Um weltweit Milliarden von Menschen zu ernähren, braucht es Gentechnik und industrielle Massenproduktion – so das Credo der Agrarkonzerne; Technik und Markt sollen die Lösungen liefern. Doch wie erklärt es sich, dass heute immer noch Milliarden chronisch Hunger leiden, obwohl längst genug Nahrungsmittel für alle produziert werden? Der Agrarwissenschaftler und Blogautor Peter Clausing (www.agrardebatte.de) hat in »Die grüne Matrix« unzählige Studien aufbereitet, anhand derer er zeigt, dass der zukunftsfähigere Weg in Richtung Agrarökologie geht – ein durch die brasilianische »Bewegung der Landarbeiter ohne Boden« (MST) und die internationale kleinbäuerliche Bewegung »La Via Campesina« inspiriertes Konzept. Nur so könne Biodiversität erhalten und Armut bekämpft werden. Heute enteignen Staaten im globalen Süden systematisch Land – sowohl zugunsten der industriellen Landwirtschaft (»Landgrabbing«) als auch zur Schaffung von Naturschutzgebieten (»Land Sparing«). Bei letzterem werden die Bewohner aus ihrer Heimat vertrieben, um für den »Erhalt von Biodiversität« unberührte Inseln in einem Meer chemisch und gentechnisch behandelter Monokulturen zu schaffen. Große Naturschutzorganisationen spielen hier eine umstrittene Rolle. Oft sind sie indirekt an den Vertreibungen beteiligt oder kooperieren – wie der WWF – mit multinationalen Konzernen, denen sie durch Zertifikate zu einem grünen Image verhelfen. Die betroffene Landbevölkerung steht der Idee der »Biodiversität« daher häufig feindlich gegenüber – kein Wunder, wenn Naturschutz und Armutsbekämpfung gegeneinander ausgespielt und Versprechungen von Arbeitsplätzen und Infrastruktur für die Menschen in den Pufferzonen oft leer bleiben. Den Profiteuren aus Wirtschaft und Politik gelingt es, gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen alternative Handlungswege zu verschleiern, Sachzwänge vorzuschützen und Widerstand zu zersplittern. Dagegen kommt, so Clausing, in einem System agrarökologischer Landwirtschaft – »Land Sharing« – den kleinbäuerlichen Betrieben eine zentrale Rolle zu. Ihre Art des Anbaus schaffe eine »grüne Matrix«, durch die Lebewesen zwischen verschiedenen Habitatinseln bzw. Naturschutzgebieten hin und her wechseln können. Das sichere den Fortbestand der Arten. So bieten etwa mit Bäumen durchsetzte Kakaoplantagen einer Orchideenart zwar keinen Lebensraum, aber sie ermöglichen Bienen, die Orchideenpollen zwischen den Habitatinseln zu verbreiten. Vor allem im globalen Süden würde die Anbau-Produktivität mit agrarökologischen Methoden steigen. Langfristig sei dafür allerdings eine Systemrevolution erforderlich, die ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen im Blick hat. ◆
Die grüne Matrix Naturschutz und Welternährung am Scheideweg. Peter Clausing Unrast, 2013 155 Seiten 13,00 Euro