Thomas Heuser berichtet von seinem Einstieg in die ZEGG-Gemeinschaft.von Thomas Heuser, erschienen in Ausgabe #3/2010
Es gab in meinem Leben schon mehrere Ausstiege. Zuerst reiste ich um die Welt, vor drei Jahren zog es mich zu verschiedenen Gemeinschaften. Danach bin ich aber noch einmal in das normale Berufsleben eingestiegen, während ich privat bereits mit Freunden in einer Kleinstgemeinschaft zusammenlebte.
Schließlich war die Zeit reif, den nächsten Schritt zu gehen und mich auf das Leben in einer großen Gemeinschaft, dem Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung (ZEGG), einzulassen. Ich habe mir meine Ängste noch einmal genau angeschaut: Existenzangst, Sicherheitsbewusstsein, im Hamsterrad der Gemeinschaft mich selbst verlieren … Was, wenn meine Freunde aus dem ZEGG wegziehen, habe ich es dann umsonst gewagt?
Ein besonderer Ort Ich hatte viel über Gemeinschaften gelesen und wollte sehen, wie die Realität aussieht. Die erste Möglichkeit, die sich bot, war ein Orientierungswochenende im ZEGG. Dass hier das Thema »Liebe, Sexualität und Partnerschaft« im Zentrum der Forschung steht, war mir nicht bewusst. Ich fand den Ort ansprechend und fiel aus allen Wolken, als einige der Teilnehmer ganz gezielt und offen sehr intime Fragen stellten. Ehrlich gesagt: Hätte ich vorher davon gewusst, ich glaube, ich wäre nicht nach Belzig gefahren. »Freie Liebe« ist eine wunderbare Utopie, aber ich frage mich immer wieder, ob wir Menschen wirklich achtsam und bewusst genug sind, um sie leben zu können. Auf jeden Fall aber nahm ich das ZEGG als einen Ort wahr, an dem eine andere Welt möglich ist. Mich lockte die Möglichkeit, selbst Teil der Veränderung zu sein, die ich in der Welt sehen möchte.
Ich wünschte mir, mit Menschen zusammen zu sein, die sich ihres Wegs immer bewusster werden wollen. Jetzt lebe ich in einer Wohngemeinschaft im ZEGG, wo wir genau dies tun und dabei ganz viel Berührung, Freude und Leichtigkeit erleben.
Lebendige Tage Ich arbeite im Garten des Zentrums und greife damit etwas auf, was ich als Kind schon gerne getan habe. Es ist wie Meditation. Ich unterstütze das ZEGG mit meinen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, und es freut mich, wieviel Wertschätzung ich hierfür bekomme – in 20 Jahren konventioneller Arbeit habe ich das kaum je so erfahren. Ich leite das Kindercamp mit und begleite mit drei Freundinnen zusammen die Menschen, die als Saisoniers den Sommer über hier mit uns leben und arbeiten. Ich engagiere mich für das ökologische Festival Ecotopia 2010, das im August hier im Fläming stattfindet. Und ich unterstütze Menschen und kleine Unternehmen darin, ihr Business zu planen.
Meine Tage sind angefüllt mit Leben, und neulich habe ich das erste Mal wieder das Gefühl gehabt, auch hier im Hamsterrad zu laufen. Ich merke, dass ich an diesem Punkt sehr achtsam mit mir selbst sein muss. Leben in Gemeinschaft bedeutet auch, ständig das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Worauf richte ich meinen Fokus? Das wird eine wichtige Frage. Gerade freue ich mich, dass meine ehemalige Freundin ein Baby geboren hat.
Meine Pläne für die Zukunft? Wie heißt es – »Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihm von deinen Plänen«? Ich habe viele Ideen. Am wichtigsten ist es für mich aber, im Spüren zu bleiben, was das Leben von mir möchte und dem auch nachzugehen. Leben in Gemeinschaft ist für mich ein Weg aus der Krise, in der die Welt gerade steckt.