Wie Ideen fliegen lernen
In vielen Menschen schlummern Ideen, in ihrer Region etwas zum Positiven zu verändern. Oft ist nur ein kleiner Anstoß nötig, damit sie Wirklichkeit werden.
Als Offizier führt Uwe Kapfer ein Leben als »Funktionierer, Perfektionierer, immer auf der Suche nach Anerkennung«. Dann wechselt er den Beruf zum hochdotierten Businesstrainer, bis das gradlinige Erfolgsschema im Jahr 2009 durch die Diagnose eines Nierentumors beeinträchtigt wird. Aber auch jetzt bleibt Kapfer sportlich, ignoriert den ärztlichen Rat zu einer Operation und beschließt, sich auf andere Weise zu heilen. Dem Tumor gibt er den Namen »Lucky« und begibt sich auf eine Reise in den Dschungel der alternativen Heilansätze. Leider wird im ersten Teil des Buchs nicht klar, wie sich seine anscheinend schon länger bestehende Offenheit für spirituelle Wege mit der Tätigkeit als Offizier vereinbaren ließ. Stattdessen werden zahlreiche Übungen zur Selbsterforschung vorgestellt. Manche davon, wie die Auseinandersetzung mit dem eigenen Geburtstrauma, halte ich ohne professionelle Begleitung jedoch nicht für ratsam.
Nachdem der Tumor zuerst schrumpft, dann aber wieder wächst, verändert Kapfer sein Vorgehen. Ganz Stratege, wendet er die Harvard-Methode an, um mit Körper, Seele, Geist und Ego zu verhandeln. Sie wurde nach dem Ende des Kalten Kriegs entwickelt, um Konflikte so zu lösen, dass für alle ein Gewinn entsteht. Dabei werden Sach- und Beziehungsebene getrennt; statt auf Positionen zu beharren, liegt der Fokus auf den verschiedenen Interessen und Bedürfnissen. Hier wird es richtig spannend, denn in der Folge meldet sich auch sein inneres Kind zu Wort und verlangt Aufmerksamkeit. Anschaulich notiert Kapfer die Gesprächsprotokolle seiner inneren Erforschungen, beschreibt mehr und mehr Verletzungen aus seiner Kindheit, so dass ein Ein- und Mitfühlen leichter wird. Dazu gehört bei seinem Hintergrund eine Menge Mut.
Unter den Krebsratgebern ist dieses in meinen Augen ein männliches Buch. Zwar erteilt es jeglichen Slogans à la »Krieg gegen Krebs« eine Absage: »Ist es nicht völlig irrelevant, ob es um einen Krieg zwischen Staaten geht oder ob wir im Streit mit unseren Nachbarn sind – oder im Kampf mit unserem Körper?« Militärische Begriffe wie »Rüstzeug für Verhandlungen« und klassisch strategisches Denken aber bleiben. Es wirkt mitunter etwas kurios, wenn Tagebuchaufzeichnungen rot und grün markiert und tiefe Erkenntnisse einem Ranking unterzogen werden.
Der Heilungsprozess von Uwe Kapfer verläuft anders als erwartet. Es wird klar, dass der eigentliche »Sieg« der neu gefundene, innere Friede ist und dass gesund zu sein viel mehr umfasst, als ein angestrebtes Ziel zu realisieren. So lautet denn auch sein Fazit: »Suchen Sie keinen Guru oder den allwissenden Problemlöser, suchen Sie den Weg zu sich selbst, und machen Sie sich auf den Weg. Alle Antworten sind in Ihnen.« ◆
Krebs go home
Friedensverhandlungen mit Körper, Geist und Seele.
Uwe Kapfer
Kailash, 2014
224 Seiten
17,99 Euro
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