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Von wegen nix zu machen (Buchbesprechung)

von Juliane Rudloff, erschienen in Ausgabe #16/2012
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Tue Gutes und freue dich darüber – so könnte das Motto der Weltverbesserungswerkzeugkiste einer Kölner Männerclique lauten, die aus einem Kabarettisten, einem katholischen Pfarrer und einem Journalisten besteht. Die drei haben Beispiele für das gesammelt, was gemeinhin als soziales Engagement bezeichnet wird. Des Elends in der Gesellschaft leid, wollen sie Lust auf gute Taten und Veränderung machen. Ihr Werkzeugkasten bietet daher eine ganze Bandbreite von Ansätzen zur Selbst-organisation, die mehr Fürsorge und Gemeinsinn in die Gesellschaft bringen.
Besonderes Augenmerk legen die Autoren auf das Thema Armut – besonders bei Kindern und vor allem in Städten. Unter anderem werden die Hauptschulen als gesellschaftlich aufrechterhaltene Antiquiertheit in die Zange genommen – mit Fallbeispielen von Menschen, die mit sehr persönlichem, kreativem Einsatz Licht und Perspektive in den Sumpf bringen. Neben Projekten für Senioren oder sozial Benachteiligte werden diverse gemeinschaftliche Ansätze wie kollektive Werkstätten oder die Weitergabe von Büchern (Bookcrossing) vorgestellt. Besonders schön sind schlichte, traditionelle Ideen, wie der zweifach bezahlte Espresso, damit ein Gast, der kein Geld hat, auch einen trinken kann. Es wird aufgezeigt, wie Krankenkassen und Wohnungsunternehmen sozialer organisiert, wie Nazis mit Parodien »bekämpft« oder wie Obdachlose würdig bestattet werden können.
Zitate, Anekdoten und literarische Beispiele geben dem Buch Leichtigkeit und helfen dem Leser, sich persönlich angesprochen zu fühlen. Es geht um das Sinn- und Wohlgefühl, das beim Geben entsteht. Spaß macht das Layout, weil die Kombinationen von Schrift und Form immer wieder überraschen. Etwas unklar bleibt die Motivation der schwarzen Balkenanordnungen.
Insgesamt ist das Buch sehr am Menschen und am konkreten Tun orientiert. Es wird den Autoren zufolge hauptsächlich von der älteren Generation gelesen, zeigt aber, dass sowohl Leih-Omas als auch Flashmobs die Welt ein wenig besser machen können.
Deutlich zu spüren sind das Kölner Lokalkolorit sowie die beruflichen Hintergründe der Autoren. Was das Buch nicht bietet, ist eine Zukunftsvision. Die Ursachen der sozialen Missstände werden aber im Nachwort mit Heiner Geißler diskutiert. Die Frage, ob zuerst die politischen Strukturen verändert werden müssten oder das bürgerschaftliche Engagement zur Massenbewegung werden müsse, ist letztlich obsolet – denn das eine wird es ohne das andere kaum geben.


Von wegen nix zu machen
Werkzeugkiste für Weltverbesserer.
J. Becker, F. Meurer, M. Stankowski
überarbeitete und stark veränderte Ausgabe
Kiepenheuer & Witsch, 2011, 208 Seiten
ISBN 978-3462043600
8,99 Euro

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