Eine Initiative auf den Spuren des Bodenkundler-Ehepaars Francé-Harrar.von Jochen Koller, erschienen in Ausgabe #4/2010
Wohl wenige Wissenschaftler haben den Wald so geliebt und seine Bedeutung als Humusbildner – und damit für das Leben schlechthin – derart deutlich hervorgestrichen, wie das österreichisch-ungarische Universalgenie Raoul H. Francé (1874–1943). Er war Wegbereiter der biologischen Landwirtschaft, der Humuspflege und Kompostwirtschaft und des Natur- und Umweltschutzes. Bodenbiologie, Bodenökologie und Bionik gehen ebenfalls auf ihn zurück. Nach seinem Tod setzte seine Frau Annie (1886–1971) die Forschungen fort und erfand einen »Impfziegel« zur Aktivierung des Bodenlebens, der als Vorläufer der Effektiven Mikroorganismen gelten kann.Raoul H. Francé war der erste, der sich mit Hilfe der technischen Möglichkeiten seiner Zeit daran machte, die Kleinstwelt zunächst des Wassers (»Streifzüge im Wassertropfen«, 1906) und dann des Bodens (»Leben im Boden«, 1922) zu erforschen. Seine große Leistung bestand darin, dieses Wissen allgemeinverständlich in Wort und Bild zu den Menschen zu bringen. Allein in Deutschland erreichte die Auflage seiner Werke drei Millionen Exemplare. Sie wurden in viele andere Sprachen übersetzt. In den beiden Weltkriegen wurden jedoch viele von Francés Arbeiten und sein Institut zerstört, so dass seine Arbeit schließlich in Vergessenheit geriet. Das schmerzt, denn seine Werke sind ebenso wie die wissenschaftlichen Arbeiten seiner Frau heute aktueller denn je. Selbst wenn das eine oder andere Detail zwischenzeitlich von der Forschung überholt wurde, bleibt etwas bestehen, das in dieser Kombination nirgendwo sonst zu finden ist: Das Ehepaar Francé publizierte ein gewaltiges, die meisten Bereiche des Lebens betreffendes Wissen. Es entwickelte ein ganzheitliches Verständnis für das Zusammenwirken der einzelnen Wissenschaftsbereiche und eine Begeisterung für das Leben, die sich auch in der Sprache ausdrückt. Überragendes analytisches und philosophisches Denken, gepaart mit Liebe und Einfühlungsvermögen, führte unter anderem zu der Erkenntnis, dass das Leben auf der Erde durch die Zerstörung der Kleinstlebewesen in allen Böden bedroht ist und damit die Gefahr von Hunger, Völkerwanderungen und Kriegen entsteht. Heute finden wir die Mahnungen der beiden bestätigt. Ihre Bücher – meist allgemeinverständliche Werke zum Boden und seinen Lebewesen, zur Entstehung unserer Landschaft und Kultur, zum Wesen der Pflanzen, zum Wald und zu einer »gerechten Lebensführung« – sind daher nach wie vor zeitgemäß. Dank des Francé-Arbeitskreises konnte das Buch »Die letzte Chance für eine Zukunft ohne Not« fast 60 Jahre nach der Erstauflage wiederveröffentlicht und zuletzt auch als kostenlos herunterladbare Datei der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. In diesem Buch fasst Annie Francé-Harrar Ergebnisse aus über vierzigjähriger Arbeit zusammen. Unser Boden sei, jenseits von seiner Notwendigkeit für den Nahrungsanbau, unentbehrlich, denn ohne Humus fehle der »seinserhaltende Umbau von Gestorbenem zu Lebendem« sowie der »Schutz gegen die Erosion, unter welcher die Erdteile sonst unaufhaltsam dahinschmelzen.« Sie beschreibt die Entstehung und Eigenschaften von fruchtbarem Mutterboden und schildert zusammen mit den damals bekannten Maßnahmen gegen Bodenerosion und Humusschwund vor allem den Wald als Humusproduzenten, Wasserfilter und -speicher, was ihn zu unserer Lebensgrundlage macht. Eine Reihe von Zufällen hat eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen Ländern zusammengeführt, die sich der Wiederveröffentlichung des Werks des Ehepaars Francé annehmen will. Es ist zu hoffen, dass die verschollenen Bücher bald als »Weltkulturerbe« im Netz stehen oder auch in Buchform erhältlich sind.
Jochen Koller (49) arbeitet an der Verbreitung der Permakultur im südlichen deutschsprachigen Raum. www.permakultur-koller.de
Unterstützung gesucht Die »Initiative Wiederveröffentlichung Francé-Harrar« freut sich über Hilfe bei der Schreibarbeit, bei Übersetzungen ins Englische sowie über Spenden, Fachwissen oder verlegerische Möglichkeiten. Kontakt über Jochen Koller. www.france-harrar.de/index.php/DieletzteChance.html