Permakultur

Böckchen zu Gärtnern

Wege zur gemeinsamen Gartenarbeit mit Kleinkindern.
von Susann Stüve, erschienen in Ausgabe #33/2015
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© Susanne Stüve

Das Wasser spritzt in alle Himmelsrichtungen. Die zweijährige Tonke presst ihre gelbe Gießkanne unter den Wasserhahn und beob­achtet, wie das Wasser die Kanne überfüllt. Beim anschließenden Gießen schaut sie mich fragend an und versichert sich, ob auch dieser kleine Kohlrabisetzling noch Wasser benötigt. Als ihre Kanne geleert ist, läuft sie zielstrebig den Weg im Beet entlang in Richtung Wasserhahn.
Tonke kann sich in ihrem Garten inmitten angelegter Beete relativ frei bewegen. Durch die Denkanstöße und Lernprozesse bei meiner Permakultur-Ausbildung habe ich auf viele Fragen Antworten gefunden und mir einen Rahmen geschaffen, um zu beobachten, zu forschen und praktisch auszuprobieren.

Selbstbestimmung im Kinderalltag
Seit der Geburt meines ersten Kindes 2011 gestalte ich meinen Alltag in Abstimmung mit dem kindlichen Rhythmus und den kindlichen Anliegen. Während der sehr häuslichen Phase nach der Geburt öffneten sich plötzlich diverse Türen. Beispielsweise konnte ich mir damals lange liegengebliebene Lernwünsche wie Brot­backen und Stricken erfüllen.
Mit dem Umzug in ein WG-taugliches Haus mit größerem Grundstück erfüllte sich schließlich auch der Traum vom Gärtnern. Im Kontext einer Hausgemeinschaft bedurfte es vor allem zu Beginn etlicher ­Absprachen, doch was die Art der Landbewirtschaftung betraf, waren wir Bewohner uns einig: Alle empfanden wir die Permakultur als positiven und mit unseren eigenen Werten übereinstimmenden Ansatz. Ich hatte also freie Hand – und freie Hände, die nur gebunden waren durch den Alltag mit den Kindern.
Meine zweite Tochter, Tonke, kam 2012 auf die Welt, das dritte Kind begleitet uns seit Oktober 2014 in meinem Bauch. Ich fragte mich also, was meine Kinder brauchen, was der Garten in Bezug auf die Kleinen erfüllen soll und was ich bereit sei, in diesem Kontext zu gestalten und zu geben, so dass es zu meinen Kapazitäten und zu meiner Vorstellung vom Gärtnern passt. Keinesfalls stand dabei ein intensives Wirtschaften im Vordergrund. Wer jederzeit viel schaffen möchte und gleichzeitig Kinder um sich hat, sollte vermutlich besser für eine zusätzliche Kinderbetreuung sorgen.

Permakulturelle Gestaltungsfrage
Ein ideales Gelände für Kinder ist kein Garten im herkömmlichen Sinn, sondern ein gewachsener Wald. In einer solch robusten, vielfältigen Umgebung bieten sich die besten Spielmöglichkeiten. Die Permakultur bietet mit ihren Gedanken zu Waldgärten etliche Ansätze für Gestaltungen, die interessante Aspekte für die kind­liche Entwicklung bereithalten. Auch wenn kein Wald vor der Haustür existiert und keine waldähnliche Struktur im eigenen Garten so richtig passen will, können Ideen und Anregungen aus Wäldern und Wald­gärten in das gemeinsame Gärtnern mit Kindern einbezogen werden.
Mein Hauptfazit lautet: Wie frei kleinere Kinder sich in einem Garten bewegen können und wie reibungslos dadurch das alltägliche Gärtnern mit Kindern in der Nähe werden kann, ist schließlich eine Frage der Gestaltung des gesamten Gartens, der Beete und der Verknüpfung einzelner Elemente miteinander.
Kinder senden sehr genaue Signale aus, welche Formen für ihren Bewegungsablauf tauglich und altersgemäß sind und welche ihnen Schwierigkeiten bereiten. Bei der genauen Beobachtung ihres Verhaltens lassen sich Erkenntnisse gewinnen, die in die Gestaltung eines kindernahen Gartens einbezogen werden können. Gleichzeitig beobachten auch sie uns: Für Kinder ist es essentiell, wie sich die Bezugspersonen um sie herum – in einem Garten – bewegen.

Das Raumgefühl stärken
Tonke hüpft in das Kraterbeet hinein. »Drin’«, sagt sie vergnügt, dreht sich herum und klettert die kleine Stufe wieder hinauf. »Draußen«, freut sie sich und nimmt diese Freude zum Anlass, das Ganze wieder und wieder zu tun.
Beim Ausheben des Kraterbeets hatte ich die Dimension des kleinkindlichen Kletterns nicht bedacht. Als das Beet fertig war, kam die Erkenntnis: Plötzlich ist da ein von einem Hügel umgebenes Loch, das im Sommer grün wuchert und Naschecken bereithält. Ein Kraterbeet schafft eine für Kinder interessante Struktur. Durch das Anlegen eines solchen Beets – was im kleineren Maßstab nicht schwer ist – entstehen verschiedene Ebenen im Raum, die unterschiedliche Reize bei den Kleinen auslösen können. »Oben« und »unten«, »drinnen« und »draußen« sind dann Richtungen, die nicht nur im Haus oder auf dem Spielplatz erlebbar sind. Vor allem für die Jüngsten stellt das Erklettern eines kleinen Walls eine motorische Herausforderung dar.

Herausforderungen im ­Verlauf der Jahreszeiten
Gerade kleinere Kinder wollen beim Gärtnern ganz nah bei ihrer Bezugsperson sein, brauchen Sicht- und meist auch Körperkontakt – und sie wollen Anregungen bekommen, Impulse, um auf eigene Faust Abenteuer im kleineren Radius zu erleben! Herausforderungen können Tätigkeiten sein, die das Kind spüren lassen, dass es am Gärtnern in irgendeiner Form teilhat.
Die Jahreszeiten bieten unterschiedliche Möglichkeiten. »Garten« ist dabei kein starres Gebilde, sondern kann als ein Prozess begriffen werden, der ständigem Wandel unterliegt: durch Sukzession, unterschiedliche Wetterlagen, sich abwechselnde Vegetationsperioden. Dieser Wandel bietet Möglichkeiten für kindliche Veränderungen – und umgekehrt sind auch die kind­lichen Entwicklungsphasen Nährboden für einen sich verändernden Garten.
Das Mulchen beispielsweise wird zu einer komplexen, jedoch schönen Aufgabe: Da muss Gras gezupft und umhertransportiert, Laub auf einem Haufen gesammelt und Stroh aus dem Laufentenstall gefegt werden. Im Spätsommer und Herbst ­liegen überall Äpfel verstreut, die nach einem ­Bissen zurück auf den Boden oder in einen Sammelkorb zum Apfelsaftpressen fallen. Zur Markierung der Saatreihen und -flächen werden Zweige benötigt. Mit viel Toleranz der Gärtnerin dürfen auch manche Samenkörner durch die kleine Kinderhand in die Erde rutschen und mit guten Wünschen ­bedeckt werden.

Ist das ein Weg?
Wenn bei all diesen Tätigkeiten, wie dem Säen, auch innerhalb der Beete die Wege gut sichtbar sind, ist es für die Kleinkinder einfacher, sich inmitten des gärtnerischen Geschehens zu bewegen. Im Frühling ist es entspannter, wenn noch ungeübte Kinderfüße in sicherer Entfernung zu den jungen Pflänzchen umherstapfen.
Breite und vor allem durch entsprechendes Material wie Bretter oder Holzspäne gekennzeichnete Pfade zeigen kleineren Kindern einen Weg durch das noch schwer auszumachende Grün. In späteren Vegetationsperioden reichen essbare Wege innerhalb eines Beets für die Orientierung: Spinat eignet sich zum Beispiel hervorragend als Wegbepflanzung, Lückenfüller und Gründünger, der leichten Kinderfüßen nicht allzu viel krummnimmt.

Zusammen allein
Kinder haben nicht ständig ein Bedürfnis nach Kontakt und Nähe. Bekanntlich brauchen sie mit zunehmendem Alter auch Raum, um selbst zu gestalten und sich zu entfalten. Zugleich ist es nicht immer das höchste Interesse eines Gartenhüters, in Umklammerung mit dem eigenen Kind zu säen, zu pflanzen und zu werkeln. Es kommt vor, dass sich die Wege für eine Weile trennen und jeder in seinem Raum in seinem Tempo und seiner Konzentration agieren möchte.
Nach meiner Erfahrung funktioniert eine temporäre räumliche Trennung mit kleineren Kindern am besten, wenn das Spielgelände mit Schaukel, Sandkiste, Rutsche usw. in Sicht- oder Rufweite zu den Hauptbetätigungsbereichen im Garten liegt. Das gibt gerade den Kleineren die Sicherheit, die sie noch brauchen. Umgekehrt erlaubt dies auch eine beruhigende Rückkopplung, da ich merke, wann die Kinder etwas benötigen, weil ich beispielsweise höre, wenn sie zur Toilette müssen und ­dafür meine Hilfe benötigen.

Freispiel ermöglichen
Während manche Erwachsene ununterbrochen im Garten arbeiten könnte, brauchen Kleinkinder dann und wann eine kurze Zeit, um aufzutanken und neue Spiel­ideen zu entwickeln. Möglichkeiten dazu ergeben sich in einem permakulturell gestalteten Garten meist automatisch:
Jedwede Beetbegrenzung – wie Steine, Rundhölzer, Reisighaufen oder Baumstümpfe – laden Kinder ein, sich niederzulassen. Gleichzeitig stellen sie eine pädagogische Linie dar: Kleinkinder erkennen in solchen Strukturen eine sichtbare Begrenzung, einen klaren Bruch im Übergang vom Rasen zum grün wuchernden Beet.
Überraschend ist das Gärtnern mit Kindern allemal und jederzeit. Zudem ist es ein entschleunigendes Tun, voller Pausen und Momenten der Beobachtung, des Rückkoppelns und kreativen Gestaltens. Die Kinder wachsen in die Beete hinein, und gleichzeitig wachsen die Beete mit den Kindern und ihren Ansprüchen an einen frei zu erobernden Raum im Draußen. •


Susann Stüve (29) ist Mutter von drei Kindern, absolviert eine Ausbildung zur Permakultur-Gestalterin und gibt Kurse in gewaltfreier Kommunikation. Sie erforscht, wie man ein Leben gestalten kann, das die Kinder wieder am Alltag der erwachsenen Menschen teilhaben lässt.

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