Die Faultiermethode (Buchbesprechung)

von Jochen Schilk, erschienen in Ausgabe #6/2011
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Wieso wagt es ein Verlag wie Rogner & Bernhard (bei Zweitausendeins), im Jahr 2010 ein amerikanisches Buch von 1978 auf Deutsch herauszugeben, in dem die damals 18-jährige Autorin unter anderem über die gesetzlichen Regelungen von Haus-Zwangsver- steigerungen im Bundesstaat Pennsylvania oder über die damals besten Bezugsquellen von Gartensaatgut in den Staaten informiert? Nun, zum Beispiel, weil das Buch über die Frage »Wie man gut ohne Job und (fast) ohne Geld lebt« sich auch heute noch einfach wunderbar liest. Dolly Freed (engl. freed = befreit) schaffte es vor dreißig Jahren mit viel Witz, Frische und Leidenschaft, ihre Leserschaft davon zu überzeu- gen, dass das Leben als faule Aussteiger aus der Dik- tatur des Geldes a) weder Hippies noch Waldschraten vorbehalten und b) außerdem ziemlich leicht zu bewerkstelligen sei – sofern gewisse Grundvoraus- setzungen und Lebensphilosophien berücksichtigt bleiben.
In einem öden Winter geschrieben, gelangten die »Faultiermethode« und ihre Autorin über Nacht
zu landesweiter Berühmtheit und bald zu einem gewissen Kultstatus. Ein Großteil des Erfolgs ist
dabei wohl weniger darauf zurückzuführen, dass das Manifest eine vollständige Anleitung zum Einstieg in die Selbstversorgung wäre – das ist es nämlich kaum, heute noch weniger als 1978. Es sind wohl eher die zahlreichen autobiographischen Aspekte einer außer- gewöhnlichen jungen Frau, die begeistern. (Die Schul- abbrecherin Dolly arbeitete nach ihrer Subsistenz- phase übrigens für einige Jahre als NASA-Ingeneurin.) Der darüber hinaus gehende Wert des Buchs liegt in seiner Fähigkeit, zu inspirieren – zum anarchischen Denken und natürlich zum Aufbruch in das einfache und doch ziemlich erfüllende Leben, das Dolly und ihr Vater zum Zeitpunkt der Niederschrift bereits einige Jahre inmitten einer ganz normalen Nachbarschaft geführt hatten. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass das Buch heute wieder aufgelegt wird. Auch wenn es über weite Strecken um scheinbar schrullige Tätigkeiten wie das Herstellen von selbstgebranntem Schnaps, die Haltung von Kaninchen im Keller (Vegetarier aufgepasst!), die Erbeutung und Zubereitung wild- lebender Tiere sowie natürlich um das Einwecken
von Gemüse geht, trifft die Frage nach einem Leben außerhalb der Zwänge von entfremdender Lohnarbeit einen untergründigen Zeitgeist. Die auf den ersten Seiten formulierte Faultier-Lebensphilosophie – kurz: »Es ist einfacher, auf manche Dinge zu verzichten, die man mit Geld kaufen kann, als das Geld zu verdienen, um sie zu kaufen.« – hat rein gar nichts von ihrer Aktualität verloren. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn sich eine mitteleuropäische AussteigerIn von der Lektüre aufgerufen fühlte, eine zeitgemäße, an hiesige Verhältnisse angepasste Faultiermethode zu
beschreiben – wenn möglich, mit ebensoviel Charme. 

Die Faultiermethode
Ein Manifest gegen die alltägliche Diktatur des Geldes
Dolly Freed
Rogner & Bernhard,
2010,
300 Seiten
ISBN 978-3807710648,
19,90 Euro

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