Federn, Bilder, Bäume
Früher arbeitete Christine Fischer als Juristin und Mediatorin am Schreibtisch mit Computer und Gesetzbuch: Vertragsrecht. Heute hängt sie Fotografien und Texte an Bäumen auf.
Auch auf Höfen, die nach biologischen Richtlinien wirtschaften, erfolgt die Vermehrung von Hühnern meist nicht mehr auf natürlichem Weg. Um hühnerfreundliche Haltungsbedingungen zu schaffen, gilt es, traditionelle Wege neu wiederzuentdecken.
Vor zwei Jahren besuchte ich die Landbauschule auf dem Dottenfelder Hof bei Frankfurt am Main. Ich war erstaunt, dass selbst ein Demeter-Betrieb mit Modellcharakter seine Legehennen von einem großen Hühnerzuchtkonzern kauft. Diese Hochleistungstiere können Nährstoffe besonders gut verwerten und legen viele Eier. Sie brauchen allerdings auch so viel Futter, dass sie selbst im Freiland nicht in der Lage sind, sich selbst zu ernähren. Wenn nicht ausreichend zugefüttert wird, fangen sie an, ihre eigenen Eier aufzufressen. Sie sind auf eine einzige Eigenschaft, nämlich das Eierlegen, gezüchtet und setzen kein Fleisch an. Männliche Küken werden in der Regel daher gleich nach dem Schlüpfen getötet.
Am meisten habe ich mich jedoch darüber gewundert, dass aus den Eiern der gekauften Hennen keine Küken ausgebrütet werden können. Zum einen macht man sich damit strafbar, und zum anderen würde schon die nächste Generation nicht mehr die Hochleistungseigenschaften ihrer Mütter aufweisen.
Im Pflanzenbau wird diese sogenannte Hybridtechnik viel diskutiert – und inzwischen arbeiten viele Gärtner wieder mit samenfestem Saatgut. In der Tierhaltung gibt es dagegen bisher wenig Bewusstsein für die Problematik von Hybridrassen.
Einer meiner Dozenten, der auch für die Hühner auf dem Dottenfelderhof verantwortlich war, erzählte davon, wie Vertreter von Hühnerzuchtkonzernen durch Osteuropa führen und alte Bauernhühner kauften, um sie zu eigenen Zuchtzwecken zu nutzen. Da tatsächlich sämtliche Hühner aufgekauft würden, könnten die Bauern keine Küken mehr von den Nachbarn bekommen, wenn ihre alten Hennen nicht mehr gut legten. Sie seien also fortan gezwungen, selber Hybridhühner zu erstehen. Diese Tiere vollbringen eine fast übernatürliche Leistung, können diese aber nicht lange aufrechterhalten. In der Regel werden sie bereits nach einem Jahr »Produktionszeit« geschlachtet.
Der Gedanke an eine Alternative zu dieser Art von Hühnerhaltung ließ mir von da an keine Ruhe und ich beschloss, nach einem Huhn zu suchen, das robust und kräftig ist, sich selbst versorgt und durch eigene Brut vermehrt werden kann. Dank der Beratung durch Mara Lamby, eine Studentin der Ökologischen Agrarwissenschaften in Witzenhausen, wurde ich auf das Altsteirer Huhn aufmerksam.
Diese Rasse wird seit rund hundert Jahren nur noch auf äußerliche Merkmale gezüchtet. Gefüttert werden die Altsteirer meist mit allem, was der Markt für Geflügelhalter zu bieten hat. Das muss früher anders gewesen sein: Ein Züchter, dessen Vater die Tiere selbst aus der Steiermark importierte, erzählte mir, in der hochgelegenen Herkunftsregion wüchse kaum Getreide. Die Hühner lebten dort halb wild und ernährten sich von dem, was sie auf den Wiesen fänden. Nun möchte ich damit anfangen, sie wieder auf dieses Merkmal rückzuzüchten.
Allesfresser in kleinen Herden
Für das Zuchtprojekt konnte ich den Jungbauern Franz Winter gewinnen, der gerade den väterlichen Bioland-Bauernhof übernimmt. Auch Franz bemängelt die aktuelle Situation in der Hühnerhaltung; insbesondere die übliche Herdengröße entspricht nicht seinen Vorstellungen von biologischer Landwirtschaft. Bei Demeter – dem Anbauverband mit den strengsten Richtlinien – dürfen 3000 Tiere zusammen gehalten werden. Da Hühner in einer Rangordnung leben, aber nur eine begrenzte Zahl von Artgenossinnen erkennen können, sind sie in so einer großen Gruppe immer wieder mit »Fremden« konfrontiert und befinden sich in einem permanenten Rangkampf. Das ist Stress pur. In der Literatur wird die natürliche Herdengröße mit 16 bis 40 Tieren angegeben.
Hühner sind Allesfresser. Beim Scharren und Picken auf dem Boden suchen sie nach Samenkörnern, Würmern, Blättern und Beeren; sie fressen Insekten und obwohl die Literatur etwas anderes behauptet: Meine Altsteirer nehmen sogar die Nacktschnecken!
In der Landwirtschaft dürfen Hühner Seit der BSE-Krise nicht mehr mit tierisch-em Protein gefüttert werden, weil die Seuche bekanntlich dadurch ausgelöst wurde, dass Kühen Tiermehl gegeben wurde. (Genaugenommen ist auch Getreide schlecht für den Kreislauf und die Organe von Rindern. Sie bleiben gesund, wenn sie nur Gras und Heu bekommen.) Obwohl für den Anbau von eiweißreichen pflanzlichen Futtermitteln ein enormer Energieaufwand betrieben wird, leiden viele Hochleistungshennen an Proteinmangel.
Auch ein fleißiges Huhn verdient ein Korn
Wenn die Altsteirer Hühner sich selbst versorgen sollen, brauchen sie viel Fläche. Was die Tiere in früheren Zeiten in den Bergen bei geschlossener Schneedecke zu fressen bekommen haben, konnte ich noch nicht herausfinden. Auf Empfehlung von Mara Lamby planen wir pro Tier 40 Quadratmeter Auslauf ein – das ist zehnmal mehr, als die Demeter-Richtlinie fordert. Am wohlsten fühlen die Hühner sich in einer Heckenlandschaft.
Franz Winter hält eine Rinderherde von rund 50 Tieren mit Nachzucht. Unsere Hühner werden drei Tage nach den Rindern in Anhängern auf die mit Hecken durchzogene Weide gestellt. Die Kuhfladen werden normalerweise mit einem vom Traktor gezogenen Kettenschleppnetz auf der Weide verteilt. Bei uns erledigen die Hühner das sehr zuverlässig und mit viel Freude, denn die Hinterlassenschaften der Wiederkäuer enthalten tierisches Protein in Form von Fliegenlarven.
Zum Thema Fütterung haben Franz und ich noch viele offene Fragen. In der modernen Landwirtschaft grenzt es an Tierquälerei, Hühner nicht zu füttern. Unser kurzfristiger Plan sieht daher vor, die selbständige Futtersuche der Altsteirer durch hofeigenen Weizen zu ergänzen. Dieser hat einen Proteinanteil von etwa 10 Prozent und enthält auch viele Kohlehydrate, also Energie. Während hochgezüchtete Hybridhühner bei einer reinen Weizenfütterung zur Verfettung neigen, können unsere Tiere die Energie der zugefütterten Kohlehydrate bei der Futtersuche auf den Kuhweiden in Proteine umwandeln.
Blitzkurs Hühnerhaltung
Ein Hühnerleben auf dem Bauernhof lässt sich grob in drei Phasen unterteilen. Zunächst entwickeln die Küken das Federkleid, bei den Altsteirern schon mit drei bis vier Wochen. Die zweite Phase reicht bis zur Geschlechtsreife, die mit etwa sechs Monaten abgeschlossen ist. Die Hähne sind dann aggressiv und beschützen ihre Hennen. In der Regel werden die männlichen Tiere deshalb nach fünf Monaten das, was wir als Brathähnchen kennen. Die Altsteirer bringen dabei doppelt so viel Gewicht auf die Waage wie konventionelle Hähnchen. Die dritte Lebensphase erleben nur die Hennen. Sie werden als ausgewachsene Tiere eingestallt und fangen nach sechs Lebensmonaten an, Eier zu legen. Franz und ich hoffen auf einen guten Jahresumsatz aus dem Verkauf der guten Altsteirer Eier!
Auf 20 Hühner sollte mindestens ein Hahn in der Herde sein. Die Hennen fühlen sich dann sicherer; außerdem gibt es ohne einen Hahn natürlich auch keine befruchteten Eier.
Hühner alter Rassen werden weitaus älter als die Legehybriden. Franz und ich wissen noch nicht, wie lange wir die Hühner in der Eierproduktion behalten werden. Auf jeden Fall planen wir eine vierte Lebensphase für sie ein: Nach der Zeit im landwirtschaftlichen Betrieb wollen wir sie günstig abgeben, statt sie zu schlachten. So können alle, die ausreichend Platz, aber nicht genug Geld für teure Eier haben, selbst Hühner halten und auch brüten lassen. Hoffentlich finden sich dafür viele Selbstversorger-Gnadenhöfe! Für den Hausgebrauch gilt, dass ein Huhn drei bis vier Eier pro Woche legt – alte Hühner legen etwas weniger.
Damit die Idee des Selbstversorgerhuhns auch für professionelle Hühnerhaltung an Attraktivität gewinnt, wünschen wir uns den Erfahrungsaustausch in einer überregionalen Arbeitsgruppe. Eine gute Verwertung von selbst angebautem Futter, viele Eier von kräftigen Tieren und Küken von eigenen Hennen – das sind erreichbare Ziele. •
Johannes Sehl (32) ist Permakultur-Student, Demeter-Gärtner und angehender Hühnerzüchter. johannes.sehl_ÄT_gmx.de
An der Erhaltung alter Hühnerrassen interessiert?
Der »Sonderverein der Züchter des Altsteirer-Sulmtaler-und Zwerg-Altsteirer-Huhnes« ist im Internet vertreten:
www.sv-altsteirer-sulmtaler.de
Artikel zur Zuchtproblematik in der Bio-Hühnerhaltung:
www.kurzlink.de/Zuchtproblematik
Früher arbeitete Christine Fischer als Juristin und Mediatorin am Schreibtisch mit Computer und Gesetzbuch: Vertragsrecht. Heute hängt sie Fotografien und Texte an Bäumen auf.
Catherina, du bist in einem Indianerstamm aufgewachsen, hast die ersten Jahre deiner Kindheit quasi in der Steinzeit verbracht. In deinem Buch beschreibst du paradiesische Zustände: Ihr Kinder hättet kaum Pflichten gehabt, aber viele Rechte und Freiheiten.Meine Eltern erforschten
Die Art und Weise, wie wir eine Strecke zurücklegen, lässt sich grundsätzlich unterscheiden: Die eine will nur möglichst schnell von A nach B kommen; die andere lässt sich etwas Zeit und hält ihre Augen offen. Sie bemerkt vielleicht, wie die Knospen gerade