sie stattdessen diese zeitlose Geschichte aufs Neue, lassen Sie sich von Zähmung und Zugehörigkeit, vom eigentlichen und uneigentlichen Leben erzählen, lauschen Sie dem Lachen der Sterne – gewinnen Sie erneut die Farbe des Weizens!

 

Der Kleine Prinz
Antoine de Saint-Exupéry
Rauch Verlag, 2012
94 Seiten, 68. Auflage
ISBN 978-3792000496
5,90 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #21

Photo
von Theresa Zimmermann

Nexthamburg (Buchbesprechung)

Gemeinsam mit vielen Menschen eine Bürgerinnenvision für Hamburg zu entwickeln, Ideen zu bündeln und Alternativen zur derzeitigen Stadtentwicklung zu artikulieren – das hatte sich das Team von Nexthamburg vorgenommen und erfolgreich verwirklicht. 2009 startete die

Photo
Aktion & Widerstandvon Anja Humburg

Glücksspiel ohne Risiko

Glück steht weit oben auf der Liste der bedrohten Werte. Es sei »das fernste aller Ziele«, heißt es im Film »What Happiness is« von Harald Friedl, der ab August ins Kino kommt. Glücksindizes vergleichen, was kaum vergleichbar ist: Laut Happy Planet Index belegt Deutschland unter den 151 Kandidaten Platz 46.

Photo
Philosophievon Wilhelm Schmid

Die Kunst des Lachens

Was ist das Lachen? Das ist schwer zu sagen. Nicht immer ist es bewusst hervorzurufen. Im Regelfall ist es zufällig und unerklärlich, es entzieht sich konsequent dem ernsten Zugriff der Vernunft. Eine Theorie des Lachens gibt es nicht und hat es nie gegeben, und das ist sogar gut so:

Ausgabe #21
Im Ernstfall: Lachen!

Cover OYA-Ausgabe 21
ProbeheftNeuigkeiten aus der Redaktion