Selbstvertrauen stärken
Spenden können Lebensbedingungen in Slums nicht wirksam verbessern, solidarökonomische Netzwerke hingegen sehr. Schülerfirmen helfen bei der Gründung.
Nach einer anderthalbjährigen Crowdfunding-Aktion hat der FIU-Verlag ein Interview mit Joseph Beuys von 1976 neu herausgebracht. Es trägt den Titel: »Was ist eine freie Akademie?«
Man sollte meinen, in der Zwischenzeit sei viel passiert, das Gesellschaftssystem sei grundlegend verändert worden, Freiheit in Kunst, im Entwickeln innovativer Ideen sowie gelebte Basisdemokratie seien Selbstverständlichkeiten geworden. Natürlich ist einiges geschehen in diesen knapp 40 Jahren – und doch haben äußerlich große Umwälzungen, wie die Wiedervereinigung, keine Heilung der Unfreiheiten gebracht, und nahezu alle Bereiche unterliegen staatlichem Einfluss in mal subtiler, mal offensichtlicherer Manier. Das Fernsehen, das Beuys schon damals als Verdummungsanstalt und Lenkinstrument des Staates und seiner Parteien identifizierte, wurde derweil ergänzt durch die damals noch unbekannten Wege der digitalen Suggestion.
Das jetzt nochmals aufgelegte Interview trägt so die Inspiration eines Vordenkers in die heutige Zeit – die Sehnsucht nach freier Bildung besteht nicht erst seit Kurzem, und Reformansätze hat Beuys bereits zu seiner Zeit nachdrücklich diskutiert und angestoßen.
Gerade die Ur-Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung wird nach wie vor stark manipuliert, und ein staatliches Schulsystem steuert die erwünschte Einpassung der Menschen in die Wirtschaft. Die Gedanken, die uns der streitbare Künstler und Freidenker hinterlässt, sind nicht Geschichte – sie sind aktueller denn je und liefern Material und Anregung, um heute hoffentlich endlich erfolgreich in Aktion zu treten.
Beuys’ Anliegen war die freie persönliche Entfaltung, die sich aber nicht nur in einem eng gefassten Begriff von Kunst zeigen, sondern sich nachhaltig im gesellschaftspolitischen System niederschlagen sollte. Dann ginge es nicht mehr um das Erreichen definierter Wirtschaftsziele, sondern um individuelle Erkenntniswege in der Bildung, die weitaus besser zur Befriedigung des menschlichen Bedarfs führen würden. Beuys setzt sich mit dem Begriff der Freiheit auseinander, bleibt aber nicht theoretisch, sondern tritt ein für Entstehung und Gleichberechtigung freier Hochschulen und Schulen, in denen Freiheit tatsächlich für von Institutionen und Staat unbeeinflusste Eigenständigkeit steht statt nur als Stempel – wie bei der »freien« Marktwirtschaft – von der realen Situation abzulenken.
Es lohnt sich, Beuys’ Worte immer wieder auf sich wirken zu lassen; jedesmal entfalten sie tiefere Wirkung. Was aus seinen Ideen und angeschobenen Projekten wie der Freien Internationalen Universität (FIU) bis heute weiterentwickelt wurde, findet sich abschließend im ebenfalls gehaltvollen Ergänzungsteil des schlanken, kostbaren Buchs.
Was ist eine freie Akademie?
Joseph Beuys, Rainer Rappmann
FIU, 2014
64 Seiten
ISBN 978-3928780377
13,80 Euro
Spenden können Lebensbedingungen in Slums nicht wirksam verbessern, solidarökonomische Netzwerke hingegen sehr. Schülerfirmen helfen bei der Gründung.
Das Thema des Buchs »Schmerz. Eine Befreiungsgeschichte« von Harro Albrecht lässt aufhorchen. Es gibt nur wenige Dinge, die die Menschen derart übergreifend betreffen wie das Erleben von Schmerzen. Auf mehr als 600 Seiten wird das Thema Schmerz auf verschiedenste Weise
Als ich vor drei Jahren eine ethnologische Untersuchung über die »alternativ« lebenden Zugezogenen in einer Mikroregion in Mecklenburg-Vorpommern vornahm, hatte ich zum Glück die Zustimmung meiner Professorin erhalten, privates und wissenschaftliches Interesse in meiner