Buchtipps

Kreuzberg kocht (Buchbesprechung)

von Elena Rupp, erschienen in Ausgabe #14/2012
Photo

Ausprobieren und sehen, wie’s schmeckt – dazu möchte die etwas ungewöhnliche Rezeptsammlung »Kreuzberg kocht« einladen. Doch ist hier nicht etwa nur das Nachkochen von Kochrezepten gemeint: Zwei Jahre lang haben die Fotografin Anna Schroll, die Günderin des Berliner Büchertisch e. V., Ana Lichtwer, und die Literaturwissenschaftlerin Cornelia Temesvári Lebenskünstler, Visionäre und Kulturkreative aus dem quirligen Berliner Bezirk Kreuzberg besucht, mit ihnen zusammen deren Leib- und Magenspeise zubereitet und sich dabei – nach dem Motto »Essen verbindet« – von deren Ideen, Träumen und Initiativen erzählen lassen. Auf 368 Seiten zeichnet das Buch 55 Kurzporträts von Menschen, die den städtischen Raum in ihrem Kiez mit ihren Projekten sinnvoll verändern wollen. Lass dich inspirieren und werde selbst aktiv! – So die Botschaft an den Leser.
Jedes Porträt enthält ein Interview, mehrere Fotos sowie eine Kochanleitung. Die Aufnahmen vermitteln dabei einen lebensnahen Eindruck der Menschen beim Zubereiten ihrer Lieblingsgerichte. Die Rezepte selbst sind so vielfältig wie der Kiez und reichen von »Kisir« über »Prinzessinnengartenpizza« und »Piratenzopf in Proseccosauce« bis hin zu erlesenen Gaumenfreuden wie »Beluga-Linsen mit Minze und gerösteter Wachtelbrust«. So führt der Streifzug etwa durch das sinnliche Hamam-Bad, über urbane Landwirtschaftsflächen, zur musikalischen Politaktivisten-Band »IG Blech« und zu einer Gruppe Kreuzberger Gourmetköche. In Kategorien wie »Vorreiter und Vorspeisen«, »Unangepasstes und Unkompliziertes« oder »Gesellschaftliches und ganz Grünes« gewinnt der Leser einen Eindruck, welch unterschiedliche Projekte die Kiezkultur prägen und welche Wege, Ansätze oder Visionen sie jeweils verfolgen, um ihr Umfeld positiv zu beleben. Geschickt erfasst das Autorinnenteam so eine große Themenvielfalt, ohne bloß die Dauerbrenner Bio und Integration weiter breitzutreten.
Ob Stadtgestaltung, solidarisches Miteinander, postmigrantische Identität oder Straßenkunst – all die vorgestellten Projekte eint der Mut, in privater Ini­tiative neue Wege zu beschreiten, sowie der Wunsch, Menschen zusammenzubringen und in unmittelbarer Nachbarschaft etwas zu bewirken. Auch Frustrationen und Hürden werden nicht verschwiegen. Entstanden ist weit mehr als ein Kochbuch, nämlich ein kurzweilig-informatives Werk über viele kreative Versuche, die (urbane) Gesellschaft lebenswerter zu machen.
Das Buch im originell quadratischen Format lässt sich prima in jeder Handtasche zum nächsten Kochabend unter Freunden mitnehmen, bietet dabei gleich ausreichend Gesprächsstoff und schmeckt durch seine vielfältigen Anregungen sicher auch Nicht-Berlinern.


Kreuzberg kocht
Potraits, Interviews, Rezepte.
A. Lichtwer, A. Schroll, C. ­Temsvári
Edition Berliner Büchertisch, 2011
368 Seiten
ISBN 978-3981471618
16,90 Euro

Direkt beim Verlag bestellen.

weitere Artikel aus Ausgabe #14

Photo
von Sylvia Buttler

Naturschutz ohne Natur (Buchbesprechung)

Um es vorweg zu sagen: Dieses Buch zu lesen, macht nicht wirklich Spaß. Es räumt so radikal mit unserem Naturbegriff auf, dass sich beim Lesen massive Ent-Täuschung breitmachen kann. Zu gerne möchte man glauben, dass für den Naturschutz viel getan wird. Aber Peter

Generationenvon Jochen Schilk

Wie tickt »die Jugend«?

Wie denkt die heutige Jugend? – Eine Reihe von Studien versucht, diese stets enigmatisch scheinende Frage zu beantworten.

Bildungvon Jonas Hentschel

Paulas Walz

Wer sich auf die Suche nach ­Wegen jenseits der Erwartungen der Leistungsgesell­schaft macht, findet über kurz oder lang Unterstützung. Der eigene Weg: Es gibt ihn!»Stadt ist nichts mehr für mich«, sagt Paula, »all die Eindrücke, die auf mich

Ausgabe #14
Welterben

Cover OYA-Ausgabe 14
Neuigkeiten aus der Redaktion