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Einfach. Natürlich. Leben. (Buchbesprechung)

von Elisabeth Voß, erschienen in Ausgabe #34/2015
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»Einfach. Natürlich. Leben. Lebensreform in Brandenburg 1890–1939« ist das Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Potsdam. Es ist anschaulich geschrieben und zeigt soziale Bewegungen einer Zeit, die unter vielen Aspekten anders als die heutige, aber an manchen Punkten auch ähnlich war. Auch damals zweifelten viele Menschen an einem Fortschritt, der auf Industrialisierung und Wachstum basierte. Die Lebensreformbewegung setzte dem eine Vielfalt von Utopien und praktischen Alternativen entgegen.
Natürlichkeit wurde zu einem mehr oder weniger religiösen Ideal, verbunden mit regelrechten Kulten um Körperschönheit und Gesundheit. Freikörper-Kultur (FKK) und körperliche Ertüchtigung verbreiteten sich ebenso wie Naturheilkunde, vegetarische Ernährung und Reformpädagogik. Im Berliner Umland entstanden Landkommunen und Genossenschaften, die sämtliche Lebensbereiche erneuern wollten. Neue Architektur und Gartengestaltung, Handwerk und künstlerischer Ausdruck sollten dem als normiert und künstlich empfundenen Stadtleben freiheitliche Alternativen entgegensetzen. Die politische Bandbreite dieser Sozialutopien reichte von links bis rechts.
Das Land Brandenburg war ein Zentrum dieser Bewegungen, und im Buch beschreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die 15 Stationen der Ausstellung. Heute bestehen nur noch drei der vorgestellten Projekte: die damalige Obstbau- und heutige Siedlungsgenossenschaft Eden in Oranienburg, die Friedensstadt Weißenberg in Glau sowie das Gut Marienhöhe in Bad Saarow, auf dem die biologisch-dynamische Landwirtschaft und ihre Marke »Demeter« entwickelt wurden. Die utopische Freiland-Siedlung Gildenhall und das »Versuchsfeld des Kommenden« Grünhorst gingen ein, ebenso wie die völkische Siedlung Heimland.
Weitere Kapitel befassen sich mit Lebensreform-Zeitschriften, der Wandervogel-Bewegung sowie den »Inflationsheiligen« und »Kohlrabi-Aposteln«. Politisch standen diese für sehr unterschiedliche Positionen; so trat zum Beispiel Fidus schon 1932 der NSDAP bei, während Gusto Gräser von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Sehnsucht nach Heilslehren und die Verehrung ihrer Überbringer Teil des Nährbodens waren, der Adolf Hitler den Weg bereitete. Dieser Aspekt bleibt im Buch seltsam unterbelichtet. Viele Ideen und Praktiken der Lebensreform wurden in der Alternativbewegung der 1970er und 1980er Jahre wiederentdeckt und werden heute erneut diskutiert. Insofern sind Buch und Ausstellung ­hochaktuell. ◆ 


Einfach. Natürlich. Leben.
Lebensreform in Brandenburg 1890 – 1939.
Christiane Barz (Hrsg.)
Verlag für Berlin-Brandenburg 2015, 184 Seiten
ISBN 978-3945256237
 24,99 Euro

 

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