Buchtipps

Omnipax (Buchbesprechung)

von Farah Lenser, erschienen in Ausgabe #25/2014
Photo

»Tiere sind meine Freunde, und ich esse meine Freunde nicht«, bekannte vor mehr als hundert Jahren der Literaturnobelpreisträger George Bernard Shaw. Wer jetzt listig fragt: »Und, was ist mit den Feinden?«, der hat noch nie von »Omnipax« gehört, einer originellen Wortschöpfung des Wortakrobaten Ulrich Holbein: die Versöhnung von allem mit jedem. So finden wir auf seiner mit »Omnipax« betitelten Illustration nicht nur das Schaf friedlich mit dem Wolf vereint, sondern auch Scharon und Arafat mit Friedensjoint und »Dschordsch Dabbeljuh Bush« mit der Sprechblase »Mäk Laff nott Wohr«.
In dem fein illustrierten Büchlein aus dem Packpapierverlag werden alle Argumente wider und für den Vegetarismus dargelegt, jede böse Pointe und Widersprüche beider Positionen benannt. Der »aus Mitleid mit der wehrlosen Schöpfung« bekennende Vegetarier Holbein beschreibt sein »frühes Leid am familiären Essenstisch« im Umfeld seiner »blutigen Blutsverwandtschaft«, in der Kaninchen nicht nur gezüchtet, sondern auch eigenhändig geschlachtet wurden und Parolen kursierten wie »Iß mehr Wurscht, damidde was wirscht!«
Da muss einer, der jede Strafe auf sich nahm, um Fliegen vor der heruntersausenden Hand von Vati zu retten, schon mal die liebevoll von Mutti im Kartoffelbrei versteckten »Leichenteile« in der »blumenlosen, mit Papier ausgestopften DDR-Steingutvase auf dem staubfrei polierten Wohnzimmerschrank« verstecken, bevor er wieder nach draußen darf, um für seine Weinbergschnecke Hippy eine »Wohnung aus Steinen, Tannennadeln und Blättern« zu bauen.
Doch just als unser Autor »adoleszierend« seiner Pubertät entstieg, wandelte die bevorstehende Kriegsdienstverweigerung seine Tierliebe in Humanität, und er erwischte sich immer öfter beim »Verzehr von Bratwurst, Jagdwurst, Mortadella und Fischstäbchen«. Die schönste Geschichte ist wohl »die Weltrettung im Forellenhof«, wo er und Busenfreund Ewald bei der Hochzeitsgesellschaft auf die Forellenspeise verzichten und beim hungrigen Weggang das einzig übriggebliebene Forellenpärchen im leergefischten Wasserbecken entdecken: Ewalds Forelle, Ulrichs Forelle. Welch ein Moment: »Tat tvam asi – Wer ein Leben rettet, hat die ganze Welt errettet.«
In einer imaginären Talkshow vereint Holbein Wortführer für und gegen den Vegetarismus, gepaart mit Pazifismus: Da argumentieren Plutarch gegen Friedrich Engels, Tolstoi gegen Günter Grass und Kurt Tucholsky mit Arthur Schopenhauer. Und er erinnert an den Philosophen Friedrich Nietzsche, der, überströmt von Mitgefühl für die gequälte Kreatur, »am Hals des Droschkengauls schluchzte«, während sein Wille zur Macht und sein Übermenschentum dahinschmolzen. Mäk Laff nott Wohr!


Omnipax
Zwischen Obstparadies und Fleischfabrik.
Ulrich Holbein
Packpapierverlag, 2013, 176 Seiten,
mit zahlreichen Bildern & Collagen.
ISBN 978-3931504038
8,00 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #25

Gesundheitvon Christine Simon

Gemeinschaftsbildende Musiktherapie

Community Music Therapy, eine neue und zugleich alte Form der Musiktherapie – wo auf der Erde findet dies statt: Gemeinschaft, Musik, Impulse der Heilung? Was sind die heilsamen Kräfte von Musik und Gemeinschaft? Fünf Beispiele aus Tausenden.

Photo
Regional- & Stadtentwicklungvon Sylvia Buttler

Wer weiß, wie die Welt besser wird?

Passau, die flutgeplagte Drei­flüssestadt, gilt vielen als Hort der Tradition. Doch hier gibt es die »Besserwisser eG«, ein innovatives Netzwerk für nachhaltigen Lebensstil.

Photo
Gemeinschaftvon Wolfram Nolte

Das gute Leben und die Freundschaft

Warum brauchen wir Gemeinschaft? Können wir unsere Freiheit nachhaltig erst in Gemeinschaft leben? Und wie müssten wir dafür unsere Lebensweise und Gesellschaft verändern?

Ausgabe #25
Gemeinschaft

Cover OYA-Ausgabe 25
Neuigkeiten aus der Redaktion