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Bienendemokratie (Buchbesprechung)

von Julia Herz-el Hanbli, erschienen in Ausgabe #28/2014
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Dass die Bienenkönigin eine (über-)lebenswichtige Rolle im Bienenstock hat, dürfte allgemein bekannt sein. Sie ist als Einzige in der Lage, für Nachwuchs zu sorgen, und erhält somit das Bienenvolk am Leben. In einer Diktatur leben die Bienen aus diesem Grund aber noch lange nicht.
Die Bienenkönigin und ihr Volk – lange Zeit wurden aus dem Verhalten der Bienen falsche Schlüsse gezogen, weil wir ihre Sozialstruktur auf die der Menschen übertrugen und sie als eine Art diktatorische Frauenherrschaft missverstanden.
»Wir lagen falsch«, sagt der amerikanische Bienenforscher Thomas D. Seeley nun in seinem Buch »Bienendemokratie. Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können«. Die Vorstellung, so Seeley, das Bienenvolk werde von einer wohlwollenden Diktatorin regiert, geht bereits auf Aristoteles zurück, doch sie geht fehl. Vielmehr, so der Verhaltensforscher und Neurobiologe, sei das Gegenteil der Fall: Steht eine Entscheidung bevor – etwa der Umzug aus dem alten Bienennest zu einem neuen Nistplatz – so entpuppen sich Bienen als wahre Demokratinnen.
Spätestens seit den ersten Untersuchungen des deutschen Professors Martin Lindauer zu wohnungssuchenden Bienen in den 1950er Jahren offenbart sich ein neues Bild von diesen ohnehin schon sozialen Insekten: Die Suche nach einem geeigneten Wohnort ist ein komplizierter Vorgang, an dem mehrere Hundert Bienen beteiligt sind. Nachdem verschiedene Kundschafterinnen geeignete Nistplätze ausgesucht haben, teilen sie ihre Informationen dem restlichen Volk mit. Dabei versuchen sie, so viele ihrer Bienenschwestern wie möglich von der Qualität »ihres« Nistplatzes zu überzeugen. Diese anregende »Diskussion« dauert oft mehrere Tage. Am Ende, so die Beobachtungen Seeleys, wird jedoch eine fast einstimmige Entscheidung zugunsten eines der vorgeschlagenen Wohnorte gefällt – Konsensdemokratie Bienenstock.
Von diesem »Superorganismus« könnten wir Menschen noch einiges lernen, glaubt Thomas Seeley. Doch so neu sind seine Empfehlungen nicht, wenn er etwa dafür plädiert, die Gruppe der Entscheidungsträger aus Individuen mit gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Respekt zusammenzustellen, oder darauf zu achten, den Einfluss des Anführers auf das Denken der Gruppe so gering wie möglich zu halten. Im Idealfall funktioniert Demokratie unter Menschen bereits genau auf diese Weise. Was wir allerdings von den Bienen lernen könnten – bzw. woran sie uns wieder erinnern können –, ist, dass es zum Erreichen von Zielen, die der Gemeinschaft dienen, oft von Nutzen ist, die eigenen ­Interessen auch mal hintanzu­stellen.


Bienendemokratie
Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können.
Thomas D. Seeley
S. Fischer Verlag, 2014

320 Seiten
ISBN 978-3100751386
22,99 Euro

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