Permakultur

Ein Garten passend zur Landschaft

Ein Ostsee-Hotel umgibt sich mit einem essbaren Waldgarten.
von Ulrike Meißner, erschienen in Ausgabe #32/2015

Auch ein Garten ohne einjährige Pflanzen und Intensivgemüse kann Ertrag bringen. Auch ein Garten ohne Zierpflanzen kann schön aussehen, wie das folgende – in Anlage und Umsetzung gut durchdachte – Beispiel zeigt.


Eines der vielzitierten Gartenkonzepte aus der Permakultur sind die essbaren Waldgärten. Dabei wird aus dem vergleichsweise ­flachen herkömmlichen Garten ein System mit mehreren Ebenen: Mehrjährige oder sich selbst aussäende Kräuter und Gemüsearten bilden die Krautschicht, in einer Strauchschicht wachsen Beerensträucher und in der Baumschicht Obst- und Nussbäume. Dazwischen gedeihen noch Kletterpflanzen. Es entsteht ein »Garten wie eine Waldlandschaft«, wie der britische Permakulturdesigner­Patrick Whitefield es ausdrückt.
In unseren Breiten sind nur wenige funktionierende Beispiele bekannt – was wohl daran liegen mag, dass das tropische Bild vom hochwaldähnlichen Waldgarten für unsere ­Klimazone aufgrund der geringeren Sonneneinstrahlung nicht ­passend ist und falsche Erwartungen weckt. Für Europa scheint das Bild eines Waldrands bzw. -saums angemessener zu sein. Dieser kann mit seiner abgestuften Struktur die vorhandene Sonnenenergie vielfältiger nutzen als ein mitteleuropäischer Hochwald.
Für Burkhard Kayser, Permakulturdesigner und Berater für nachhaltige Landnutzung aus Minden, klingt selbst der Begriff »Waldrandgarten« nicht ganz richtig: »Zu linear«, findet er. Burkhard bevorzugt inzwischen die Bezeichnung »Haingarten« oder »Obsthain« für diese offene, locker baumbestandene Fläche.
Ein solcher von ihm geplanter und umgesetzter Obsthain liegt im Hotelgarten Haferland in Wieck auf der Ostsee-Halbinsel Darß. Dieser »mitteleuropäische Waldgarten« wurde vor rund zehn Jahren angelegt und wird bis heute gepflegt.

Planung
Die Planung der gesamten Gartenanlage orientierte sich – aus-gehend von permakulturellen Erwägungen – besonders an der zukünftigen Nutzung. Eine ökologisch sinnvolle und zugleich nütz- liche Geländegestaltung, passend zum bestehenden Hotelbetrieb, war das Ziel. Ruhesuchende Gäste sollten durch die Gärten streifen, essbare Pflanzen und für die Floristik einen Platz finden können. Burkhard kamen dabei eigene Erfahrungen als Koch entgegen, die die Zusammenarbeit mit dem Küchenchef des Hotels erleichterte. Wichtige Fragen im Gestaltungsprozess waren demnach: Welche Pflanzen passen zu den Köchen? Wie soll geerntet werden?
Der Waldgarten ist ein Bereich im Gesamtsystem des Hotelgartens, zu dem außerdem noch Gourmet-, Kräuter- und Blumengarten, Teich und Magerwiese gehören. Bei der Anlage pflanzte man über 250 verschiedene essbare Stauden und Gehölzarten. Auf einjähriges Gemüse wurde aus Arbeitsgründen weitgehend verzichtet.
Das Gelände liegt zwischen einem natürlichem Erlenbruchwald und einer Düne in einem sehr feuchten Gebiet. Burkhard Kayser führt die bis heute gute Entwicklung des Gartens darauf zurück, dass ein großer Teil des Planungsprozesses darin bestand, ein Verständnis für die Landschaft zu entwickeln und die Gartengestaltung dieser Umgebung entsprechend vorzunehmen.
Im Gesamtsystem bietet der Waldgarten Platz für Obstbäume und Sträucher sowie für weitere Pflanzen, die nicht in die anderen Gärten passten, etwa Rhabarber, wuchernde Minzen, Grüner Spar- gel oder Wiesenknöterich.

Anlage
Vor der Pflanzung wurde einiges getan, um aus der verdichteten Wiese voller Wurzelunkräuter wie Quecke, Giersch, Hahnenfuß und Stumpfem Ampfer einen guten Gartenboden zu entwickeln. Zunächst wurde die Grasnarbe mit der Scheibenegge aufgebrochen, dann wurde der Boden mit einem Tiefenmeißel (»Parapflug«) bis in etwa einen Meter Tiefe gelockert. Im Herbst wurden die großen Bäume und Sträucher gepflanzt. Eine zweite Bodenbearbeitung mit der Gartenfräse folgte im darauffolgenden Frühjahr, dann wurde die gesamte Fläche mit schwerem Vlies aus Polyethylen (ein Geotextil mit einem Gewicht von 500 g/qm) abgedeckt, um Quecke und die anderen Wurzelunkräuter zu unterdrücken. Alle sechs Wochen wurde das luft- und wasserdurchlässige aber lichtundurchlässige Vlies kontrolliert. Dort, wo die Quecke zum Licht hin durchwuchs, wurde das Vlies leicht angehoben. Dadurch verschwand der Trieb wieder unter der Abdeckung, wo er in der Dunkelheit abstarb und kompostierte. Bis Ende September blieb die Fläche abgedeckt, dann war sie absolut frei von Wurzelunkräutern. Erst dann wurden die Stauden gesetzt.

Entwicklung
Spannend ist es, zu sehen, was von den ursprünglich gepflanzten Arten heute noch vorhanden ist und wie sie sich entwickelt haben.
Einen Härtetest durchlief der Hain vor wenigen Jahren, als das Gelände für fast zwei Monate unter Wasser stand. Das war für die Kirschbäume, einen Szechuanpfef- ferstrauch und einige Spargelpflanzen zu lange. Andere Obstbäume, wie Birne und Mirabelle, haben die Flut heil überstanden. Sie tragen gut, ebenso die Beerensträucher.
Begeistert zeigt sich Burkhard vom Grünen Spargel: Diese »tolle Permakultur-Pflanze« treibt seit zehn Jahren an der gleichen Stelle aus! Manche anderen Pflanzen sind zurückgegangen, was hauptsächlich damit zusammenhängt, dass Stauden nur eine bestimmte Lebensdauer haben.
Für Überraschung sorgten auch die kleinfrüchtigen Kiwis (Actinidia arguta), die bald wesentlich stärker als erwartet an den noch jungen Kirschbäumen emporkletterten; sie wurden zurückgeschnitten.
Die Stauden sind nicht durcheinander, sondern in Gruppen gepflanzt. Sie wachsen zu lassen und gelegentlich bei zu hohem Wildkräuterdruck abzumähen und zu mul- chen, war das ursprüngliche Pflegekonzept für den Waldgarten. Dann könnte die Teilfläche wieder mit Vlies zur Neupflanzung vorbereitet werden. Tatsächlich fiel es den Gärtnern aber schwer, diesem eher unge- wöhnlichen Ansatz zu folgen; sie zogen es vor, zu jäten, um die einzelnen Bestände vor Überwucherung zu retten.
Für die Gäste ist das gesamte Gartensystem angenehm gestaltet. Sie können hindurchspazieren und naschen. Abhängig vom Küchenchef wird mehr oder weniger intensiv für das Menü geerntet, und natürlich stammt auch der Tischschmuck im Restaurant aus dem Hotelgarten. Das gesamte Gelände ist allerdings so groß, dass aktuell gar nicht alle essbaren Pflanzen verarbeitet werden können. Seit 2009 ist der Garten ein zertifizierter Biobetrieb.
Forschungsbedarf sieht Burkhard vor allem bei den essbaren Stauden. Einige – wie Topinambur, Rhabarber oder Wiesenknöterich – gedeihen ohne viel Zutun sehr gut, für viele andere will die richtige Pflege und Nutzung aber noch erkannt werden. Dafür initiiert Burkhard gerade ein »Netzwerk für Sichtungsgärten«. Hier werden die Gärtner unter klar definierten Bedingungen eine Auswahl gleicher Staudenarten anpflanzen, pflegen, ernten, verarbeiten, alles dokumentieren und sich dazu austauschen. Anhand einer jährlichen Sichtung und Bewertung (mittels Fragebogen) werden die Erfahrungen gesammelt, durch die Arbeitsgruppe ausgewertet und veröffentlicht. Aktive Mitgärtner werden noch gesucht.

Tipps für gutes Waldgärtnern
Aus seiner langjährigen Erfahrung ­heraus kann Burkhard einige Faktoren benennen, die zum guten Gedeihen eines Obsthains beitragen. Der Begriff selbst weist bereits auf ein wichtiges Detail hin, das bei der Anlage von Gärten mit Bäumen in unseren Breiten beachtet werden sollte: Die Kronen der Bäume brauchen genügend Abstand. Sie dürfen nicht ineinander wachsen, sonst tragen sie nicht oder nur wenig. Besonders wichtig ist außerdem ein guter Start für die Bäume. Um dem Verbiss der Wurzeln durch Mäuse vorzubeugen, sollten diese in einen Drahtkäfig aus unverzinktem Draht gepflanzt oder dicht mit Schafwolle umwickelt werden.
Wiesengräser sind die größten pflanzlichen Konkurrenten von Bäumen. Werden diese ausgeschaltet oder durch Stauden ersetzt, steigen die Wuchskraft und der Ertrag der Bäume um ein Vielfaches. Zu guter Letzt will bedacht sein, dass auch ein Waldgarten Arbeit macht! •


Den Waldgarten virtuell besuchen
www.issuu.com/burkhardkayser/docs/waldgarten-gestaltung
www.hotelgarten.de/haferlandgarten.html
www.burkhard-kayser.de
www.essgarten.de

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