Eine schmale Brücke in einem italienischen Dorf: Der Autofahrer muss auf Entgegenkommende achten und sich zur Not per Rückwärtsgang mit ihnen arrangieren. Eines Tages steht eine Ampel da. Nun warten die Fahrer vor der technischen Obrigkeit – von jeglicher Verantwortung für die Situation befreit, aber genervt von Abgasen und ohne jede Chance, kooperativ, geschickt, höflich und selbstdiszipliniert zu handeln. Nicht von ungefähr zählt Wolfgang Schmidbauer in seiner »Enzyklopädie der dummen Dinge« die Ampel zu jener Art von Errungenschaften, die unserer evolutionär erarbeiteten Intelligenz nicht angemessen sind: Anstatt Lernfähigkeit und Kreativität zu fördern, bedienen sie das Bedürfnis nach einem bequemen, sicheren Leben. Der Autor ist überzeugt davon, dass bestimmte Erfindungen die Menschen zum Negativen verändern können. Alphabetisch führt er zahlreiche Beispiele von Dingen und ihren Folgen auf – von A wie Auto über P wie Plastik bis W wie Wochenendhaus. In einem vorangestellten Essay skizziert Schmidbauer unser gesellschaftliches Klima, in dem Bequemlichkeit geradezu »sittliches Gut« geworden sei. Technischer Fortschritt und Komfort bieten seiner Meinung nach nur eine scheinbare und kurzfristige Sicherheit. Letztlich vergeudeten sie vor allem Ressourcen und machten uns abhängig von störanfälligen Energiequellen. »Wir sind nicht zum Sitzen geboren, sondern zum Sammeln und Jagen, zum Basteln und Probieren«, meint Schmidbauer. Handarbeit sei wichtig für den Kopf und umgekehrt. Dinge selbst herzustellen, mag Zeit in Anspruch nehmen, lässt uns aber etwas über uns selbst erfahren, wenn wir uns mit den Schwierigkeiten einer Aufgabe auseinandersetzen und lernen, ins Ungewisse hinein zu gestalten. Ein Fotoapparat, der nicht alles selbst macht und Ungeschicklichkeit mit schlechten, unlöschbaren Bildern bestraft, fordert eher heraus als viele aktuelle Kameramodelle. So fallen denn auch Hometrainer, Handy und Hackfleisch in die Kategorie der dummen Dinge. Auch wenn beim Umfang der Einträge weniger manchmal vielleicht mehr gewesen wäre, ist die Botschaft des Buchs durchaus kraftvoll. Die Welt der Dinge sei »so unergründlich und vielfältig wie die Welt der Seele« – und die Dinge in unserer Umgebung veränderten die Seele. Deshalb bräuchten wir für eine enkeltaugliche Gesellschaft mehr übende statt komfortable Techniken. Das Buch ist aber kein Plädoyer für ein »Back to the Roots«; vielmehr geht es um bewusste Entscheidungen: Wo etwa setzen wir Handwerk, wo Hightech ein – und warum? ◆
Enzyklopädie der dummen Dinge Wolfgang Schmidbauer oekom, 2015, 240 Seiten ISBN 978-3865817327 17,95 Euro