Buchtipps

Villa Monte – Schule der Kinder (Buchbesprechung)

von Matthias Fersterer, erschienen in Ausgabe #33/2015
Photo

»Die Schule müsste der schönste Ort in jeder Stadt und in jedem Dorf sein.« – Das Zitat von Oscar Wilde ließ mich bei www.newslichter.de auf die »Villa Monte« und dieses besondere Buch aufmerksam werden. Ebenso wie Wildes Ausspruch könnte die »Schule der Kinder« nicht weiter entfernt vom grauen Alltag real existierender Schülerverwahrungsanstalten sein.
Vor gut dreißig Jahren als Montessorischule im Kanton Schwyz gegründet, löste sich die Villa Monte bald von jeglichem pädagogischen Konzept und stellte jene in den Mittelpunkt, um die es wirklich geht: die Kinder. Gegenwärtig lernen dort etwa hundert junge Menschen völlig frei und selbstbestimmt von der ersten bis zur zehnten Jahrgangsstufe. Die Erwachsenen arbeiten nicht mit Lob, Tadel und Kontrolle, sondern schaffen ein vertrauensvolles Umfeld, das es den Lernenden ermöglicht, in altersgemischten Gruppen die Erfahrungen zu machen, die sie für ihre Entwicklung brauchen. Die einzige feste Regel lautet: »Niemand tut etwas, was ein anderes Kind nicht gerne hat«, das wichtigste Motto: »Jedes Kind weiß es selbst am besten«. Diese radikale Freiheit ist eingebettet in eine Atmosphäre familiärer Geborgenheit, herzlichen Wohlwollens und erwartungsfreien Zutrauens.
Der reichhaltige Bildteil führt anhand großformatiger Fotos von Beat Streuli durch den Lernalltag in der Villa Monte. Ein ausführliches Interview mit den Schulgründern und Lernbegleitern Rosmarie Scheu und Harry Kool, die sich selbst in Ermangelung eines treffenderen Begriffs schlichtweg als »Erwachsene des Hauses« bezeichnen, lässt tief in die Lernpraxis blicken. Zwei kurze Beiträge des Kinderarzts Remo Largo, Autor der klarsichtigen Bücher »Babyjahre« und »Kinderjahre«, zeigen Hintergründe der allgemeinen Bildungsmisere und die Bedeutung dieser ­Alternativschule. Gewiss, ihr Modell wird nicht eins zu eins auf andere Orte übertragbar sein. Dennoch hat die Eigen-artigkeit dieses Lernorts grundlegende Prinzipien hervorgebracht, die durchaus Modellcharakter haben: die dienende Haltung der Erwachsenen, die egalitäre Gemeinschaft aller Beteiligten, den Respekt vor der Entfaltung des Individuums.
Die Villa Monte ist ein freier Ort für freie Menschen, der die ursprüngliche Wortbedeutung von »Schule« (von griechisch »scholé«, »Muße«) mit lebendiger Bedeutung füllt. Es ist eine Schule, auf die ich selbst gerne gegangen wäre und die ich auch Kindern hierzulande wünsche.

Villa Monte – Schule der Kinder
Rosmarie Scheu und Harry Kool
Lars Müller Publishers, 2014
288 Seiten
ISBN 978-3037784525
30,00 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #33

Photo
von Lorch Sabrina

Hinein ins Blaue!

Im Frühlingsmonat Mai ist die Landschaft der Oberlausitz wie vielerorts von einem satten Gelb getränkt. Ohne ihn zu hinterfragen, genieße ich den Anblick des leuchtenden Rapsmeers. Das Gelb ist eine moderne Farbe, lerne ich in der »Leinenmanufaktur von Kleist« in

Photo
von Martina Schäfer

Diagnose: unheilbar. Therapie: selbstbestimmt. (Buchbesprechung)

Im Jahr 2005 erkrankte Sven Böttcher, Autor des Buchs »Diagnose: unheilbar. Therapie: selbstbestimmt« an Multipler Sklerose (MS). Heute ist er schubfrei und bezeichnet sich selbst als »meistens geheilt«. Was ihm dabei geholfen hat und was seinem Heilungsprozess

Photo
von Veronika Bennholdt-Thomsen

Buen Vivir (Buchbesprechung)

Alberto Acosta, Professor für Wirtschaftswissenschaften in Quito, ist in Deutschland durch seine Auftritte und Beiträge zur wachstumskritischen Debatte gut bekannt. Von 2007 bis 2008 war er Präsident der verfassungsgebenden Versammlung Ecuadors, durch die das entwicklungskritische,

Ausgabe #33
Überlebenswichtig

Cover OYA-Ausgabe 33
Neuigkeiten aus der Redaktion