von Christina Stange, erschienen in Ausgabe #31/2015
Eine Studie zum Thema »Tiefenökologie« wurde vom österreichischen Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben, und Elisabeth Loibl, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bundesanstalt für Bergbauernfragen wirkt, hat aus der sachlichen Aufgabe mit ihrem Buch »Tiefenökologie – Eine liebevolle Sicht auf die Erde« eine herzvolle Antwort auf zahlreiche lebenswesentliche Fragen gefunden. Bestandteil ihrer Untersuchung sind große Themen, darunter: Nachhaltigkeit; das aktuelle Werte- und Bildungssystem mit der ihm eigenen strukturellen Gewalt; Fortschrittsgläubigkeit und immerwährendes Wirtschaftswachstum; die Überschätzung des Gelds und die Entstehung eines mangelnden Verbundenheitsgefühls zu Natur und Mitwelt. Erfreulich ist, wie sie die Begrifflichkeiten aus den Welten der Tiefenökologen, Antikapitalistinnen, Feministen und Spirituellen – die sonst oft Widerstände auslösen und eine inhaltliche Auseinandersetzung allein durch die Wortwahl verhindern – zu neutralisieren vermag und so nicht nur die Zielgruppe (betroffen sind wir alle!) erweitert, sondern gleichzeitig der versachlichenden Verschleierung entgegentritt, bei der Fachvokabular Herz und Gefühl im Zaum hält. So wird z. B. aus Kapitalismus »Geldfixiertheit«, aus Ressourcen werden »Gaben der Natur« oder »Lebensgrundlagen«, aus nachhaltig wird »lebendig«, und der Reizbegriff des Matriarchats wird zu einer »auf Gemeinschaft ausgerichteten Gesellschaftsordnung«. Den Begriff Tiefenökologie umschreibt sie warmherzig mit »die Liebe zur Erde wiederentdecken« – denn nur mit einem Gefühl der Erdverbundenheit werden wir aufhören, sie zu zerstören. Ebendiese Verbundenheit vermisst die Autorin auch beim menschlichen Urteils- und Empfindungsvermögen, das in klassischer Schulbildung oft verlorengeht. Verstand und rationales Denken, gepaart mit Konkurrenz- und Beurteilungsfokus, würden hier überbetont, während Verbundenheitsgefühl, Empathiefähigkeit und wertschätzende Gesprächskultur im Lehrplan nur wenig zählen. Es ist Loibl außerdem ein Anliegen, den von dem indianischen Lehrer Manitonquat propagierten »Weg des Kreises« zu verbreiten (siehe Oya Ausgabe 30). Diese Kommunikationsmethode zielt mittels Sprechrunden, Wertfreiheit, Akzeptanz anderer Wahrheiten und dem Prinzip gleicher Augenhöhe darauf, weitere Kreise zu ziehen – um aus der heutigen Herrschaftsgesellschaft eine lebendige und liebevolle Gemeinschaft zu machen, die um die Verbindung mit allem und allen weiß. Elisabeth Loibls Gedanken haben Seele, und so tut es gut, diesen Text zu durchreisen, um ein Stück Achtsamkeit und Mitgefühl für sich selbst zu gewinnen und dieses Mitgefühl zum aktiven Handeln für alles Leben werden zu lassen. ◆
Tiefenökologie Eine liebevolle Sicht auf die Erde. Elisabeth Loibl Oekom Verlag, 2014 166 Seiten 19,95 Euro